Tichys Einblick
So gelingen Partei- und Bilderbuchkarrieren

Verfassungsschutzpräsident betrachtet einen ARD-„Tatort“ als Beweis für einen Rechtsruck der Mitte

Der Film mit schlapper Einschaltquote wäre schnell in der Versenkung verschwunden, hätte nicht der Verfassungsschutzpräsident von Niedersachsen Bernhard Witthaut den betreffenden „Tatort“ als Beleg dafür angeführt, dass Extremismus und Rassismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen und mittlerweile auch weiblich sei.

imago Images

Den zwangsgebührengesättigten öffentlich-rechtlichen Volkserziehern von ARD und ZDF ist kein Klischee zu dümmlich, um es mit vermeintlicher Starbesetzung nicht als Krimi-Soap unter die Leute zu bringen. So geschehen erneut am Sonntag, 26. April, mit dem ARD-„Tatort“ “National feminin”.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Es geht um den Mord an der Jurastudentin Marie in Göttingen. Marie war die Betreiberin des „rechten und rassistischen“ Videoblogs “National feminin”. Damit agitierte sie gegen den Feminismus und gegen die Überfremdung Europas durch “Männer aus frauenverachtenden Kulturen”. Ihre rechten Genossen nutzen den Mord umgehend, um gegen Ausländer Stimmung zu machen. Die Tote hatte obendrein eine Affäre mit Professorin Sophie Behrens (gespielt von der Otto-Schily-Tochter Jenny Schily). Frau Behrens steht übrigens kurz vor einer Karriere als Richterin im Bundesverfassungsgericht – auch sie eine Ikone der rechtsnationalen Szene, mit einer Frau verheiratet. Und so weiter, und so weiter. Ach ja, wie nicht anders zu erwarten: Mörder ist der Rechtsextreme Felix, zu dem Marie früher eine Beziehung hatte. Felix konnte nicht überwinden, dass Marie mit einem linken Studenten ein Techtelmechtel angefangen hatte. Deshalb schnitt er seiner „Ex“ die Kehle durch. „quod erat demonstrandum“ – was zu beweisen war. Drehbuchautor ist übrigens Florian Oeller, der zuletzt die kanzlerfreundliche „Doku“-Soap “Die Getriebenen” schrieb.

Der Film, der eine schlappe Einschaltquote hatte, wäre schnell in der Versenkung verschwunden, wenn er nicht einen Verfassungsschutzpräsidenten auf den Plan gerufen hätte. Konkret den Präsidenten des Verfassungsschutzes Niedersachsen namens Bernhard Witthaut. Auf Twitter hat er den betreffenden „Tatort“ als Beleg dafür angeführt, dass Extremismus und Rassismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen und mittlerweile auch weiblich sei.

Hier sein Tweet (@BWitthaut) vom 26. April:

„Der heutige #Tatort zeigt, dass #Extremismus & #Rassismus leider in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Das Problem #Rechtsextremismus wird noch immer als „männl.“ Problem wahrgenommen. Doch auch Frauen können extrem sein!“

Bei so eifrigen und wachsamen Verfassungsschützern kann man wahrlich nicht mehr ruhig schlafen. Ein Film, eine Fiktion, ein Phantasieprodukt, das nicht einmal den Anspruch erhebt, eine “Doku“ zu sein, wird hier von einem höchsten Verfassungsschützer als Beleg für einen Extremismus- und Rassismus-Schub in der Mitte der Gesellschaft angenommen. So paranoid-kreativ war nicht einmal die Stasi.

Erklären kann man sich die politisch korrekte Beflissenheit des Herrn Witthaut nur mit seiner Bilderbuchkarriere. Der Mann, SPD-Mitglied, Mitglied der (DGB-)Gewerkschaft der Polizei GdP und vorübergehend GdP-Vorsitzender, war einmal Erster Polizeihauptkommissar. Dies war er aber kaum im echten Polizeidienst, vielmehr war er als Personalrat fast zwei Jahrzehnte lang vom Polizeidienst vor Ort freigestellt. So weit so gut, soll vorkommen. Jedenfalls ist Witthaut bestens inkludiert. Interessant wird seine Karriere ab 2013. Da wird er urplötzlich Polizeipräsident von Osnabrück. Der Innenminister heißt zu diesem Zeitpunkt bereits Boris Pistorius (SPD); rein zufällig war Pistorius zuvor Oberbürgermeister von Osnabrück. Dem nicht genug: 2019 wird Witthaut von eben diesem Pistorius zum Präsidenten des Verfassungsschutzamtes Niedersachsen ernannt. Wenn das keine Karrieren sind – mittels Schnellbleiche aus der Besoldungsgruppe A13 nach Besoldungsgruppe B4!

Übrigens: In den meisten deutschen Ländern ist die gesetzlich geregelte Voraussetzung für das Amt eines Verfassungsschutzpräsidenten die Zulassung zum Richteramt, also eine komplette juristische Ausbildung. In Niedersachsen gilt das nicht. Die AfD-Opposition ist mit einem entsprechenden Gesetzesantrag gescheitert. Aber auch andere deutsche Länder gehen da großzügigst mit parteitreuen Soldaten um. In Thüringen wurde ein gewisser Stephan Kramer im Jahr 2015 zugleich (welch Zufall!) Master der Sozialpädagogik und Präsident des Verfassungsschutzes. Der konfessionell und politisch mehrfach konvertierte Kramer hatte für CDU und FDP gearbeitet, ehe er der SPD beitrat. Verfassungsschutzpräsident in Thüringen wurde er, obwohl dort als Voraussetzung für dieses Amt eine volljuristische Ausbildung gesetzlich geregelt ist. Aber mit einem Federstrich wurde sein Master in Sozialpädagogik als Äquivalent für die beiden Jura-Examina betrachtet. Die Mitgliedschaft im Stiftungsrat der Antonio-Amadeu-Stiftung könnte zudem beförderungsrelevant gewesen sein.

Zurück zu Witthaut und dem jüngsten „Tatort“ Nummer 1130: Es zeigt sich einmal mehr, dass selbst in so sensiblen Bereichen wie dem Verfassungsschutz Leute nach oben gespült werden, von denen echte Kenner der Szene sagen, ohne entsprechendes Parteibuch hätten solche Aspiranten nicht einmal das Freischwimmerabzeichen errungen.

Einen hochkompetenten Hans-Georg Maaßen aber schasst man, weil er sich eben nicht zu politisch und regierungsamtlich korrekten Phantastereien hatte hinreißen lassen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen