Tichys Einblick
Skandale pflastern ihren Weg

Mit Ursula von der Leyen (CDU) wird die gesamte EU zur Farce

Die wiedergewählte EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen vertuscht seit drei Jahren, wie es zum Milliardendeal mit Pfizer/BioNTech kam

IMAGO/Pixsell

Es geht ja „nur“ um Milliarden. In den Jahren 2020/2021 wurden zwischen der EU-Kommission und Pharmaunternehmen offenbar Verträge per SMS (!) über den Kauf von Impfstoffen gegen Covid-19 geschlossen: Ruckzuck ging es um 35 Milliarden Euro für eine Bestellung von 1,8 Milliarden Impfstoffdosen. Diese Impfstoffe vergammeln nun, gezahlt werden muss noch bis Ende 2026.

Wer hat das eingefädelt – einfach mal so per SMS? Die Rede ist von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66, CDU). Staatliche und private Geschäfte in solchen Größenordnungen gibt es üblicherweise nur, wenn dafür ganz transparent rechtssichere Verträge, oft Hunderte von Seiten lang, vorliegen. Nicht so in der EU. Da werden solche Verträge ganz hemdsärmelig als SMS-Austausch der EU-Kommissionspräsidentin mit Pfizer-CEO Albert Bourla abgeschlossen.

Klar, man kennt sich bestens. Die Szene der Pharmagiganten ist überschaubar. Von der Leyens Ehemann Heiko von der Leyen hat ebenfalls den Durchblick, er ist seit 2020 medizinischer Direktor des amerikanischen Biopharma-Unternehmens Orgenesis Inc. Man begegnet sich auch immer wieder. Zum Beispiel besuchte von der Leyen im April 2021 Pfizers Produktionsfabrik im belgischen Puurs. Ein halbes Jahr später, am 10. November 2021, erhielt Ursula von der Leyen in Washington eine Auszeichnung von Pfizer-CEO Albert Bourla für ihr Engagement um die transatlantischen Beziehungen. Sososo! So heißen Milliarden-Deals jetzt!

Die „New York Times“ (NYT) hat früh vom Von-der-Leyen-Pfizer-Deal Wind bekommen und gerichtlich Transparenz verlangt. Im April 2021 wollte sie wissen, welche Verträge zwischen von der Leyen und Pfizer-CEO Albert Bourla ausgetauscht wurden. Anfang 2021 hatte die EU-Kommission jegliche Transparenz noch mit der 08/15-Erklärung vom Tisch gewischt, man habe sich an alle Vorschriften gehalten, was die Archivierung und Dokumentation der offiziellen Kommunikation betrifft. Věra Jourová, die tschechische, damalige und heute noch amtierende Vize-Präsidentin der EU-Kommission vom Ressort: „Werte und Transparenz“ (sic!), meinte ganz offiziell, SMS und Textnachrichten enthielten „ihrer Natur nach nur kurzlebige“ Nachrichten und keine „wichtigen Angelegenheiten“.

Urteil des EuGH weggewischt

Im Januar 2023 klagte die NYT schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), weil ihr die verlangten Texte nicht zur Verfügung gestellt wurden. Von der Leyen aber verweigert der Öffentlichkeit und den ermittelnden Behörden seither die Einsichtnahme in die einschlägigen SMS-Nachrichten. TE hat im Frühjahr 2024 wiederholt darüber berichtet: Siehe

Schließlich hat der Gerichtshof der EU am 17. Juli 2024 Transparenz eingefordert. Der EU-Gerichtshof hielt fest: „Die Kommission hat der Öffentlichkeit keinen hinreichend umfassenden Zugang zu den Verträgen über den Kauf von Impfstoffen gegen Covid-19 gewährt.“

Das war exakt einen Tag, bevor von der Leyen vom EU-Parlament mit 401 (auch vielen „grünen“) von 719 Stimmen für weitere fünf Jahre im Amt als EU-Kommissionspräsidentin bestätigt wurde.

