Ein „Irrlicht“ hatte er Sahra Wagenknecht genannt. Im November saß Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow noch sichtlich der Streit und die bevorstehende Spaltung der Linkspartei in den Knochen. Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen hatte er aber schon damals über eine mögliche Wagenknecht-Koalition gesagt: an Phantom-Debatten nehme er nicht teil. Wagenknecht kandidiere auch nicht in Thüringen. Das hieß übersetzt: Schaun mer mal.
Vier Monate später hat Ramelow wieder ein Interview gegeben. Dieses Mal der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Und wieder betont Ramelow: Wagenknecht kandidiert nicht in Thüringen, will nicht Ministerpräsidentin werden. „Ich finde den Personenkult, den sie betreibt, sehr fragwürdig. Und ich ärgere mich noch heute darüber, dass sie nie willens war, in unserer Partei ihren Veränderungsanteil zu leisten“, betont er.
Und doch, da ist die Hintertüre. Im November nur einen Spalt, nun meterweit offen. Linke, CDU und BSW hätten zusammen eine „klare Mehrheit gegen die AfD“. Ramelow schickt Blumen an die BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf. Sie ist Oberbürgermeisterin von Eisenach. Ramelow sagt, sie habe gute Arbeit geleistet. Er habe Wolf kürzlich eine SMS geschrieben: „Du bist in das BSW gegangen, weil Du nicht unter einem AfD-Innenminister aufwachen wolltest. Jetzt könntest Du selber Innenministerin werden. Aber dafür musst Du auch kämpfen.“ Die SMS blieb unbeantwortet.
Man liest heraus: die Personalie Wagenknecht mag Ramelow nicht leiden. Ihre Stimmen aber schon. Offenbar träumt man im gespaltenen Lager der Linkspartei nunmehr von der alten Devise: getrennt marschieren, gemeinsam schlagen. Das ging schnell. Im Bundestag hatte sich die Linkspartei noch gegen die gemeinsame Fraktion mit dem nach Wagenknecht benannten Bündnis gewehrt. Jetzt hat man sie bereits zum Verbündeten erhoben.
Liebe zur Ex? Aus der Verachtung gegenüber den Abtrünnigen ist mittlerweile eher Angst vor dem Erfolg des BSW geworden. Noch im Dezember hatte Ramelow großspurig erklärt, er rechne nicht damit, dass die neue Wagenknecht in Thüringen bei der Wahl an den Start gehe. Noch im Februar teilte Wagenknecht bei „Misosga“ neuerlich gegen die einstige Parteikollegin aus, nur, um dann von „Repräsentationslücken“ zu fabulieren, die das BSW nun fülle. Bezeichnend, wie Politiker plötzlich eine Parteivorsitzende von ihrer Partei trennen können, wenn die eigene politische Zukunft am seidenen Faden hängt.
Seit Januar hat die Linkspartei in Thüringen beständig an Federn gelassen. Umfragen sehen sie noch bei 16 bis 18 Prozent. Letztes Jahr erreichte sie noch spielend Werte über 20 Prozent. Das BSW verorten Infratest dimap und INSA bei 15 bzw. 13 Prozent. Das Potenzial ist da, mit der Ramelow-Partei gleichzuziehen – oder diese gar zu überholen. Die AfD indes changiert zwischen 29 und 31 Prozent. Ende letzten Jahres erreichte sie noch 34 bis 36 Prozent.
Andererseits: auf so gute Werte, wie Linkspartei und BSW zusammen kämen, kamen die Linken alleine schon lange nicht mehr. Es wäre eine neue Möglichkeit, das zu verzögern, was unvermeidlich ist. Offenbar legt man es darauf an, dass bei der übernächsten Wahl die AfD dann vielleicht an 40 Prozent kratzt. Aber der Zeitgewinn zählt dieses Mal mehr. Und solange es mit dem BSW eine Alternative zur Linken gibt, kann sich auch die CDU nicht völlig zieren. Ramelow betont – und in der Logik nicht unrichtig: wieso können die Christdemokraten es ausschließen, mit dem BSW zu koalieren, aber nicht mit den Linken? Die persönlichen Viten und Traditionslinien sind im Osten des Landes wohl kaum ein Argument.
Mit dem BSW hat Ramelow also letztlich ein Mittel, um sämtliche Parteien zu binden. Wie schnell er seine Meinung ändern kann, hat er bereits nach dem Kemmerich-Sturz gezeigt, als es noch hieß, es würden bald Neuwahlen folgen. Selbst ein Patt bei der Landtagswahl mit BSW-Linksregierung dürfte unter stiller Duldung der CDU ausreichen, ohne, dass jemand weitere Einwände hat. Bereits Merkel hatte ihn zum Kommissar für die unruhige Provinz Thüringen von Berliner Gnaden abgesegnet.