Zuletzt hat es wieder der polnische Premierminister Donald Tusk ausgesprochen. In einem Interview sagte er: „500 Millionen Europäer bitten 300 Millionen Amerikaner, um sie vor 140 Millionen Russen zu beschützen.“ Da war es wieder: der Wunsch nach einer eigenen europäischen Streitkraft mit atomarer Bewaffnung. Es ist der bisher unerfüllte Wunsch aller EU-Verklärer seit Gründung der EWG 1957 und von Euratom 1958.
Die EU-Kommission nutzte schon immer jede Krise aus, um Mittel zu fordern, den eigenen Einfluss zu steigern und die eigene Macht auf Kosten der Mitgliedsländer auszubauen. Donald Trump kommt da gerade recht. Seine Forderung an die europäischen Nato-Mitglieder, ihren Verpflichtungen nachzukommen, wird flugs von den „Transatlantikern“ in einen Rückzug von Trump aus der Nato uminterpretiert und medial verbreitet. Schwer ist das nicht. Der Hass auf Trump war schon in seiner ersten Amtszeit in den meisten Medien geschürt worden.
Was bei Covid so wunderbar funktionierte, soll jetzt noch wirkungsvoller wiederholt werden. Die Covid-Programme, mit so schönen Titeln wie zum Beispiel NextGenerationEu oder Sure, summierten sich zusammen auf 1,3 Billionen Euro. Für die Kommissionspräsidentin und frühere deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sind Trump, Putin und die Ukraine der langersehnte Jetzt-oder-nie-Moment, den es nicht zu verpassen gilt. ReArm Europe soll nun das Werkzeug zur Gründung der EU-Armee und des EU-Empires sein.
Außerdem sollen Kredite – genauer: Verteidigungskredite – in Höhe von 150 Milliarden Euro vergeben werden. Bestehende EU-Fonds sollen umgewidmet werden können. Beschränkungen bei der Finanzierung von Verteidigungsprojekten durch die Europäische Investitionsbank (EIB) soll es ebenfalls nicht mehr geben.
Das alles soll die Abhängigkeit von externen Partnern verringern und die Autarkie der EU stärken. Wie das passieren soll, wird bedauerlicherweise nicht ausgeführt. Dabei wäre das der interessante Teil.
Hier einige Fragen, die in diesem fehlenden Teil beantwortet werden sollten: Wer hat den Oberbefehl, wie sieht die Hierarchie aus? Wer bestimmt die Strategie? Welche Waffen werden benötigt, wer entwickelt sie? Woher kommt die Energie, woher die Rohstoffe, wie und wo werden sie verarbeitet? Wer entwirft die Mikrochips, wer produziert sie, woher kommt die Software? Sie kommen die Satelliten ins All, wenn sie nicht der Beelzebub Musk hinaufschießen soll? Und – nicht ganz unwichtig – wer sind die Soldaten?
Daran schließen sich sofort noch EU-typischere Fragen an: Können Grenzen wieder geschützt werden? Befindet sich der Feind nur außerhalb oder vielleicht auch schon innerhalb der jetzt wieder schützenswerten Grenzen? Was wird geschützt: europäische Werte? Was ist das: Meinungsfreiheit, freie Wahlen, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung? Oder sind diese Werte möglicherweise mehr von innen bedroht?
Dann kommen Fragen zum Green Deal: Was, wenn die Lieferanten der Kohle, des Eisenerz, der seltenen Erden, von Öl und Gas das Lieferkettengesetz nicht erfüllen, ja vielleicht gar nicht erfüllen wollen? Gelten die Grenzwerte für Verbrenner auch für Panzer, Schiffe und Flugzeuge? Wie produziert man Sprengstoff für die Munition, ohne mit der Stickstoffverordnung zu kollidieren? Wie und vor allem, mit was, will man die Schifffahrtsrouten und Handelswege schützen? Wird es europäische Flugzeugträger geben? Könnte kurzfristig freiwerdende Völkerrechtswissen-Kompetenz genutzt werden, um mit möglichen Kontrahenten klimagerechte Standards für den Ernstfall festzulegen und diese anschließend in multinationalen Abkommen festzuzurren?
