Tichys Einblick
"Professionelle Zersetzungskampagne"

Universität Bonn trennt sich von „umstrittener“ Professorin Ulrike Guérot

Die Universität Bonn hat sich von der Professorin und Autorin Ulrike Guérot getrennt. Die Universität bezieht sich dabei auf Plagiatsvorwürfe. Doch der Verdacht steht im Raum, dass es sich um das Ende einer Kampagne handelt.

IMAGO / teutopress

Im Jahr 2021 hat die Universität Bonn den Lehrstuhl für Europapolitik an Guérot vergeben. Die Autorin hatte sich zu dem Zeitpunkt unter anderem öffentlich damit hervorgetan, sich für eine „Europäische Republik“ auszusprechen, in der die früheren Nationalstaaten aufgelöst würden. Da stand Guérot noch mitten in der Mehrheits-Gesellschaft. Auch wenn damals schon die Vorwürfe aufkamen, dass sie und ihr Co-Autor Robert Menasse in dem „Manifest für die Begründung einer Europäischen Republik“ 2013 wissenschaftlich unsauber gearbeitet, Zitate herbeigebogen hätten. Damals gab sie dem Co-Autoren die Schuld an den Fehlern. Aber auch zu ihrem Werk „Warum Europa eine Republik werden muss!“ aus dem Jahr 2016 gab es Vorwürfe – dieses Mal der Vorwurf des Plagiats. Unter anderem mit diesem Buch begründet die Uni nun die Trennung.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Guérot wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Ihr wichtigstes Argument lautet: Die angeführten Bücher und die Vorwürfe seien der Universität bei der Berufung 2021 schon bekannt gewesen. Damals habe niemand an der Arbeit Anstoß genommen, zumal diese Bücher nicht den Anspruch erhöben, wissenschaftliche Arbeiten zu sein. Guérot vermutet hinter der Abberufung eine Kampagne gegen sie. Für diese These gibt es Indizien. Seit der Pandemie hat sich Guérot abweichend von der Mehrheitsmeinung der Medien- und Politlandschaft geäußert. Sie hinterfragte die Legitimität der Corona-Maßnahmen und äußerte Verständnis für die Motive des russischen Präsidenten Wladimir Putins beim Einmarsch in die Ukraine.

Wer von der Mehrheitsmeinung in Medien- und Politlandschaft abweicht, braucht heutzutage ein schnelles Pferd. Und ein ausdauerndes: Das Studentenparlament beschloss, Guérot solle sich zum Thema Ukraine-Krieg nicht mehr öffentlich äußern. Der NDR lud sie nicht mehr für eine Sachbuch-Kommission ein. Und die FAZ nahm sich ihre Bücher vor. Ähnlich wie bei Hans-Georg Maaßen und dem Beck-Verlag zielte das einstige Flaggschiff der konservativen Medien mehrfach auf einen „umstrittenen“ Autor. Wobei „umstritten“ ein Chiffre für „der hat eine andere Meinung“ ist. Die FAZ verknüpfte in ihren Texten denn auch die wissenschaftliche Kritik an Guérots Büchern mit der Kritik an ihren politischen Äußerungen.

Die bisherige Professorin für Europapolitik wehrt sich nun gegen ihre Universität. Mit der Androhung einer einstweiligen Verfügung verbot sie der Uni, die Behauptung weiterhin aufzustellen, die wissenschaftlichen Vorwürfe bezögen sich auf ihre Zeit an der Uni. Der Kommission, die sich nun mit ihrer Entlassung beschäftigen soll, hat sie ein Verteidigungsschreiben vorgelegt. Ein Schreiben, das zudem zeigt, dass die Angriffe der letzten zwei Jahre nicht spurlos an der „umstrittenen“ Autorin vorbeigegangen sind.

#friedlichzusammen
Ulrike Guérot in Berlin: Kein Verlass mehr darauf, dass man uns unsere Rechte zurückgibt
In diesem Schreiben führt Guérot an, dass sie sich im Dezember krank gemeldet habe und dass sich ein Kollege über eine „angebliche“ Krankheit in diesem Zusammenhang geäußert habe. „Verschiedene Institutionen“ der Universität Bonn hätten sie in jüngster Zeit gemobbt und öffentlich angefeindet. Der Kontakt mit der Uni sei für sie daher mittlerweile „schwierig“. Anfeindungen wie diese würden „psychosomatische und seelische Spuren“ hinterlassen.

Als die FAZ erstmals über Plagiatsvorwürfe berichtet habe, habe Guérot eine Anfrage der Zeitung beantwortet. Demnach hätte sie die betreffenden Autoren in indirekter Rede zitiert, sodass diese für eine nicht wissenschaftliche Arbeit ausreichend gekennzeichnet gewesen wären. Außerdem habe sie nach der Anfrage die betroffenen Autoren, so weit es ging, kontaktiert und diese hätten ihr bestätigt, dass Guérots Vorgehensweise für sie in Ordnung gewesen sei. Die Zeitung hätte diese Einwände aber in der Berichterstattung nicht berücksichtigt.

Deswegen schreibt Guérot über die FAZ: „Diese Texte zielen meines Erachtens im Wesentlichen nicht auf einen ,Plagiatsverdacht‘, sondern auf viele andere, zum Teil abenteuerliche politische Unterstellungen, die bis an die Grenze der persönlichen, öffentlichen Diffamierung reichen. Die Mischung aus Wahrheit, Halbwahrheit und glatter Lüge, die Vielzahl der Quellen, das offensichtliche Durchkämmen aller Veröffentlichungen, meiner Auftritte, all das spricht eher für eine professionelle Desinformations- und Zersetzungskampagne.“


Die mobile Version verlassen