In den Vereinigten Staaten von Amerika erzählt man die Legende von John Henry. Liedermacher wie Johnny Cash haben die Legende von John Henry be- und gesungen (siehe YouTube) – nur die Frage nach der »Moral von der Geschicht’«, die schillert noch immer.
Ob John Henry – ein amerikanischer Volksheld und schwarzer Freigelassener – wirklich existierte, ist nicht wirklich sicher – und nicht wirklich wichtig. Wichtig ist die Legende, der Mythos – und was wir an Lehren aus der Geschichte ziehen.
John Henry trieb Löcher in den Felsen. In die Löcher steckten andere Männer dann Dynamit. Dann sprengten sie den Felsen, auf dass dort Schienen für die Eisenbahn gelegt würden.
Ohne die Eisenbahn wären die USA nicht die Wirtschaftsmacht geworden, die sie sind. Ohne Männer wie John Henry, würde es keine Eisenbahnschienen geben – so zumindest glaubte John Henry.
Wir wissen nicht, ob John Henry je über seine harte Arbeit geklagt hat. Die Legende von John Henry behandelt eine denkbar kurze Spanne seines Lebens.
Es war ein Tag im neunzehnten Jahrhundert in West Virginia, im Osten der Staaten. An der großen Biegung des Greenbrier River stand es an, den Fels gefügig zu machen für einen weiteren Tunnel der Chesapeake and Ohio Railway.
Doch, an diesem Tag sollte alles anders sein. Die Betreiber hatten dampfgetriebene Bohrhämmer beschafft. Die Maschinen sollten leisten, was zuvor nur Männer wie John Henry geleistet hatten – Löcher in den Felsen schlagen, und das ohne eine Pause einzulegen, ohne Essen zu essen oder Gehalt zu fordern – es waren ja Maschinen.
»Ha!«, sagte John Henry, »keine Maschine kann leisten, was ich leisten kann!«
John Henry forderte den neuartigen Dampfhammer zum Wettkampf heraus. Einen Tag lang hämmerten die Maschine und John Henry um die Wette. John Henry holte alles aus seinem Körper heraus, was ein Mensch aus seinem Körper holen kann – und am Ende des Tages gewann er auch, ganz knapp, so berichtet die Legende – und dann brach er tot zusammen.
In der Legende von John Henry ist viel Wahrheit enthalten, und das wird nicht dadurch geschmälert, dass ein Vertreter der zuständigen Eisenbahngesellschaft später versicherte, auf jener Strecke seien überhaupt keine Dampfhämmer eingesetzt worden.
Untote, durch den Markt wankend
Deutschland und seinen Unternehmen geht es gut, so sagt man uns. Der deutschen Wirtschaft geht es so gut, dass de facto die Insolvenzverschleppung legalisiert wurde (womit sie technisch dann keine »Insolvenzverschleppung« ist). »Wegen Corona« wurde, so lernen wir, die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt (siehe welt.de, 16.8.2020). Das Ergebnis werden wohl hunderttausende »Zombieunternehmen« sein. Im Jahr 2020 überrascht uns nichts mehr, doch mit »Zombieunternehmen« sind nicht von tatsächlich Untoten geführte Unternehmen gemeint, sondern Unternehmen, die eigentlich viel zu hoch verschuldet sind, »buchhalterisch tot« gewissermaßen, aber mit Sondererlaubnis noch so tun dürfen, als wären sie lebendig. (»Wo sehen Sie uns in 5 Jahren?«, so fragte ich letztens – man könnte sich fragen: Wo sehen wir uns in einem Jahr?)
Aber gut, noch leben wir alle, und viele Unternehmen leben ja noch (solange ein Zombieunternehmen sie nicht mit ins unternehmerische Grab reißt), und wenn wir leben, dann gehen wir auch zur Arbeit! Die Politik ist stolz darauf, dass in Deutschland 2019 so viele Menschen arbeiteten wie noch nie zuvor – 45 Millionen Menschen (wenn auch in der Krise durch die Corona-Maßnahmen wieder abflachend, siehe auch destatis.de). Ich will es wagen, in diese Suppe zu spucken: Es ist kein Zeichen steigenden Wohlstands, wenn in Familien, die früher von nur einem Elternteil (ja, meist dem Vater) versorgt wurden, nun beide Elternteile und vielleicht noch die Großeltern arbeiten müssen, um irgendwie über die Runden zu kommen, nachdem der Staat ihnen vom Erarbeiteten mal eben die Hälfte wieder genommen hat.
Ja, es arbeiten so viele Menschen wie noch nie in Deutschland, und meines Erachtens ist das kein Zeichen von Wohlstand. Wofür arbeitet der Deutsche denn? Genauer: Wofür zahlt er Steuern und Abgaben? Ignorieren wir für einen Moment all die in ihren Dimensionen geradezu irren Ausgaben und Versprechungen des Merkel-Systems, die ans Ausland gehen (etwa die Bürgschaften), oder die Ausgaben für Dinge, die uns explizit schaden, etwa die Umweltzerstörung durch Vogelhäcksler, und betrachten wir den alten, den noch guten Sinn und Zweck des staatlichen Geldwegnehmens: Wir zahlen Steuern, Abgaben und Beiträge (und wie sie das Geld, das sie uns nehmen, sonst noch betiteln können), um im Gegenzug etwas Sicherheit zu erhalten.