Gegen den Spruch des EU-Gerichtshofs ging von der Leyens EU-Kommission nun Ende September 2024 in Berufung. Außerdem hat die EU-Kommission die „teilweise Nichtigerklärung der bestätigenden Beschlüsse in den Rechtssachen (…) hinsichtlich des Zugangs der Öffentlichkeit zu den ungeschwärzten Fassungen der Verträge über den Erwerb von Covid-19-Impfstoffen“ beantragt. Womit wiederum die Aufklärung der Impf-Deals auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird. Mit anderen Worten: Von der Leyens EU-Kommission denkt gar nicht daran, die Dokumente herauszugeben, sondern kämpft nun vor dem EuGH gegen die Verpflichtung zur Transparenz.

Das EU-Parlament lässt sich das gefallen. Mehr noch: Exakt einen Tag nach dem Urteil des EU-Gerichtshofs wählt das EU-Parlament Ursula von der Leyen erneut zur EU-Kommissionspräsidentin. Statt die Wahl zu verschieben und eine Klärung des Deals abzuwarten. Wundert man sich darüber? Nein, das EU-Parlament war nie etwas anderes als ein braves Akklamationsanhängsel der anderen mächtigen EU-Gremien: des EU-Rates und der EU-Kommission. Gewaltenteilung sieht anders aus.
Insofern ist auch nicht damit zu rechnen, dass das EU-Parlament von seinem Recht auf Misstrauensantrag Gebrauch macht. Letzteres ist laut Artikel 234 des „Vertrages über die Arbeitsweise der EU“ möglich. Dort heißt es: „Wird der Misstrauensantrag mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mit der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments angenommen, so legen die Mitglieder der Kommission geschlossen ihr Amt nieder …“

Die EU könnte nicht Mitglied in der EU werden

Der fraktionslose EU-Abgeordnete Martin Sonneborn („Die Partei“) geht vor allem mit von der Leyens Partei, der CDU bzw. der Europäischen Volkspartei (EVP), hart ins Gericht. Er sagte der Berliner Zeitung: „Die EVP muss man sich als EU-Deep-State vorstellen.“ Sonneborn wörtlich: „Korruption, Nepotismus, Vetternwirtschaft sind da ganz normal, zumal in Institutionen, die so wenig kontrolliert werden.“ Auch der ehemalige Linken-Politiker und nun beim BSW Fabio de Masi äußert sich deutlich: „Es war bereits ein großer Fehler, Frau von der Leyen im Amt zu bestätigen, bevor diese dem Parlament Unterlagen und Kommunikation zu den Pfizer-Deals übermittelt hat, die den Abgeordneten laut dem EU-Gericht rechtswidrig vorenthalten wurden.“ Das BSW hat „damals erfolglos versucht, das Parlament wenigstens von einer Verschiebung der Wahl zu überzeugen“. Nun habe „die EU-Kommission sogar Beschwerde gegen das Gerichtsurteil“ einlegt. Wenn das Parlament einen Funken Selbstachtung hätte, würde es daher die Bestätigung der EU Kommissare verweigern, bis die Kommission europäisches Recht respektiert.“

Ja, für die EVP und die zu ihr gehörende Union aus CDU/CSU ist deren „Spitzenkandidatin“ Ursula von der Leyen längst ein Klotz am Bein. Apropos „Spitzenkandidatin“: CDU/CSU hatten von der Leyen zur EU-Wahl zur „Spitzenkandidatin“ gekürt. Das im ursprünglichen Sinn des Wortes Absurde daran: „vdL“ stand auf keinem Stimmzettel. Das heißt: Sie konnte weder gewählt noch gezielt nicht gewählt werden. Das ist EU-„Demokratie“! Der damalige Präsident des EU-Parlaments, der Deutsche Martin Schulz (SPD), 2017 SPD-Kanzlerkandidat, sagte sehr zutreffend am 1. Juli 2013 im Tagesgespräch »Phoenix vor Ort«: »Wäre die EU ein Staat und würde sie einen Antrag zum Beitritt zur EU stellen, so würde dieser wegen sichtlicher demokratischer Defizite abgelehnt.«

