Normalerweise würde es ein solcher Text nicht in eine Zeitung schaffen: Was die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Dietmar Woidke (SPD) und Michael Kretschmer (CDU), sowie der Möchtegern-Ministerpräsident von Thüringen, Mario Voigt (CDU), da gerade als FAZ-Gastbeitrag zusammengeschustert haben, ist nämlich beim besten Willen kein schneidig formulierter Essay. Der Titel des Machwerks: „Wir wollen eine aktivere diplomatische Rolle Deutschlands“.
Vielmehr trieft aus jeder Zeile dieses am Donnerstag erschienenen Textes der stilistische Charme eines schlecht ausgehandelten Koalitionsvertrags. Da werden Positionen markiert, dem Gegenüber Zugeständnisse gemacht, dann wieder eigene Standpunkte hervorgehoben, um die Zugeständnisse zu begrenzen. Das alles wird mehr oder weniger sinnfrei aneinandergereiht und am Ende kann jeder aus dem Text das herauslesen, was ihm politisch in den Kram passt. Politik eben, faule Kompromisse eben, Koalitionsabsprachen eben.
Einerseits betonen die Autoren im Text den Wert der Freiheit, indem sie gleich zu Beginn den anti-sowjetischen, ergo: anti-russischen Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953 ins Feld führen. Sie stellen eine Verbindung zur Gegenwart her, indem sie im Kontext des Angriffs Russlands auf die Ukraine von der „Verteidigung der Freiheit“ sprechen, die „eine neue Aktualität bekommen“ habe. Soweit der CDU-Teil.
Andererseits geben sie dann dem BSW, was es verlangt: Woidke, Kretschmer und Voigt setzen sich im Text „für einen Waffenstillstand und Verhandlungen unter Wahrung der Charta der Vereinten Nationen und im Geist des Budapester Memorandums“ ein. Und betonen: „Die Bundesregierung muss ihre außenpolitische Verantwortung durch mehr erkennbare Diplomatie aktiver wahrnehmen.“ Deutschland solle „stärker als Vermittler auftreten“.
Dann folgt erneut eine Grenzziehung über einen Satz, der zusammenhanglos in den Text gedrückt wird: „Deutschland ist unverbrüchlich Teil der Europäischen Union, der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Mitglied der NATO und der OSZE.“ Um dann wieder ein Signal an Wagenknecht zu senden: „Die Pläne für eine Stationierung von Mittelstreckenraketen in den westlichen Bundesländern hätte man besser erklären und breiter diskutieren müssen.“
Die Chefin ist also zufrieden – Wagenknecht pfeift, die CDU spurt. So wie bereits kürzlich geschehen, als Kretschmer und Voigt eine weitere Bedingung Wagenknechts erfüllten, indem sie sie zum persönlichen Gespräch trafen. Auch Woidke hat das bereits getan. Völlig unabhängig davon, wie man zu dem jetzt erschienenen Text inhaltlich steht: Es ist schon bemerkenswert, wie klein sich die Christdemokraten plötzlich gegenüber einer gänzlich neuen Partei machen.
Zumal diese ihre Wurzeln historisch am linken Rand hat. Das ist umso erstaunlicher, wenn man es mit dem Umgang der CDU mit der AfD vergleicht, einer Partei, die Fleisch vom Fleische der Christdemokraten war, als sie gegründet wurde. Statt ihr offen gegenüberzutreten, setzte die CDU in diesem Fall von Anfang an auf Ausgrenzung; an Koalitionen war und ist nicht zu denken. Das Ergebnis ist, dass die Christdemokraten nun umso mehr gegenüber dem BSW buckeln – alles nur, um sich an der Macht zu halten.