Je genauer man auf die Geschichte des „Geheimtreffens von Potsdam“ schaut, umso mehr Fragen stellen sich. Beginnen wir mit dem, was sich wirklich ereignet hat: Ein paar Privatleute treffen sich an dem Wochenende vom 25./26. November 2023 in einem Hotel in Potsdam. Sie reisen nicht in Nacht und Nebel an, sie kommen nicht durch die Kanalisation, sie kleben sich keine falschen Bärte an, tragen keine Perücken und benutzen keine falschen Namen. Sie unternehmen nichts, rein gar nichts, um ihr Treffen, wie Correctiv reißerisch behauptet, zu verheimlichen. Nichts an dem Treffen ist geheim, es ist nur nicht öffentlich, weil es eben privat ist.
Das sind Kindstaufen und Hochzeiten auch, wenn es sich nicht gerade um die Hochzeit von Christian Lindner handelt. Aber diese fundamentalen Unterscheidungen dürften den wackeren Klassenkämpfern von der schreibenden Front bei Correctiv nicht geläufig sein. Doch Correctiv ist in seinem mehrfach selbst korrigierten Text nicht einmal in der Lage, die eigene Erzählperspektive durchzuhalten, denn aus dem Geheimtreffen wird plötzlich ein „Kammerspiel“, und ein Kammerspiel ist, wie jeder – wenn er nicht bei Correctiv arbeitet – weiß, eine öffentliche Theateraufführung. Ein Kammerspiel bedingt ein Publikum. Wer sollte das Publikum des Geheimtreffens als Kammerspiel sein? Correctiv? Greenpeace? Der Verfassungsschutz?
Correctiv behauptet, dass in dem öffentlich aufgeführten Stück, mit den heimlich am hellen Tage angereisten Darstellern, die ein Kammerspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit als konspiratives Geheimgeheimkammerspiel geben wollten, es um einen konspirativen Geheimgeheimplan ging: „Menschen sollen aufgrund rassistischer Kriterien aus Deutschland vertrieben werden können – egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht.“
Doch um zu verhindern, dass Correctivs Niederlage noch drastischer ausfällt, hat Correctiv im Nachhinein, aber noch rechtzeitig vor dem Prozess seinen Text mehrmals geändert, ohne allerdings die Änderungen deutlich zu machen.
Hieß es beispielsweise zuerst über den „Geheimplan“: „ein Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern aufgrund ihrer ‚Ethnie‘, also ein Plan, um die Artikel 3, Artikel 16 und Artikel 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen“, heißt es jetzt nur noch: „ein Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern, also ein Plan, um die Artikel 3, Artikel 16 und Artikel 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen“. Mit dem Begriff der „Ethnie“ allerdings fällt der Rassismus-Vorwurf in sich zusammen, weil Correctiv nicht beweisen kann, dass der Begriff „Ethnie“ fiel und den Correctiv in seinem Framing nicht zu belegen vermag. Auch von „Deportation“ will Correctiv nicht gesprochen haben?
Es ist vollkommen unerklärlich, weshalb sich an diesem 25. November 2023 Rechercheure mindestens von Correctiv und, man lese und staune, von Greenpeace vor Ort befunden haben, rein zufällig natürlich, um mit illegalen Methoden eine Veranstaltung von Privatleuten, die weder den Spitzen der Wirtschaft, noch denen der Geheimdienste, noch denen der Politik angehörten, auszuspionieren.
Wie kommt es, dass zwei so unterschiedliche Organisationen wie Correctiv und Greenpeace zur selben Stunde am selben Ort sind, um Privatleute und ein privates Treffen wie in einem drittklassigen Stasi-Film auszuspähen? Auf die Frage, die TE Greenpeace gestellt hat, woher die NGO Kenntnis von dem Treffen hatte, bekamen wir folgende schwammige Antwort: „Ja, Greenpeace hat Hinweise auf die Veranstaltung erhalten, darunter Einladungsschreiben. Aus diesen ging hervor, dass es sich um eine geheime Spendenveranstaltung handelte, die von einem bekannten Rechtsextremisten organisiert wurde. Der konspirative Charakter der uns vorliegenden Schreiben und die eindeutigen Hinweise auf das rechtsextreme Spektrum haben uns veranlasst, zu dem Treffen zu recherchieren.“
TE hat Greenpeace gebeten, das Einladungsschreiben, das Greenpeace vorlag, einsehen zu dürfen. Auf die Frage, weshalb sich Greenpeace mit diesem Treffen beschäftigt, denn blickt man auf die Homepage von Greenpeace dominieren Themen aus dem Bereich Umwelt- und Tierschutz, verweist Greenpeace – doch sehr an den Haaren herbeigezogen – auf seine Vereinssatzung, wonach Greenpeace „nicht nur dem Umwelt- und Tierschutz, sondern auch dem Frieden und der Völkerverständigung verpflichtet“ ist. „Rechtsextreme Bestrebungen gefährden den inneren und äußeren Frieden und stehen der Völkerverständigung diametral entgegen.“ Linksextreme übrigens auch – nur halt nicht in der Welt von Greenpeace.