Ich zahle die Krankenversicherung, um im Fall einer Krankheit die Sicherheit zu haben, dass ein Arzt versucht, mir mit dem Gesundwerden zu helfen.
Ich zahle Steuern, unter anderem, um auf der Straße genügend Sicherheit zu spüren, so dass weder gefährliche Schlaglöcher noch böse Räuber mich hindern, sicher an mein frei gewähltes Ziel zu gelangen.
Ich zahle Rentenbeiträge, und ich erwarte, dass meine Rente sicher ist, dass ich nach einem durchgearbeiteten (und: durchgezahlten!) Leben die Tage mit etwas Würde und vielleicht sogar Freude verbringen kann – und ohne Angst darum, was ich morgen essen werde.
Das Geld, das wir für die Rente einzahlen, wird, wie wir längst alle wissen, natürlich keineswegs angespart, sondern direkt wieder ausgegeben für die Leute, die jetzt eine Rente wollen. Heute arbeiten so viele Menschen in Deutschland wie noch nie, das ist wahr, doch Experten erwarten, dass die Zahl wieder heruntergehen wird – während die Ausgaben an allen Fronten steigen.
Die Chefs beim Fernsehen müssen sich bekanntlich wenig Sorge um ihren Lebensstandard im Alter machen – der WDR-Chef Buhrow muss wahrscheinlich noch nicht einmal von seinen jährlichen 395.000 Euro (so focus.de, 14.8.2020) etwas zurücklegen – seine Pension später wird ja auch noch dem Zwangsgebührenzahler abgepresst. Politiker können sich schon nach wenigen Jahren in der Politik sehr komfortabel zur Ruhe setzen, zum Beispiel in ihrer mitten in der Krise gekauften 4-Millionen-Euro-Villa, soll der Bürger demnächst noch länger arbeiten. Etwas anders ist es bei denen, denen das alles weggenommen wird. Eine jener berüchtigten Expertenkommissionen empfiehlt, ab 2031 den Renteneintritt über 67 Jahre anzuheben (siehe welt.de, 14.8.2020, Text ist hinter Bezahlstacheldraht) – als Zielmarke wird 70 Jahre genannt.
Wenn Sie hier mit »das ist ja noch lange hin« antworten, erlauben Sie mir bitte mehrere Anmerkungen!
Und wenn es absurd klingt
Erinnern Sie noch an den Jahrtausendwechsel? Das ist zwei Jahrzehnte her. Den Anschluss (ja, sarkastisch gemeint) Deutschlands an die DDR? Knapp drei Jahrzehnte her. – Die Zeit rast.
Wenn die Zahlen erst einmal im Raum sind, durchs »das ist noch lange hin« abgefedert, können sie bald nach vorne verschoben werden. Es ist wie mit den »Hilfspaketen« und »Zusicherungen« – ist das Thema erst im Raum und »abgehakt«, kann es ohne größeren Widerstand und zu massiven Ungunsten der Wähler abgeändert werden.
Betrachten wir doch die im Raum stehenden Zahlen selbst, so wie wir sie heute kennen! Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland beträgt laut destatis.de für heute geborene Jungen 78,5 Jahre und 83,3 Jahre für Mädchen. Die Lebenserwartung ist jedoch nicht für alle Bevölkerungs- und Berufsgruppen gleich. Es liegt auf der Hand, doch es wurde auch wissenschaftlich festgestellt (vergleiche zeit.de, 3.7.2020), dass ihren Körper schindende Arbeiter, die zudem regelmäßig die Eintönigkeit ihrer Tage mit Tabak, Alkohol und fettem Essen zu lindern versuchen, messbar kürzer leben als der, prototypisch gesprochen, eher moderat schuftende Staatsdiener, der nach Dienstschluss noch etwas im Garten die Seele buddelt, der sich auch beim Schnupfen krank melden kann, der am Wochenende um den See spazieren geht und ansonsten seinen Kräutertee aus dem politisch bereinigten Edel-Biomarkt schlürft, und das noch viele Jahre nach dem letzten Dienstende, wenn der Arbeiter, der dem Beamten das Haus über den Kopf baute, längst im städtischen Gottesacker die extra ausgedehnte Zwiesprache mit den Wirbellosen hält.
»Rente mit Siebzig« bedeutet, dass im theoretischen Extremfall ein junger Mann mit 16 Jahren eine Lehre beginnt, ab da 54 Jahre am Stück malocht, und dann vielleicht noch 5 Jahre auf dieser Erde genießt mit dem, was ihm der Staat gnädigerweise als Rente gewährt (natürlich nur wenn er nicht zuvor zum Opfer etwa der Partyszene wird).
