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Gera

Verwaltungsgericht verpasst Thüringens Verfassungsschutz eine Klatsche

Einem Sportschützen war vom Landratsamt Saale-Orla explizit wegen seiner AfD-Mitgliedschaft die Waffenerlaubnis entzogen worden. Im Eilverfahren errang der Sportschütze nun vor dem VG Gera einen ersten Erfolg. Das Gericht entschied: Der Widerruf der Waffenerlaubnis sei rechtswidrig. Für die Thüringer Landesregierung ist das eine Klatsche.

Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2019 durch Innenminister Georg Maier und dem Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, 29.10.2020

IMAGO / Karina Hessland

Das Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaates Thüringen stuft die dortige AfD seit 2021 als „gesichert extremistisch“ ein. Über einen Umweg bekommt der Verfassungsschutz nun vom Verwaltungsgericht Gera (VG Gera) bestätigt, dass es nicht hinreichend erwiesen sei, dass tatsächlich der gesamte AfD-Landesverband gegen die Verfassung agiere.

Wie kam es dazu? Einem Sportschützen war vom Landratsamt Saale-Orla explizit wegen seiner AfD-Mitgliedschaft die Waffenerlaubnis entzogen worden. Im Eilverfahren errang der Sportschütze nun vor dem VG Gera einen ersten Erfolg. Das Gericht entschied: Der Widerruf der Waffenerlaubnis sei rechtswidrig. Gegen den Beschluss des VG Gera kann allerdings Einspruch beim Oberverwaltungsgericht Weimar (OVG Weimar) eingelegt werden.

Vorgeschichte: Der Sportschütze besitzt seit 2019 einen sogenannten Kleinen Waffenschein, mit dem es unter anderem erlaubt ist, Pfefferspray oder Schreckschusspistolen mit sich zu führen. Im Juni 2021 beantragte der Sportschütze erfolgreich eine weitergehende Waffenerlaubnis und ließ eine Kurz- und Langwaffe eintragen. 2022 widerrief das SPD-geführte Thüringer Innenministerium, dem das Landesamt für Verfassungsschutz untersteht, die Waffenerlaubnis und rechtfertigte dies ausschließlich mit der AfD-Mitgliedschaft des Klägers. Da der Landesverband vom Inlandsgeheimdienst als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingeschätzt werde, gäbe es begründete „Zweifel hinsichtlich einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeit“. Der Mann sollte seine Waffen und Munition schließlich abgeben, einen Widerspruch lehnt das Amt ab. Dann kam es zur Klage.

VG Gera: Verfassungsfeindlichkeit der Thüringen-AfD nicht nachgewiesen

Das Verwaltungsgericht Gera kassierte nun das Vorgehen des Thüringer Innenministeriums bzw. des Landratsamtes bzw. deren „Vermerke“ vorläufig ein. Zentraler Bestandteil der Vermerke waren „verfassungsfeindliche“ Äußerungen „eines Landessprechers“ der AfD – gemeint ist wohl AfD-Chef Björn Höcke. Diese lassen sich laut VG-Richtern wegen der „komplexen Strukturen politischer Parteien“ nicht automatisch auf den gesamten Landesverband und alle seine etwa 1.200 Mitglieder übertragen.

Vielmehr, so das VG Gera, bedürfe es „der Absicherung durch eine eingehende Analyse der entsprechenden programmatischen Aussagen der Partei sowie der Aussagen einer ausreichenden Vielzahl von Funktionären, Mitgliedern oder sonstiger Personen, die der Partei zugerechnet werden können und aus denen eine systematische Verletzung und Missachtung der im Thüringer Verfassungsschutzgesetz genannten Verfassungsgrundsätze folgt“. Dies sei nicht erfolgt. Mit anderen Worten: Der Verfassungsschutz hat laut VG Gera nicht nachweisen können, dass der gesamte AfD-Landesverband mit all seinen Mitgliedern verfassungsfeindlich sei – auch wenn die Äußerungen „eines von zwei Landessprechern“ ein gewisses Indiz sein könnten. Auch „die Wiedergabe von lediglich drei vereinzelten programmatischen Aussagen aus dem Wahlprogramm der Thüringen-AfD des Jahres 2019 zur Landtagswahl und der Wiedergabe von sechs einzelnen Aussagen von vier Funktionären aus vier von derzeit neun Kreisverbänden“ durch das Innenministerium stellt das Gericht nicht zufrieden.

Das VG Gera urteilt nun: „Das reicht angesichts der mangelhaften qualitativen und quantitativen Verdichtung nicht aus, eine feststehende Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbands der AfD-Thüringen zu belegen.“ Die Behörde vermittele „dem Leser bei zusammenfassender Würdigung letztlich nur einen, wenn auch nicht unwesentlichen Ausschnitt aus dem Parteileben … , nicht jedoch den erforderlichen rechtssicheren Blick auf das Gesamtgeschehen“. Das Amt habe sich nicht die Mühe gemacht, zu prüfen, ob es vielleicht auch noch andere Strömungen im Landesverband gebe. Auch die vom Verfassungsschutz monierten Stellen aus dem AfD-Landeswahlprogramm lassen laut den Richtern nicht automatisch darauf schließen, dass die Partei verfassungsfeindlich agiere.

Anders als im politischen Diskurs genügte es dem VG Gera also nicht, generell eine Verfassungsfeindlichkeit der gesamten AfD anzunehmen, wenn damit schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte von AfD-Mitgliedern begründet werden.

„Verfassungsschützet“ Kramer nicht mehr tragbar

Dieses VG-Urteil wird vermutlich noch vor dem OVG Weimar landen. Fest steht aber schon eines: Für die Thüringer Landesregierung, voran Ministerpräsident Ramelow (Linke) und Innenminister Georg Maier, vor allem aber für den Thüringer Verfassungsschutz und seinen eifrigen Präsidenten Stephan Kramer ist das eine Klatsche.

Vielleicht reicht es doch nicht, an die Spitze eines Landesamtes für Verfassungsschutz – wie es die Gesetzeslage vorschreibt – keinen Volljuristen, sondern einen missionarisch getriebenen Sozialpädagogen zu setzen. Letzteres nämlich ist Stephan Kramer. Er inszeniert sich gerne als Antifa-Kämpfer, das schien seinen Förderern auszureichen. Erst Ende Juni 2023 hatte Kramer übrigens hinausposaunt, dass wir in Deutschland „20 Prozent braunen Bodensatz“ hätten. Damit meinte Stephan Kramer jeden fünften Bundesbürger, der sich vorstellen kann, sein Wahlrecht zu Gunsten der AfD auszuüben. Wir haben hier auf TE darüber berichtet.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal in Erinnerung gerufen, auf welchen Wegen Kramer zu seiner aktuellen „Berufung“ gefunden hat:

Kramers Chef und Förderer ist übrigens Thüringens Innenminister und 8,2-Prozent-SPD-Landeschef Georg Maier in einer seit Februar 2020 bestehenden dunkelrot-rot-grünen Minderheitsregierung.

Dazu nicht nur am Rande: Im Mai 2015 posierte Kramer zusammen mit den „Nachtwölfen“ (genannt „Putin-Rocker“) auf einem Bild bei einer Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal auf den Seelower Höhen (Vierter von links im Bild).

Bild: via Wolfpack MG Germany/Facebook

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