Da Correctiv behauptet, „dass Greenpeace zu dem Treffen recherchierte und Correctiv Fotos und Kopien von Dokumenten überließ“, fragte TE Greenpeace danach und erhielt zur Antwort: „Ja, Greenpeace hat am Veranstaltungswochenende an- und abreisende Teilnehmende mit zwei versteckten Kameras dokumentiert.“ Wieso, warum? Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff „versteckte Kameras“. Offensichtlich wurde die Privatsphäre von Bürgern verletzt, die nicht Personen mit öffentlichem Interesse oder der Zeitgeschichte sind. Damit verstößt Greenpeace gegen den Paragraphen 22 des Kunsturhebergesetzes und gegen das Persönlichkeitsrecht, das Recht am eigenen Bild. Das Attribut „versteckt“ belegt eindeutig den Vorsatz und die illegale Absicht. Bleibt das ungeahndet, wird wieder ein Teil der Freiheitsrechte der Bürger kassiert und wir würden die Gepflogenheiten der DDR im Umgang mit ihren Bürgern übernehmen.
Doch TE wollte auch wissen, welche Dokumente Greenpeace an Correctiv weitergegeben hat und erhielt zur Antwort: „Greenpeace hat Correctiv Fotos der teilnehmenden Personen und weitere Rechercheergebnisse zur Verfügung gestellt.“ Wir fragten nach, was denn „weitere Rechercheergebnisse“, also Ausspähergebnisse sind. Zudem möchten wir wissen, wann es zu dieser Zusammenarbeit von Correctiv und Greenpeace kam. Es mag sein, dass Greenpeace das Material Correctiv übergab, weil Correctiv in der Angelegenheit schon weiter war, doch jede Recherche kostet Geld. Weshalb verzichtet Greenpeace und übergibt das „Material“, das wir in einer Nachfrage näher beschrieben haben wollten, an Correctiv, anstatt es selbst zu verwenden, wenn Greenpeace aus Gründen des „Friedens und der Völkerverständigung“ zur Publikation verpflichtet ist?
Und letztlich bleibt die Frage, wenn es um so ein brisantes Geheimtreffen, von dem „niemand erfahren“ sollte, geht: Warum ist Correctiv nicht im November, nicht im Dezember, sondern erst am 10. Januar damit an die Öffentlichkeit gegangen? Welche Geduld musste Greenpeace aufbringen, wo es doch um eine Frage des „Friedens und der Völkerverständigung“ ging? Wo doch Greenpeace in bester Geheimdienstmanier das Privatleben von Bürgern, die eine andere politische Meinung vertreten, mit illegalen Methoden ausgespäht und „dokumentiert“ hat?
Warum recherchierte Correctiv nicht allein? Das muss wirklich ein konspirativkonspiratives Geheimgeheimtreffen gewesen sein, wenn sich gleich zwei NGOs die Füße platt treten, und sich dem Vernehmen nach ein Reporter von Correctiv im Hotel bereits einmietet, bevor die Einladungen, auf die sich Greenpeace bezieht, überhaupt verschickt worden waren. Möglicherweise wollte man nur ganz sicher gehen, dass Correctivs Miniatur-James-Bonds die ganze Angelegenheit nicht am Ende doch noch verhauen. Vielleicht untersuchten die Greenpeace-Leute auch, ob der Lehnitz-See nicht eine direkte Verbindung mit dem Wannsee hat, denn das war von Anfang an das Framing, das Treffen der Privatleute als eine Mini-Wannsee-Konferenz aussehen zu lassen.
Diese Räuberpistole, die Correctiv unter Mithilfe von Greenpeace produziert hat, hätte nicht einmal ein Verlag, der professionell Groschenliteratur oder Pulp Fiction vertreibt, abgenommen, zu hanebüchen ist die Story. Doch auf Grundlage dieses Plots gehen in Deutschland Hunderttausende auf die Straße, um im Endeffekt und objektiv die Demokratie abzuschaffen, was sich auch immer jeder Einzelne der Mitlaufenden subjektiv vorstellt, weshalb er bei den Aufmärschen mitmacht.
Übrigens ist es inzwischen leicht zu erkennen, ob ein Medium für die Regierung arbeitet oder weiterhin kritische Berichterstattung betreibt. Man muss nur schauen, ob das betreffende Medium über die klammheimlichen Korrekturen von Correctiv am eigenen Text berichtet hat oder nicht, und das mit dem Grad der Empörung vergleichen, mit denen das betreffende Medium zuvor Correctivs Räuberpistole in die Öffentlichkeit blies.
Die Berliner Zeitung urteilt zu recht über die Recherche von Correctiv mit Blick auf die Gerichtsverhandlung: „Doch eigentlich geht es um viel mehr: Nicht nur um eine Medienplattform, die mehrere Formulierungen in der Recherche klarstellen muss. Sondern auch um eine Bundesregierung, die bereitwillig den Correctiv-Bericht auf ihren Social-Media-Kanälen aufgriff, ohne die Recherche zuvor auf ihre Stichhaltigkeit überprüft zu haben. Und die sich erklären müsste, sollten sich die Kernthesen des Artikels entweder als strittige Wertungen oder sogar als falsche Tatsachenbehauptungen herausstellen. Das Medienhaus Correctiv, dessen Führungskräfte teils auch als Redner auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus gesprochen hatten, will vieles plötzlich nicht mehr so gemeint haben. So ist laut einem Bericht der Welt im Schriftsatz des Correctiv-Anwalts Thorsten Feldmann zu lesen, das Medienhaus habe nie geschrieben, in Potsdam sei davon gesprochen worden, ‚unmittelbar und sofort ‚deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass auszuweisen‘‘.“
Nichts bleibt von der Räuberpistole von Correctiv übrig, doch die Aufmärsche „gegen Rechts“ gehen weiter.