Tichys Einblick
Mit Zuckersteuer die Staatskasse mästen

Verbraucherschutzminister auf dem Irrweg

Eine mit Geboten, Verboten und Strafsteuern für unmündige Bürger operierende Politik entfernt sich zunehmend von der Realität. Das Volk muss regiert werden. Da können Sachlichkeit, Fakten oder Angemessenheit stören. So entstehen Polit-Projekte, die am Widerstand der Wirklichkeit scheitern. Von Detlef Brendel

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

In der aktuellen Verbraucherschutz-Minister-Konferenz vom 12. bis 14. Juni in Regensburg forderten neun der 16 Bundesländer den Bund dazu auf, eine herstellerbezogene Abgabe auf zuckerhaltige Softdrinks zu erheben. Mit dieser Strafsteuer soll die Limo der Deutschen fader werden. Neun Bundesländer wollen sich damit zu Unterstützern von Ernährungsminister Cem Özdemir machen, der mit einer breit aufgestellten Strategie, die von Veränderungen traditioneller Nahrungsmittel über Strafsteuern bis zu Kommunikations-Verboten reicht, das Volk umerziehen will. Das Leitbild des mündigen Bürgers, der sich informiert, seine Interessen artikuliert und verantwortungsbewusst handelt, wird der verordneten Fürsorge durch den regulierenden Staat geopfert.

Diskutiert werden soll eine Zuckersteuer nach britischem Vorbild. Sogar Özdemir musste bereits zugeben, dass dadurch der Konsum der Getränke in England nicht gesunken sei. Zu dieser ernüchternden Erkenntnis passt die Aussage eines Mitarbeiters vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das jetzt auch eine gestaffelte Zuckersteuer empfiehlt. Bei Trendthemen haben Wirtschaftsforscher sogar Ernährungskompetenz. Renke Schmacker, Autor der entsprechenden Studie, erläutert, dass eine solche Strafsteuer in Dänemark nicht funktioniert habe, weil die eigentlichen Adressaten, die man damit erreichen wolle, eine zu geringe Selbstkontrolle haben. Macht nichts. Auf jeden Fall ist eine Steuer nach Schmackers Meinung nicht schlecht, weil sie zumindest Steueraufkommen generiert. Das ist doch ein Argument. Für Politiker scheint das schon eine ausreichende Begründung zu sein. Fiskalische Aspekte dominieren ernährungswissenschaftliche Fakten.

Cambridge University sieht keinen Effekt der Steuer

Die schlank denkenden Verbraucherschutzminister und das DIW nennen Großbritannien als angeblich erfolgreiches Vorbild. Die Steuer-Befürworter irren gewaltig. Nina Rogers, Epidemiologin an der Cambridge University, hat erforscht, wie sich die Zuckersteuer auf Softdrinks in Großbritannien auf die Gesundheit von Kindern ausgewirkt hat. Ihre Aussagen sind desillusionierend. Die stärksten Veränderungen ließen sich bei Mädchen im Alter von zehn bis elf Jahren feststellen. Bei ihnen nahm das krankhafte Übergewicht lediglich um 1,6 Prozent ab. Rogers stellt fest, dass man sehr sorgfältig messen und rechnen muss, um überhaupt eine Gewichtsreduktion zu ermitteln.

Ein gewisser Unterschied habe sich in sozial benachteiligten Gegenden gefunden. Hier ging das Gewicht der adipösen Mädchen in dieser Altersgruppe um eindrucksvolle 2,4 Prozent zurück. Auf den relevanten Aspekt der sozialen Benachteiligung für das Übergewicht weist die Studie der Cambridge University sogar bereits in der Einleitung hin. Er lautet: „Zuckergesüßte Getränke sind die Hauptquelle für Zuckerzusätze bei Kindern, wobei ein hoher Konsum häufig in benachteiligten Gebieten beobachtet wird, in denen auch die Prävalenz von Fettleibigkeit am höchsten ist.“ Das Problem hat also offenbar etwas mit dem gesamten Lebensstil zu tun.

Die Erkenntnisse der Forschung in Cambridge sind ernüchternd, weil sich der Effekt einer Strafsteuer lediglich in geringen Gewichtsveränderungen bei 10- und 11-jährigen Mädchen gezeigt hat. Nina Rogers erklärt zu den Untersuchungsergebnissen, dass sich bei den 4- bis 5-Jährigen kein Effekt feststellen ließ. Auch nicht bei Jungen. Da müsse man weiter forschen, um herauszufinden, warum das so ist. Zusammenfassend ist man durch die Forschung an der Cambridge University zu der Erkenntnis gekommen, dass die Steuer in England nichts gebracht hat.

Paternalistisch orientierte Politik darf sich durch solche wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse nicht stören lassen. Der fiskalische Effekt ist auf jeden Fall unbestritten. Eine Limo-Steuer reduziert kein Übergewicht, schafft aber ein Mehrgewicht beim Steueraufkommen.

Detlef Brendel ist Wirtschaftspublizist.

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