Am Dienstag musste der Lehrbetrieb an der Freien Universität eingestellt werden, nachdem Hamas-Sympathisanten den Theaterhof vor der sogenannten Rostlaube der FU besetzten. Vor der Mensa versammelten sich dann auch noch 50 „propalästinensische“ Aktivisten, denen sich 20 Studenten entgegenstellten, die für Israel eintraten. Die Polizei räumte am Nachmittag sowohl den Platz vor der Mensa, als auch den Theaterhof. Eine Gruppe, die unter der Bezeichnung „Student Coalition Berlin“ firmiert, veröffentlichte Bilder vom Protestcamp, von der Räumung und erklärte: „In Solidarität mit dem palästinensischen Volk haben wir, die Berliner Studierenden, unser Camp an der Freien Universität errichtet.“ Die Gruppierung fordert, Israel „akademisch und kulturell“ zu boykottieren.
Kein Wort über den 7. Oktober 2023, kein Wort über das Leid der israelischen Geiseln, der Befreiten und derjenigen, die sich immer noch in der Gewalt der Hamas befinden, kein Wort über die bestialisch Gefolterten und die bestialisch Ermordeten, kein Fünkchen Empathie, nur Hass und Arroganz, keinerlei Selbstreflexion, nur Selbstermächtigung bei den Besetzern der Universität – übrigens auch kein Verlangen nach Disput und Diskurs, sondern nur der Wunsch, sich erhabene Gefühle zu verschaffen, wie man sie in früheren Zeiten durch den Ablass errang, mit dem Unterschied diesmal, dass der Ablass nichts mehr kostet, den zahlen andere, die Toten, die Gefolterten, die immer noch Gefangen-Gehaltenen.
Der Präsident der FU, Günter Ziegler, reagierte richtig, als er die Räumung mit der Begründung anordnete, dass die Universität kein Ort für Protest-Camps sei, sondern für wissenschaftlichen Dialog und Austausch. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Professor Walter Rosentahl kommentierte: „Hochschulen sind keine Orte, an denen strafrechtlich relevante, antisemitische Aussagen oder Taten geduldet werden, an denen die terroristischen Angriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 geleugnet, das Existenzrecht Israels infrage gestellt oder generell abweichende Meinungen und wissenschaftliche Aussagen niedergebrüllt werden dürfen.“ Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) verurteilte die Besetzung des Theaterhofes der FU scharf und verwies darauf, dass jüdische Studierende und Mitarbeitende am Campus angegriffen und antisemitische Sprüche geäußert worden seien. Immer wieder war der Slogan zu hören, der die Auslöschung des Staates Israel implizierte und die Forderungen nach einer Intifada, also nach Terror gegen Israel.
Die Saat der Linken und der Grünen ging auf, nämlich das, was die Franzosen Islamo-Gauchisme nennen, das Engagement der Linken für den Islam auf der Grundlage des Postkolonialismus.
Man musste nicht lange darauf warten, dass in dem wachsenden totalitären Klima an den Universitäten Dozenten in einem Offenen Brief sich an die Seite der Protestler stellten.
Ob die Leute, die sich dort versammelten und die nun von den Dozenten verteidigt werden, wirklich alle studieren, sei dahingestellt, doch wahr ist, dass sie eine verschwindend kleine, aber überaus lautstarke Minderheit darstellen. Von den 38 564 Studenten, die im Wintersemester 2023/24 an der FU studieren, beteiligten sich ca. 150 Studenten an den sogenannten Protesten, die es aber fertigbrachten, ihre Kommilitonen am Studium zu hindern, weil der Lehrbetrieb eingestellt werden musste, und jüdische Kommilitonen zu ängstigen. Bravo! Und diesen neuen Totalitarismus, diese Absage an Disput und Diskussion, an der freien Meinungsäußerung hofieren nun Dozenten der Universität, in dem sie sich auf das Recht auf Protest und auf das Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Noch einmal: Bravo!
Die Dozenten behaupten, dass sie ihre Studierenden schützen müssten, und sie „sie in keinem Fall Polizeigewalt“ ausliefern dürften. Wer schützt die jüdischen Studenten vor der Gewalt von radikalisierten Studierenden? Wer schützte die Jüdin, die am Mittwoch an einer Ringvorlesung „Judenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antizionismus – aktualisierte Formen antijüdischer Gewalt“ des Baseler Professor Alfred Bodenheimer in Hamburg teilnahm und im Anschluss von einer 26jährigen Somalierin gewürgt und auf die Nase geschlagen worden war? Daniel Killy, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, kommentierte den Vorfall mit der Einschätzung: „Der Angriff ist ein alarmierendes Zeichen dafür, dass ein Dialog mit Radikalen jeglicher Couleur nichts bringt.“
Ungewollt bestätigen die Berliner Dozenten, die den Brief unterschrieben haben, die Einschätzung von Daniel Killy, wenn sie schreiben: „Es ist keine Voraussetzung für grundrechtlich geschützten Protest, dass er auf Dialog ausgerichtet ist.“ Dieser Satz entlarvt die billige Posse, die der Brief aufführt und mit dem die Dozenten das hohe Gut der Meinungsfreiheit herabsetzen. Es ist dieser Satz, der die Vorstellung dieser Dozenten von Meinungsfreiheit hinlänglich charakterisiert, denn unter Meinungsfreiheit verstehen diese Leute nur die Freiheit, dass allein ihre Meinung frei geäußert werden darf.
Wo waren denn die Helden der Meinungsfreiheit, als an der Humboldt Universität die Professorin und Richterin am israelischen Verfassungsgericht Daphne Barak-Erez niedergebrüllt und schließlich gehindert wurde, einen Vortrag zu halten? Wie haben sie sich denn dafür eingesetzt, dass die „Debatte“ stattfinden konnte? Haben sie sich damals für den „Schutz der Hochschulen als Räume der kritischen Öffentlichkeit“ engagiert? Einen Offenen Brief verfasst? Haben sie die Aktivisten, die das Recht der freien Meinungsäußerung und die Möglichkeit der offenen Debatte aushebelten, in ihre Schranken gewiesen? Natürlich nicht, denn für die Aktivisten gilt selbstredend: „Es ist keine Voraussetzung für grundrechtlich geschützten Protest, dass er auf Dialog ausgerichtet ist.“
Erkennen die Dozenten denn nicht einmal den offensichtlichen Widerspruch, der darin besteht, zu behaupten, dass sie sich zwar für die freie Meinungsäußerung einsetzen, aber das gleichzeitig Protest nicht auf Dialog ausgerichtet sein muss? Fällt es so schwer zu verstehen, dass die Voraussetzung der Meinungsfreiheit die Möglichkeit des Dialoges ist, weil die Freiheit, wie sogar Rosa Luxemburg, eine Ikone der Linken, in ihrer Kritik an Lenin und an der Russischen Revolution in einer handschriftlichen Randbemerkung niederschrieb, immer die Freiheit des politisch Andersdenkenden ist?
Wo waren denn die Hüter der Meinungsfreiheit, des offenen Raums der Universität, der Debatte, der Wissenschaftsfreiheit, als die Biologin Marie Vollbrecht ihre wissenschaftliche Darstellung aus der Sicht der Biologie über die Existenz von zwei Geschlechtern in der Nacht der Wissenschaften nicht halten konnten, weil sie daran von Aktivisten gehindert worden war? Wo und wie haben sie denn damals alles das verteidigt, was sie hier vollmundig einfordern?
Aber sie fordern es nicht, sie haben all die schönen Worte und Forderungen mit einem einzigen Satz begraben: „Es ist keine Voraussetzung für grundrechtlich geschützten Protest, dass er auf Dialog ausgerichtet ist.“
Mit diesem Satz haben die Dozenten die Idee der Universität verraten. Denn sie sind nicht an Dialog interessiert.