Die damals klamme kaiserliche Hofkammer verpachtete 1622 die Münzrechte für Böhmen, Mähren und Niederösterreich an das Prager Münzkonsortium, das durch das Prägen minderwerter Münzen hohe Gewinne erzielte. Der dreißigjährige Krieg hatte gerade begonnen und man brauchte dringend, wie heute, Geld für das Militär. Das Historische Lexikon schreibt dazu:
„Gegen Zahlung der immensen Pachtsumme von sechs Millionen Gulden wurde einem 16-köpfigen Konsortium während eines Jahres das Münzmonopol in Böhmen, Mähren und Niederösterreich überlassen. Unterzeichnet wurde der Vertrag vom Prager Bankier Hans de Witte für sich und seine «mitconsorten», zu denen neben Karl von Liechtenstein auch Albrecht von Wallenstein und weitere hochrangige Angehörige des kaiserlichen Hofs zählten. Der Vertrag schrieb fest, dass pro Mark Silber (etwas über 250 Gramm) 79 Gulden geprägt werden sollten, anstelle der von der Reichsmünzordnung vorgesehenen elf Gulden. Aus dieser massiven Reduktion des Feingehalts bei gleichem Nominalwert resultierten bei rund vierzig Millionen Gulden neu geprägten Münzen hohe Gewinne – zumal der Silbergehalt sogar unter den vertraglich vereinbarten Wert gesenkt wurde.“
Überraschenderweise führten die Maßnahmen des Prager Münzkonsortiums zu hoher Inflation und ein Jahr später zum Staatsbankrott. Nachdem dieser Versuch der Finanzierung der Streitkräfte nicht wie erhofft funktioniert hatte, kam Wallenstein auf die Idee, seine Armee „aus dem Land heraus zu unterhalten’. Die verheerenden Folgen sind bekannt.
Kurzum, das wird nicht so einfach werden. Die EU-Kommission wird für gigantische Summen Waffen, Munition und allerlei mehr oder minder Kriegstaugliches kaufen. Das wird von Frau von der Leyen natürlich wieder auf dem kurzen Dienstweg per WhatsApp erledigt haben. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die Nachrichten danach wieder unauffindbar sein könnten.
Durch die kurzfristig zunehmende Nachfrage werden die Preise für Rüstungsgüter stark steigen, was zwingend zu neuen EU-Fonds mit noch windschnittigeren Anglizismen führen wird.
All die schönen Waffen Schiffe und Flugzeuge werden aber vermutlich, da die obigen Fragen innerhalb der EU nicht geklärt werden können, nicht eingesetzt werden und deshalb irgendwo verrotten. Aber es gibt, wie überall, auch hier etwas Positives: Manche, vermutlich gar nicht so wenige, werden dabei sehr reich werden.
Der Cicero schrieb damals: „Die Bundeswehr steckt in einer tiefen Krise. Von der Leyen muss sich fragen lassen, ob sie richtige Prioritäten gesetzt hat. Mit Kitas und Familienfreundlichkeit, mit Pflichtkursen über sexuelle Vielfalt in der Truppe lassen sich Struktur- und Motivationsprobleme nicht bewältigen. Die Bundeswehr muss nicht nur unvorbereitet die Umstellung auf eine Berufsarmee schultern, sie steht vor ernsthaften Ausrüstungsproblemen: Transportflugzeuge taugen nicht für Kampfeinsätze, Hubschrauber fliegen nicht, Gewehre treffen nicht, Nachtsichtgeräte sind nur auf dem Papier vorhanden.“
„Panzer und gepanzerte Fahrzeuge fehlen, Tropentauglichkeit bleibt mehr als ein Jahrzehnt nach dem ersten Afrikaeinsatz ein Problem. Katrin Suder wurde 2014 von McKinsey als Staatssekretärin ins Verteidigungsministerium geholt, um die Rüstungsplanung zu professionalisieren. Inzwischen muss sie mit dem Spitznamen ‚Miss Management‘ kämpfen. Seit Jahren wird eine Lückenwirtschaft betrieben. Die Bundeswehr galt einst als gefährlicher Gegner. Heute ähnelt sie eher einer Spielzeugtruppe – mehr mit internen Problemen beschäftigt als mit militärischer Leistungsfähigkeit.“
Roland Tichy schrieb in Tichys Einblick: „Was treibt Verteidigungsministerin von der Leyen in diesen bizarren Kampf gegen ihre eigene Truppe? Eine Institution steht buchstäblich auf dem Spiel. Aber nicht die Truppe, die Ministerin hat ein Haltungsproblem, wie ihre platzenden Skandalblasen zeigen.“
Ein Eintrag bei Wikipedia, den sie, da er ja aufrufbar ist, wahrscheinlich selbst gutheißt, schafft hier Abhilfe: „Ursula von der Leyen ist eine enge Freundin der Altbundeskanzlerin Angela Merkel, mit der sie regelmäßig telefonischen Kontakt hält. Diese vertraute Beziehung, die über viele Jahre hinweg gewachsen ist, entwickelte sich während ihrer langjährigen gemeinsamen politischen Laufbahn. Von der Leyen diente 14 Jahre lang unter ihrer Kanzlerschaft in drei Ministerämtern. Merkel schlug von der Leyen 2019 der EU als neue Vorsitzende der Europäischen Kommission vor.“ 2024 trat sie ihre zweite Amtszeit an. Regelmäßiger Kontakt mit Merkel, immer wieder Merkel.