US-Präsident Donald Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 keinen Hehl daraus gemacht, die Unterstützung der europäischen Trittbrettfahrer in Frage zu stellen. Der Beschaffungsvertrag für die F-35 wurde dennoch geschlossen. Politisch gab es keine nennenswerten Widerstände, die Industrie nahm es stillschweigend hin, lediglich an der Wartung wollte sie beteiligt werden. Nun wird von verschiedenen Seiten gefordert, den Kauf des US-Bombers F-35 einzustellen. So der frühere Airbus-Chef Tom Enders in der faz.net am 16. März 2025: „Niemand braucht eine F-35“.
Gut gebrüllt, Löwe. Dumm nur, dass diese Erkenntnis mindestens drei Jahre zu spät kommt und eine Stornierung nicht nur diplomatisch unabsehbare Folgen hätte. Anders Tichys Einblick: Wir hatten bereits vor dem Kauf auf die problematischen Folgen hingewiesen und davor gewarnt. Auch im gedruckten Magazin von Tichys Einblick (06/2022, Seite 34).
F-35 gefährdet unsere Souveränität
Allein über die Millionen Softwarezeilen der F-35 wird die Luftwaffe auf Gedeih und Verderb an der amerikanischen Nabelschnur hängen. Zudem ist die nukleare Teilhabe mit sündteuren US-Flugzeugen völlig überholt. Im Fall des Falles hätten diese tausende Kilometer zu potentiellen Einsatzgebieten mit Hilfe von Luftbetankung zurückzulegen. Unterseeboote oder mobile Raketen wären weit bessere Alternativen.
Nun wird von verschiedenen Seiten her so getan, als ob mit Donald Trump die Zuverlässigkeit der Amerikaner plötzlich nicht mehr gegeben wäre. Was für ein kapitaler Unsinn. Es wäre auch bei jedem anderen US-Präsidenten eine existentielle Einzelfallentscheidung, ob dieser im Fall des Falles den Atomknopf betätigt und sich atomar in die Konflikte anderer einmischt. Um den Preis der Vernichtung des eigenen Landes! Die Amerikaner werden unabhängig davon nicht riskieren, die europäische Gegenküste an wen auch immer zu verlieren und der NATO den Rücken zu kehren.
Jeder Laie konnte im Übrigen ahnen, dass ein in den USA programmierter Software-Flieger mit Millionen Programmzeilen von externen Nutzern niemals vollständig beherrscht werden kann. Ganz abgesehen davon, dass dies unsere Freunde von jenseits des Atlantiks niemals zulassen würden. Die Abhängigkeit von den USA war von Beginn an unübersehbar, sie wurde offensichtlich bewusst eingegangen. Der politische Wille setzte sich über Bedenken hinweg. Heute, mit einem bestehenden Kaufvertrag, klingen Enders‘ Forderungen absurd.
Kurzsichtiger Sinneswandel
Die Frage, die sich unweigerlich stellt: Wo war Tom Enders, wo waren die heutigen Bedenkenträger vor drei Jahren? Warum wurde nicht damals mit demselben Nachdruck auf Unabhängigkeit von US-Systemen gepocht? Warum kommt die Einsicht erst jetzt, da die Verträge unterschrieben sind, der Flugplatz Büchel mit Milliardenaufwand für die F-35 umgebaut wird und die Flugzeuge produziert werden? Nunmehr fordert Enders, anstelle des F-35-Kaufs den Eurofighter weiterzuentwickeln.
Er sollte besser als alle anderen wissen, dass dies für den nuklearen Einsatz nicht umsetzbar ist. Die technischen Voraussetzungen kann der Eurofighter auf absehbare Zeit nicht erfüllen. Die Integration von US-Atombomben erfordert die Offenlegung des Eurofighter-Systemkerns bis in alle Einzelheiten, was nicht infrage kommt. Damals sprach sich jedenfalls Airbus Defence selbst für die F-35-Beschaffung aus – vielleicht nicht aus Begeisterung für das US-Produkt, sondern um von dessen Instandsetzung zu profitieren. Der Eurofighter war eben keine realistische Option, um die nukleare Teilhabe mit Kampfflugzeugen sicherzustellen.
Inzwischen wachen auch noch andere F-35-Kunden auf und überlegen die Sinnhaftigkeit der Beschaffungsentscheidung. Portugal will den möglichen Kauf stornieren, und Kanada die Bestellmenge reduzieren. Irgendwie erinnert dies an die sprunghaft zurückgehenden Tesla-Käufe nach den politischen Einmischungen von Elon Musk. Dummerweise bringen Kaufentscheidungen für Kampfflugzeuge sehr viel weitergehende Abhängigkeiten mit sich als die für Pkw. Forderungen, die die aktuelle militärische Lage und bestehende Bindungen ignorieren, helfen jedenfalls nicht weiter.
Sie sind nicht mehr als populistische Rhetorik – und das überrascht bei einem erfahrenen Top-Manager wie Tom Enders mit Erfahrungen als Vorstandsvorsitzender der EADS (heutige Airbus Group) und schließlich des Airbus-Konzerns. Wer jetzt verlangt, den Kauf der F-35 ohne funktionierende Alternativen zu stoppen, riskiert die Einsatzfähigkeit der deutschen Luftwaffe. Der Vorschlag läuft auf einen sicherheitspolitischen Blindflug hinaus.
