Von der Leyen: Eine Günstlingswirtschaft ungekannten Ausmaßes
Markus C. Kerber
Der Abgang von Ursula von der Leyen wird nicht ausreichen. Das Verteidigungsministerium braucht einen radikalen Neuanfang.
Die öffentliche Diskussion über den Zustand der Bundeswehr hat sich bislang auf die zahlreichen hinkenden Projekte – insbesondere den surrealen Fall der Gorch-Fock-Sanierung – konzentriert und die operativen Einsatzmängel problematisiert. Dabei geriet der kürzlich unter strikter Geheimhaltung von Generalinspekteur Zorn an den Bundestag weitergeleitete Bericht zur Einsatzbereitschaft der verschiedenen Waffensysteme in den Mittelpunkt des Medieninteresses. Denn einerseits war verwunderlich, dass dieses Dokument dem Bundestag, wo es im Verteidigungsausschuss beraten werden sollte, zugeleitet wird, aber wegen seiner Vertraulichkeit die im Brennpunkt stehenden Fragen gar keiner Diskussion zugeführt werden dürfen. Andererseits sind die bekannt gewordenen Zahlen zur Einsatzbereitschaft so problematisch, dass sie im Interesse der Bündnisfähigkeit Deutschlands und seiner Glaubwürdigkeit der öffentlichen Aussprache bedürfen. Wie konnte es überhaupt passieren, dass unter der langjährigen Ministerin ein Leistungsabfall der Streitkräfte stattgefunden hat, der nur noch mitleidiges Lächeln bei Freund und Feind sowie Frust und schließlich Zorn bei der Truppe auslöste?
Für die organisierte Intransparenz des Einsatzfähigkeitsberichtes sorgte mit Generalinspektor Zorn ein Militär, der als rechte Hand des langjährigen Generalinspekteurs Wieker die faktische Suspendierung der Funktion des Generalinspektors hautnah erlebte, um nun diesen institutionellen Niedergang dadurch fortzusetzen, dass er voller Demut gegenüber seiner Ministerin und mit vorauseilendem Gehorsam die – um es höflich zu sagen – bedingte Einsatzbereitschaft der deutschen Streitkräfte verschleierte. Wenn es nicht den hellwachen, ewig kecken, sehr westfälischen Vorsitzenden des Verteidigungsausschuss MdB Hellmich gegeben hätte, wäre der Verschleierungsvorgang – wie von der Ministerin angestrebt – gar nicht weiter aufgefallen. Damit wird eine institutionelle Pathologie offenbar, die sich erst mit der autokratischen Regime der Ursula von Leyen im Verteidigungsministerium breitgemacht hat: die Instrumentalisierung und damit Degradierung des Generalinspekteurs.
Hatten die Vorgänger Dr. von der Leyens noch dafür gesorgt, dass der Generalinspektor hierarchisch aufgewertet wird, um international mit seinen opposite numbers gleichzuziehen und innerhalb der Bundeswehr gerade gegenüber dem Egoismus der Teilstreitkräfte mit ihren Inspekteuren für Streitkräftebasis, Marine, Luftwaffe und Heer durchzugreifen, so fand bereits unter dem dauerhaft amtsmüden Zorn-Vorgänger Wieker der institutionelle Niedergang statt. Von der Leyen hatte dessen Willfährigkeit schnell erkannt und machte ihn mit viel Elogen – „unser Generalinspekteur“ – zu ihrem Büttel.
Die Vertuschungspolitik von General Zorn könnte auf dieselbe Willfährigkeit schließen lassen. Dabei sollte der Generalinspekteur der unbestechliche militärische Ratgeber der Ministerin sein und nicht ihr Erfüllungsgehilfe. Doch Zorn, der sich vor seiner Ernennung vor allem Personalfragen gewidmet hatte, ist kein Einzelfall. Willfährigkeit oder höflicher formuliert „Loyalität“ ist unter von der Leyen zum entscheidenden Beförderungskriterium geworden. Der für Beschaffungsfragen von Ihr ernannte Brigadegeneral Benedikt Zimmer hat es mittlerweile zum beamteten Rüstungsstaatssekretär geschafft. Angesprochen auf die Bemühungen der französischen Rüstungsdiplomatie, in Belgien das eigene Heeresrüstungsprogramm Scorpion der Generalität und dem flämischen Verteidigungsminister erfolgreich schmackhaft zu machen, zeigte sich der Herr Staatssekretär völlig überrascht. Aber nicht nur hier ist der falsche Mann in wichtiger Position.
Auch bei der Ernennung zum Inspektor der Luftwaffe galten Loyalität und Nähe zur Leyen-Truppe mehr als Meriten. Der jetzige Amtsinhaber, Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz, war noch 2013 Referatsleiter dann später Büroleiter des GI. Von dort führte der Weg direkt zur jetzigen Position im Rang eines Generalleutnants. Der einstige, nicht gerade langjährige Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr Stawitzki – schon in dieser Position mangels akademischer Bildung nicht unumstritten – darf sich nun in der ultra-wichtigen Position des Abteilungsleiters Planung im Verteidigungsministerium üben.
Hier liegen viele Projekte seit Jahren auf Eis, weil die Ministerin nicht entscheiden will. Das gilt für das Taktische Luftverteidigungssystem genauso wie für die Eurodrone. Und beim neuen Kampfschiff der Marine, der Fregatte MKS 180, stolpert das Ministerium zum Gespött Europas in seinem internationalen Ausschreibungsverfahren weiter vor sich hin, um wahrscheinlich doch an deutsche Werften zu vergeben. Derweil werden Projekte angeschoben und durch von der Leyen und ihrer französischen Amtsfreundin Florence Parly lauthals verkündet, deren industriellen Beginn die beiden nicht mehr erleben werden. Das gilt für den neuen Kampfpanzer, das Main Ground Combat System (MGCS) sowie für zukünftige Kampfflugzeug FCAS. Und die Generalität singt das Lied der Ministerin inbrünstig mit.
Wer den Neuanfang im Verteidigungsministerium wagen will, der wird nach Abdankung der Ministerin auch die Leyen-Spielschar entlassen müssen. Denn die Truppe verdient endlich einen Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (IBuKG), der fähig und willens ist, das Risiko gewagter Entscheidungen und nicht etwa nur deren große Verkündung auf sich zu nehmen. Wer immer der gescheiterten Ministerin nachfolgen wird, es gilt für ihn die Maxime: Mehr Preußen wagen!
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