Wenn es absurd klingt, könnte es daran liegen, dass es absurd ist.
Irgendwann auf 120?
Ich glaube den Zahlen zu den zukünftigen Renteneintrittsaltern nicht (so wenig wie ich der Kriminalitätsstatistik glaube, wenn sie das vom Syrer gekritzelte Hakenkreuz, den von der Antifa gezeigten verbotenen Gruß oder den offenen Rassismus eines Türken allesamt als »rechte« Straftat verbucht, wodurch es im neu-orwellschen Duktus gegen die Opposition instrumentalisiert wird, die eben diese Taten verhindern will).
Ich glaube den Zahlen und Prognosen zu Renten und Sozialkosten nicht. Deutschland präsentiert sich der Welt heute als »Geldautomat ohne Geheimzahl« (eine Metapher, die mir vor ziemlich genau 2 Jahren passend erschien – und heute nicht minder).
Ungezählte (Quasi-) Unternehmer in Deutschland und weltweit haben professionelle Kompetenz darin entwickelt, Geld aus den deutschen Sozialsystemen für sich zu generieren. Wir kennen die Wohlfahrtskonzerne (und gelegentlich auch Lokalpolitiker mit Vermietwohnungen), die sich an Flüchtlingspolitik gesundstoßen und dicke Limousinen fahren. Wir kennen die Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, das in Deutschland kassierte Geld der »jungen Männer« aus Afrika eben dorthin zu überweisen. Die großen Ausgaben Merkeldeutschlands sind »Anti-Investitionen«: Ob Schönwetter-Stromquellen, Schuldenübernahmen oder Welteinladung – je mehr Geld wir heute ausgeben, umso mehr Geld werden wir morgen ausgeben müssen.
Wenn diese Erhöhung aufgebraucht ist, was kommt danach? Werden wir das Renteneintrittsalter auf 80 anheben, auf 90, auf 100 und irgendwann auf 120? Das Geschäftsmodell der Deutschland-Galeere sollte auf mehr basieren, als nur die Peitsche von Jahr zu Jahr schärfer knallen zu lassen, um wettzumachen, dass die Ruderer erst älter und dann weniger werden.
Am Ende gewinnt immer die Realität. Wenn wir alle linke Ideologien und Geschäftemachereien finanzieren wollten, würde es nicht einmal genügen, so lange zu leben wie Methusalem, Jared oder Noah (und die wurden 969, 962 respektive 950 Jahre alt; siehe etwa 1. Mose, Kapitel 5).
Das Rentenalter anzuheben ist nur ein Zwischensieg im Kampf gegen die Realität linker Lebenslügen. Zwischensiege sind eben das: Zwischensiege, nicht mehr.
Und dann…
Bereits Ende 2019 wurde vermutet, dass es in Deutschland hunderttausende »verdeckt überschuldeter« Unternehmen gibt – und jetzt sollen es ganz legal hunderttausende mehr sein.
Während in Deutschland die Zombie-Unternehmen durch den Markt wandeln, soll der deutsche Steuerzahler gegen den Dampfhammer deutschen Weltrettungswahns anarbeiten – bis kurz bevor er buchstäblich »tot umfällt«.
John Henry war stolz. An dem einen Tag hatte er ja gewonnen! Ein kleiner Zwischensieg! Und dann fiel er tot um – die Maschine gewann. Das System gewann. Das System gewinnt immer – und wenn es verliert, dann gegen ein anderes System.
Ein kaltes Getränk
Ich weiß nicht, wie und ob wir »die da oben« zur Vernunft bewegen, zum Gewissen, zu einem Mindestmaß an Anstand.
Ich empfehle heute jeder Familie, sich einen Plan zurechtzulegen, wie wir nicht zum »deutschen John Henry« werden.
Es empfiehlt sich heute nicht nur, Chinesisch zu lernen, sondern gelegentlich auch, von den Chinesen zu lernen. Zum Beispiel von Sun Tzu und seiner Kunst des Krieges.
Sun Tzu lehrt, in meinen freien Worten: Jede Schlacht ist entschieden, bevor sie begann – und vorzuziehen ist stets die Schlacht, die gar nicht erst gekämpft wird. Um die Schlacht zu gewinnen und sie doch nicht zu kämpfen, dafür braucht es aber Taktik, Klugheit und Weisheit.
John Henry, lass gut sein! Am Ende gewinnt immer der Dampfhammer. – Ich wünsche uns heute Klugheit und Weisheit, dem Dampfhammer aus dem Weg zu gehen.
Ich wünsche uns den Mut und vor allem die Ernsthaftigkeit, den anstehenden Wettbewerben aus dem Weg zu gehen und sie doch zu gewinnen, jeder auf seine eigene Art.
Ich wünsche uns Glück – und dazu ein kaltes Getränk, wenn es heiß ist! Sammelt eure Kraft, ihr werdet sie noch brauchen!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.