Abhängigkeit von den USA – eine langfristige Herausforderung
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass Deutschland und Europa stark von den USA abhängig sind. Das betrifft nicht nur Kampfflugzeuge, sondern auch Aufklärungssysteme, Satellitenkommunikation sowie die Flug- und Raketenabwehr. Ganz zu schweigen von Aufklärungsergebnissen und Geheimdienstinformationen. Derart grundlegende Abhängigkeiten lassen sich nicht über Nacht – auch nicht in wenigen Jahren – abfangen. Es braucht einen langfristigen Plan, politische Entschlossenheit und massive Investitionen in eigene Technologien. Nicht zuletzt auch Vertrauen in potentielle europäische Partner, was angesichts des Zustands der Europäischen Union alles andere als selbstverständlich ist.
Eine Abbestellung der F-35 würde in Washington als offene Provokation aufgefasst. Für Donald Trump wäre dies ein Affront und eine Aufforderung, die Daumenschrauben drastisch anzuziehen und die militärische Zusammenarbeit grundsätzlich in Frage zu stellen. Erhebliche Konsequenzen für das deutsch-amerikanische Verhältnis wären zu erwarten – von wirtschaftlichen Sanktionen bis hin zum Zerwürfnis in der NATO.
Europäische Eigenständigkeit – realistisch gedacht
Wer ernsthaft europäische Unabhängigkeit in der Verteidigungspolitik anstrebt, muss anders vorgehen: Beherrschbare Schritte sind gefragt, keine abrupten Kehrtwenden. Strategische Veränderungen verlangen langfristige Planung, plötzliche Kurswechsel gefährden die eigene Sicherheit. Parallel zur F-35-Beschaffung sollte endlich systematisch in europäische Rüstungsprojekte investiert werden, auch sollte die Beschaffung zusätzlicher US-Flieger nicht in Frage kommen. Insofern ist Enders zuzustimmen.
Ein solches Vorgehen auf dem Luftfahrtsektor sollte u.a. beinhalten:
- Die Weiterentwicklung des Waffensystems Eurofighter für künftige Aufgaben, insbesondere im Bereich elektronischer Kampfführung und der Integration von Waffen.
- Die Beschleunigung des Future Combat Air System (FCAS), das als europäische Antwort auf die F-35 ausgelegt ist.
Dabei geht es nicht um Konkurrenz zur Leistungsfähigkeit von US-Systemen, sondern um zuverlässige europäische Lösungen mit fortschrittlicher Technik. Der größte Aufwand sollte statt in das Trägerflugzeug in die Waffen gesteckt werden.
Seit Jahren wird eine engere Kooperation im Verteidigungssektor Europas gefordert, um nicht nur sektoral, sondern auch strategisch unabhängiger von den USA zu werden. Getan wurde oft genug das Gegenteil. Ein aktuelles Beispiel für den fehlenden Kurswechsel ist die Beschaffung des Seefernaufklärers P-8A Poseidon. Statt in ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt auf Airbus-Basis zu investieren, wird die amerikanische P-8A von Boeing beschafft. Die Franzosen entwickeln eine Airbus-Lösung nun ohne die Deutschen. So ist es kein Wunder, dass es am Aufbau europäischer Kapazitäten mangelt. Parallel ist aber in jedem Fall darauf zu achten, die Einsatzfähigkeit der europäischen Streitkräfte zu erhalten. Längere Zeiten der Wehrlosigkeit wird niemand riskieren wollen.
Populistische Forderungen – fehlende Weitsicht
Dass der Betriebsrat von Airbus Defence die Stornierung der F-35-Beschaffung verlangt, mag man verstehen – schließlich hat die Belegschaft ein ureigenes Interesse daran, deren Arbeitsplätze zu erhalten. Doch wenn ehemalige Spitzenmanager vom Fach, Hochschulprofessoren und auch politische Instanzen sich derart populistische Forderungen zu eigen machen, ohne kurzfristig realisierbare Alternativen aufzeigen zu können, wurde offensichtlich nicht begriffen, wie es um die militärische Verteidigung steht.
Im zitierten Fall wäre nicht zuletzt auch von der faz.net und all den anderen Medien, die den Sachverhalt aufgegriffen haben, zu erwarten gewesen, Enders’ Thesen kritisch zu hinterfragen, anstatt sie unkommentiert abzudrucken. Die Debatte über Europas militärische Unabhängigkeit ist zu wichtig, um sich in unrealistischen Forderungen zu verlieren.
Fazit: Ja, Deutschland muss mittelfristig von den USA unabhängiger werden. Dies funktioniert aber nicht durch kurzfristige Stornierung bestehender Verträge, sondern durch kluge und nachhaltige Investitionen in europäische Verteidigungsprojekte. Wer populistisch den Kauf der F-35 in Frage stellt, ohne jetzt wirksame Alternativen zu bieten, argumentiert grob fahrlässig.