Im Jahr 2021 hat die Universität Bonn den Lehrstuhl für Europapolitik an Guérot vergeben. Die Autorin hatte sich zu dem Zeitpunkt unter anderem öffentlich damit hervorgetan, sich für eine „Europäische Republik“ auszusprechen, in der die früheren Nationalstaaten aufgelöst würden. Da stand Guérot noch mitten in der Mehrheits-Gesellschaft. Auch wenn damals schon die Vorwürfe aufkamen, dass sie und ihr Co-Autor Robert Menasse in dem „Manifest für die Begründung einer Europäischen Republik“ 2013 wissenschaftlich unsauber gearbeitet, Zitate herbeigebogen hätten. Damals gab sie dem Co-Autoren die Schuld an den Fehlern. Aber auch zu ihrem Werk „Warum Europa eine Republik werden muss!“ aus dem Jahr 2016 gab es Vorwürfe – dieses Mal der Vorwurf des Plagiats. Unter anderem mit diesem Buch begründet die Uni nun die Trennung.
Wer von der Mehrheitsmeinung in Medien- und Politlandschaft abweicht, braucht heutzutage ein schnelles Pferd. Und ein ausdauerndes: Das Studentenparlament beschloss, Guérot solle sich zum Thema Ukraine-Krieg nicht mehr öffentlich äußern. Der NDR lud sie nicht mehr für eine Sachbuch-Kommission ein. Und die FAZ nahm sich ihre Bücher vor. Ähnlich wie bei Hans-Georg Maaßen und dem Beck-Verlag zielte das einstige Flaggschiff der konservativen Medien mehrfach auf einen „umstrittenen“ Autor. Wobei „umstritten“ ein Chiffre für „der hat eine andere Meinung“ ist. Die FAZ verknüpfte in ihren Texten denn auch die wissenschaftliche Kritik an Guérots Büchern mit der Kritik an ihren politischen Äußerungen.
Die bisherige Professorin für Europapolitik wehrt sich nun gegen ihre Universität. Mit der Androhung einer einstweiligen Verfügung verbot sie der Uni, die Behauptung weiterhin aufzustellen, die wissenschaftlichen Vorwürfe bezögen sich auf ihre Zeit an der Uni. Der Kommission, die sich nun mit ihrer Entlassung beschäftigen soll, hat sie ein Verteidigungsschreiben vorgelegt. Ein Schreiben, das zudem zeigt, dass die Angriffe der letzten zwei Jahre nicht spurlos an der „umstrittenen“ Autorin vorbeigegangen sind.
Als die FAZ erstmals über Plagiatsvorwürfe berichtet habe, habe Guérot eine Anfrage der Zeitung beantwortet. Demnach hätte sie die betreffenden Autoren in indirekter Rede zitiert, sodass diese für eine nicht wissenschaftliche Arbeit ausreichend gekennzeichnet gewesen wären. Außerdem habe sie nach der Anfrage die betroffenen Autoren, so weit es ging, kontaktiert und diese hätten ihr bestätigt, dass Guérots Vorgehensweise für sie in Ordnung gewesen sei. Die Zeitung hätte diese Einwände aber in der Berichterstattung nicht berücksichtigt.
Deswegen schreibt Guérot über die FAZ: „Diese Texte zielen meines Erachtens im Wesentlichen nicht auf einen ,Plagiatsverdacht‘, sondern auf viele andere, zum Teil abenteuerliche politische Unterstellungen, die bis an die Grenze der persönlichen, öffentlichen Diffamierung reichen. Die Mischung aus Wahrheit, Halbwahrheit und glatter Lüge, die Vielzahl der Quellen, das offensichtliche Durchkämmen aller Veröffentlichungen, meiner Auftritte, all das spricht eher für eine professionelle Desinformations- und Zersetzungskampagne.“