Die SPD hat ein Problem. Nein, eigentlich hat sie zahlreiche Probleme, vor allem mit ihrem „Spitzen“-Personal in Kabinett und Parteispitze: beginnend bei Kanzler Scholz über Gesundheitsminister Lauterbach, Innenministerin Faeser, Verteidigungsministerin Lambrecht, Entwicklungshilfeministerin Schulze, Bauministerin Geywitz bis hin zur Co-Parteivorsitzenden Esken und zu Partei-„General“ Kühnert sowie Ministerpräsidentin Schwesig. Aber all diese personellen Probleme hat sie sich selbst geschaffen. Und sie scheint nicht einmal willens, sich dieser Personalprobleme zu entledigen.
Aber bleiben wir bei dem aktuell „einen“ Problem: bei der Frage nach der Lieferung von „schweren“ Waffen für die ukrainische Armee im Kampf gegen den russischen Aggressor. Hier kommen in der SPD alte, stramm-militant pazifistische Träume zu neuer Blüte. „Nein, keine schweren Waffen für die Ukraine!“ – das hört man aus dem Kanzleramt. Wenn man denn von dort oder aus dem Verteidigungsministerium außer immer neuen, verschwurbelten Statements überhaupt etwas hört. Mal kursiert eine Liste ukrainischer Wünsche, die im Kanzleramt offenbar zensiert wurde. Mal heißt es, die Bundeswehr könne auf kein schweres Material verzichten. Mal heißt es, ukrainische Soldaten könnten diese Waffen gar nicht bedienen. Mal heißt es, man müsse alles tun, einen Atomkrieg zu verhindern. Ganz vorne d’ran mit diesem Geschwurbel: Kanzler Scholz, Ex-Außenminister Gabriel und SPD-Fraktionsvorsitzender Mützenich.
Aktueller Stand: Nun will man einen Ringtausch via Slowenien einfädeln: Deutsche Panzer gehen nach Slowenien, slowenische Panzer russischer Bauart gehen in die Ukraine. Konkret: Das kleine Nato-Land Slowenien, in dem übrigens an diesem Wochenende gewählt wird, liefert Kampfpanzer des Typs M84 an die Ukraine. Dieser Panzer ist eine in Ex-Jugoslawien produzierte Weiterentwicklung des sowjetischen T-72-Panzers. Aus Deutschland soll Slowenien dafür den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs erhalten. Über die Stückzahlen ist nichts bekannt. Groß kann die Zahl nicht sein, denn laut „Military Balance“ des „International Institute for Strategic Studies“ hat Slowenien von diesem Panzer-Typ 14 Exemplare für Trainingszwecke und 32 im Depot.
Nun ja, der nächstgrößere „Ampel“-Partner, die Partei der „Grünen“, ist da schon viel weiter. Sie erweist sich zudem als weitaus flexibler. Außenministerin Baerbock ist für die Lieferung von schweren Waffen, ihr Parteikollege Habeck, als Wirtschaftsminister eigentlich federführend zuständig für Waffenexporte, ist unbedingt dafür. Und Anton Hofreiter, bis 2021 Fraktions-Co-Vorsitzender der „Grünen“, „weil“ Mann, nicht in Ministerränge, sondern nur in den Vorsitz des Europa-Ausschusses gelangt, ist vehement für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine.
Ergründen wir diese Flexibilität der „Grünen“ genauer. Da gibt es doch ein „grünes“ Programm für die Bundestagswahl 2021. Es trägt den großen Titel: „Deutschland. Alles ist drin. Bundestagswahlprogramm 2021. Bereit, weil Ihr es seid.“ Auf der Seite 259 finden wir folgende Passage: „Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktaturen, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete verbieten sich.“
Dieses Programm gibt ziemlich genau wieder, was die „Kanzlerkandidatin“ Baerbock während des gesamten Wahlkampfes 2021 vertrat. Ende Mai 2021 bekräftigte sie zum Beispiel die ablehnende Haltung ihrer Partei zu Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Also auch in die damals bereits von der russischen Armee umstellte Ukraine.
Was kam bei all dem am 7. Dezember 2021 heraus? Ein rot-grün-gelber Koalitionsvertrag mit dem voluminösen Titel „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Dort finden wir zum Thema „Waffenexport“ auf Seite 116 folgende Passage: „Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen. Wir setzen uns für ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz ein. Unser Ziel ist es, den gemeinsamen Standpunkt der EU mit seinen acht Kriterien sowie die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, die Kleinwaffengrundsätze und die Ausweitung von Post-Shipment-Kontrollen in einem solchen Gesetz zu verankern. Nur im begründeten Einzelfall, der öffentlich nachvollziehbar dokumentiert werden muss, kann es Ausnahmen geben …“
(Am Rande: Die „acht Kriterien“ können in einem „Gemeinsamen Standpunkt des EU-Rates vom 8. Dezember 2008“ nachgelesen werden. Sie betreffen gemeinsame Regeln der EU für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern.
Nun also wird der „richtlinienkompetente“ Bundeskanzler einiges zu tun haben, eine Linie vorzugeben. Die eigene Partei, die SPD, wird ihn in seiner lavierenden Haltung mittragen. Und ausgerechnet die Links-Fraktion und die AfD-Fraktion werden ihn dabei stützen.
Aber die zwei etwas kleineren „Ampel“-Partner haben es in sich. Zumal die CDU/CSU-Fraktion eine baldige namentliche Abstimmung des Bundestags über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine plant. Die FDP mit der dynamischen Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann wird die SPD vor sich hertreiben, und mit der Koalitionsdisziplin der „Grünen“ wird es auch nicht sehr weit her sein. Zumal ein prominenter „Grüner“, Anton Hofreiter, vehement für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine eintritt. Hofreiter forderte die Lieferung von 20 bis 30 funktionsfähigen Marder-Schützenpanzern der Bundeswehr und 70 bei „Rheinmetall“ ausgemusterte Leopard-Panzer: Lieferung innerhalb weniger Wochen.
Nur zur Erinnerung: Am 6. Februar 2015 (also wenige Monate nach der Vereinnahmung der Krim durch Russland) bekam Hofreiter von der „Rheinischen Post“ folgenden Impuls vorgesetzt: „Die USA sind bereit, Waffen an die ukrainischen Streitkräfte zu liefern, damit sie den von Russland versorgten Separatisten etwas entgegenstellen können.“ Hofreiters Antwort war: „Das lehnen wir ab. Es erschwert die politische Lösung. Und es hilft auch nicht: Das führt nur dazu, dass Russland nur noch mehr Waffen an die Separatisten liefert sowie Personal zur Verfügung stellt. Eine militärische Lösung des Konflikts kann es nicht geben.“
Auch Hofreiter erweist sich damit als flexibler Wendehals: Ob aus Rache oder aus Einsicht – das lassen wir dahingestellt.
Und ganz oben der große Schweiger Scholz, der sich offenbar seit mehr als zehn Jahren in ein selbstfabriziertes Zitat verliebt hat: „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt.“ Wenn freilich das, was wir derzeit in Sachen Ukraine-, Corona- oder Energie-Politik erleben, Führung ist, dann gelten auch Orwells drei Big-Brother-Leitsprüche: Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.