Tichys Einblick
Brecht XXL

Verschwundene SED-Milliarden – Genossen Multimillionäre

Die DDR ist 1990 untergegangen. Das Milliardenvermögen der SED ist bis heute weitgehend verschwunden. In der Schweiz kämpft die BRD mit Bank Julius Bär um Millionen.

imago/Geisser

«Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank», dichtete der kommunistische Stückeschreiber Bert Brecht. Das nahm sich die DDR, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte, zu Herzen. Ewig in Devisennot war der herrschenden SED so ziemlich jede Methode recht, um an harte Währungen zu gelangen.

Verkauf von Häftlingen, Billigarbeit für Ikea, Verkauf von geraubter Kunst, Kommissionen für Geschäftsanbahnungen, Bereitstellung von Probanden für Tests von neuen Medikamenten. Dafür gab es die DDR-Behörde mit dem harmlosen Namen «Bereich Kommerzielle Koordinierung», abgekürzt zu KoKo. 3.000 Angestellte, 150 Firmen, geleitet vom Stasi-Oberst Alexander Schalck-Golodkowski.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die KoKo bekannt, als 1983 ein Milliardenkredit westdeutscher Banken die DDR vor der Pleite bewahrte. Verhandlungspartner waren Schalck-Golodkowski und – der damalige bayerische Ministerpräsident und Kommunistenfresser Franz-Josef Strauß.

Aber auch das half nicht anhaltend, 1990 endete die Geschichte des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden. Die KoKo wurde der Treuhand zur Abwicklung übergeben, die sie an ihre Nachfolgeorganisation, die «Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben» (BvS) weiterreichte. Denn abgewickelt wurde da eigentlich nicht viel. Obwohl die KoKo beim Untergang der DDR auf diversen Konten Hunderte von Millionen in verschiedenen westlichen Währungen hortete. Sie sind bis heute grösstenteils spurlos verschwunden.

Eine wichtige Rolle spielte die österreichische Kommunistin Rudolfine Steindling. Sie war unter anderem Treuhänderin bei der KoKo-Tarnfirma Novum, von deren Konten sie während des Zusammenbruchs der DDR mindestens 450 Millionen DM abhob. Weiterer Verbleib: nicht bekannt. Sind das alles interessante, aber alte Geschichten? Keinesfalls.

Denn die Firma Novum hatte auch Konten bei der Schweizer Privatbank Cantrade. Diese fusionierte mit der Privatbank Ehinger & Armand von Ernst, diese wiederum gehörte zu den Privatbanken der UBS, und schliesslich kaufte Bank Julius Bär 2005 der UBS diese Banken ab. Womit sich bis heute die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger der DDR und Bank Bär als Rechtsnachfolger der Cantrade vor Gericht gegenüberstehen. Die BRD will über 100 Millionen Franken plus Zinsen zurückhaben. Denn es habe zwischen 1990 und 1992 nicht autorisierte Geldbezüge von Steindling gegeben.

Die «rote Fini», so der Übername von Steindling, ist allerdings im Jahr 2012 in Tel Aviv entschlafen, Schalck-Golodkowski segnete 2015 das Zeitliche. Und weder der Treuhand noch der BvS ist es jemals gelungen, das konspirativ aufgebaute Firmengeflecht der Devisenbeschaffungsbehörde der DDR zu durchschauen. Das SED-Vermögen wurde von der damals noch existierenden Volkskammer im Juni 1990 unter treuhänderische Verwaltung gestellt, womit frühere Verfügungsberechtungen erloschen.

Das hinderte die findigen Genossen aber nicht daran, noch danach von einer DDR-Bank rund 67 Millionen DM auf das Konto bei der Cantrade zu überweisen. Und noch im Dezember 1990 wurden 20 Mio. DM in bar von diesem Konto abgehoben. Das war zu Zeiten des alten Schweizer Banking. Wozu fragen, wenn man die Antworten gar nicht wissen will und lieber hübsche Gebühren kassieren kann. Schätzungen gehen davon aus, dass insgesamt der Verbleib von einer runden Milliarde Euro (nach heutiger Kaufkraft) unbekannt ist.

Der Anspruch der BRD gegenüber Bank Bär wurde letztes Jahr vom Zürcher Obergericht zurückgewiesen. Unlängst hat aber das oberste Gericht, das Schweizer Bundesgericht, diesen Entscheid umgestossen. Die damaligen Verantwortlichen der Bank hätten «elementare Sorgfaltspflichten verletzt», es könne daher «nicht von einem bloss leichten Verschulden ausgegangen werden». Also müsse Bank Bär alles zurückzahlen, was seit Juni 1990 von diesem Konto abgeflossen ist. In diesem Sinn wird der Fall zur Neubeurteilung ans Zürcher Obergericht zurückgewiesen.

Es ist also durchaus denkbar, dass in den nächsten Monaten die BvS zumindest rund 100 Millionen Franken plus Zinsen zurückerobert. Allerdings ist das doch ein eher bescheidener Betrag im Vergleich zur gestohlenen Milliarde. Neben der Bereicherung von Bankstern in der Finanzkrise eins von 2009 und von der venezolanischen Führungsclique handelt es sich zweifellos um den grössten Bankraub aller Zeiten. Kommunistische Seilschaften unter Mithilfe von Schalck-Golodkowski und der «roten Fini» brachten Multimillionen von DDR-Volksvermögen in ihren Besitz. Seit dem Mauerfall im November 1989 war es zumindest den intelligenteren SED-Genossen klar, dass ihre Herrschaft innert Kürze enden wird. Einige gingen ins Exil, einige begingen Selbstmord, einige kämpften um ihre Freiheit und ihren Ruf.

Aber viele dachten an nichts anderes, als wie sie sich mit einer möglichst langen Stange Geld, wohlgemerkt keine DDR-Mark, in den Ruhestand verabschieden konnten. Bis heute zehren von diesem Raubgeld Hunderte, wenn nicht Tausende von Genossen und geniessen das Leben irgendwo, fern von Europa. Und am liebsten in Ländern, die mit der BRD kein Auslieferungsabkommen oder Rechtshilfeabkommen haben. Kläglich auch hier, was die Treuhand und ihre Nachfolgeorganisation bei der Wiederbeschaffung hingekriegt hat. Neben der Verschleuderung von Staatsfirmen, die nicht alle marode und nicht wettbewerbsfähig waren, ist die ausgebliebene Nachforschung nach diesen gigantischen Geldströmen im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis.

Das hätte der geniale Dialektiker Brecht nicht gedacht, dass seine Steigerung von Bankraub zur Gründung einer Bank, von Dietrich zu Aktie noch eine weitere Steigerung erhält, die ausgerechnet von kommunistischen Genossen entwickelt wurde. Was ist die Gründung einer Bank, was ist eine Aktie gegen die Vollmacht über ein Schweizer Bankkonto? Und den Rest erledigt die Zeit, plus gute Anwälte. Und als Gipfel: Die räuberischen Genossen können inzwischen in aller Seelenruhe zuschauen, wie sich der deutsche Staat mit den aufbewahrenden Banken klopft. Ich bin dann mal weg, denkt sich der Genosse, während er an einem hübschen Strand in Kuba, in Uruguay, in Vietnam den Sonnenuntergang geniesst. Oder in Venezuela seine Koffer packt.

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