VdL: Skandale pflastern ihren Weg

Ursula von der Leyen (vdL), Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU), fühlte sich immer zu Höherem, ja Höchstem berufen, wiewohl sie fast nie direkt gewählt wurde. Letzteres war ihr nur einmal, 2003, gelungen, als sie niedersächsische Landtagsabgeordnete wurde. Dennoch ging es immer aufwärts: Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff machte sie 2003 umgehend zur Sozial- und Familienministerin. Merkel beförderte vdL 2005 zur Familienministerin, 2009 zur Arbeitsministerin, 2013 zur Verteidigungsministerin. Als letztere amtierte sie bis zur ihrer ersten Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin im Juli 2019. Merkel und Macron wollten es so; sie boxten damit den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber weg, und dieser kuschte.

Aber dem nicht genug: Als Parteifreund Christian Wulff 2012 als Bundespräsident zurücktrat, kokettierte vdL damit, erste Bundespräsidentin zu werden. Als sich ihre erste Amtszeit als EU-Kommission 2023/2024 ihrem Ende zuneigte, ließ sie gar Ambitionen lancieren, sie könnte NATO-Generalsekretärin werden.

Vergessen wir nicht: VdL ist ein einziges missglücktes Merkel-Projekt. Einschließlich der vdL-Skandale, die sie als Verteidigungsministerin auf dem Kerbholz hat. Unvergessen und nicht restlos aufgeklärt ist die von vdL initiierte Ausgabe von 200 Millionen Euro für Beraterverträge. Quälend lange 67 Monate zwischen 2013 und 2019 hatte sie binnen zwei Jahren für rund 200 Millionen Euro Beraterverträge abgeschlossen. Zum Beispiel mit McKinsey, wo sie vorübergehend als „Associate“ ihren Sohn David untergebracht hatte. Von McKinsey hatte sich Ursula von der Leyen für die Jahre 2014 bis 2018 zudem eine Katrin Suder als beamtete Staatssekretärin geholt. Zwei Gründe, weshalb im Bendlerblock bald der Name McLeyen im Umlauf war. Richtig aufgedeckt wurde die Sache mit den Beraterverträgen trotz Ausschusssitzungen im Bundestag nicht. Warum nicht? Auch deshalb nicht, weil von der Leyen gegen alle Vorschriften Daten auf ihrem Handy gelöscht hatte. Offenbar ging es um Daten, die Aufschluss über umstrittene Beraterverträge hätten geben können. Déjà-vu: Im Löschen von Handy-Daten und im Tricksen hat von der Leyen Erfahrung. Ansonsten: Der nach wie vor desolate Zustand der Bundeswehr hat viel mit vdL zu tun: Ihr war es wichtig, dass Panzer für Schwangere zugelassen wurden, dass es Kitas in den Kasernen gab, dass vierhundert Sätze Schwangerenuniformen gekauft wurden, dass Kasernen von angeblich vorhandenen NS-Devotionalen „gesäubert“ wurden …

Wie gesagt: VdL war ein Merkel-Projekt. Und wie es der Zufall wollte: Die Verteidigungsministerin vdL traf im Juni 2019 Frankreichs Staatspräsident Macron auf der Branchenmesse der Luft- und Raumfahrtindustrie in Le Bourget. Vier Wochen nach der „Europawahl“ 2019 und vier Wochen vor ihrer Kür zur EU-Kommissionspräsidentin. Es ging in Le Bourget um das französisch-deutsche Projekt eines Kampfjets namens „Future Combat Air System“ (FCAS). Da könnte es brave deutsche Zusagen und Zugeständnisse gegeben haben. Mit oder ohne SMS.


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