Annalena hat sich angelegt, und das mit keinem Geringeren als Ilham Alijew, dem aserbaidschanischen Staatspräsidenten. Der Diktator mit Personenkult-Ambitionen war sicher enttäuscht von Baerbocks Aufmucken während seiner Weltklimakonferenz in Baku. Eben! So gehört es sich ja wohl, wenn man bei Erdöldiktatoren zu Gast ist, mag Baerbock bei sich gedacht haben. In einem Statement in englischer Sprache beklagte die Ministerin, dass gerade die „verletzlichsten Staaten“ – vor allem die von ihr oft beflogenen kleinen Inselstaaten – von den „wenigen neuen reichen Fossiltreibstoff-Emittenten“ übers Ohr gehauen und abgezockt würden.
Nun bleibt unklar, wen Baerbock überhaupt meint, wenn sie von „Emittenten“ spricht, aber dieselben stehen laut ihr unter dem Schutz der Konferenz-Präsidentschaft. Die hatte ganz konkret der Alijew-Vertraute Muchtar Babajew inne, ein langjähriger Mitarbeiter des staatlichen Ölkonzerns SOCAR. Sind das nun schon Verschwörungstheorien aus grünem Ministermund? Dunkle Mächte über Baku? Wie hatte es so weit kommen können, dass nun schon die zweite Weltklimakonferenz in einem Erdöl-„Emittenten“-Land stattfand? Ihre Kritik brachte Baerbock eine Redezeit lange nach Mitternacht ein, irgendwann in den frühen Morgenstunden. Bild weiß von 4:42 Uhr.
Das sind Machtspielchen, an denen sich Baerbock damit erfolgreich beteiligt hat. Aber die Frage, wer diese „Fossiltreibstoff-Emittenten“ nun eigentlich sein sollten, bleibt politisch interessant. Meinte Baerbock damit also die Schürfer und Exporteure fossiler Treibstoffe wie Aserbaidschan oder die Golfstaaten? Oder doch jene neureichen Ex-Entwicklungsländer, auf die das Wort „Emittent“ schon deshalb besser passt, weil sie auch wirklich CO2 emittieren und nicht nur dessen Vorprodukt exportieren? Das sind die Rätsel, die auch bei internationalen Beobachtern immer bestehen bleiben, sobald diese Außen- und anscheinend auch Weltklimaministerin das Wort ergreift.
Der Abstand zwischen Wollen und Können bleibt – wie immer bei Baerbock – gewaltig. Und dann kommen weitere Fährnisse dazu. Denn ihr bissiges Statement zur Conference of Parties (COP) von Baku hat sie für ihren X-Account flink vom Englischen ins Deutsche bringen lassen und uns so ein neues Festspiel der Stilblüten beschert.
Ist das noch Ernst oder schon der Parodie-Account?
Für kurze Zeit wurde man sich unsicher, ob es sich um den Parodie-Account oder um das Original handelte. In dieser Tweet-Serie zeigt sich die ganze ungelenke Verstörtheit Baerbocks über das Ergebnis des Klimagipfels in Baku. Schon der erste Satz sitzt, wackelt und hat Luft: „Wir befinden uns … inmitten eines geopolitischen Machtspiels einiger der fossilen Staaten“, heißt es da in pathetischen, schiefen Metaphern. Geopolitisch! Machtspiel! Das ist Baerbock unheimlich, aber auch wieder genehm. Und dann ihr Lapsus von den „fossilen Staaten“, der aber wiederum so normal sein dürfte in ihrer grünen Blase. So redet doch auch Vielflieger-Luisa sonst immer, vom Krieg gegen das „fossile“ Russland und dergleichen.
Doch Baerbock ist Teil der Bundesregierung. Der Spott über diese neue sprachliche Entgleisung der Ministerin fand daher fast kein Ende. Es konnten wohl nur Dinosaurier oder andere fossile Echsen sein, die da Brettspiele auf dem „Rücken der ärmsten & verletzlichsten Länder“ spielen. Baerbocks Metaphern-Verwirrspiel reicht hier schon fast an eine SM-Phantasie heran.
Und natürlich ist Baerbock – mit ihren sinnlosen Kurz-, Nacht- und PR-Flügen zu Fußballspielen im „fossilen Staat“ Dubai – vor allem auch selbst eine sehr gute Kundin der Fossil-Industrie, die sich auch nicht zu schade für malerische Portraits im edlen Salon auf 7000 Meter Höhe ist.
Aber das war noch nicht das Schlimmste an diesem typisch baerbockischen Thread: Im nächsten Satz spricht die Ministerin schon für die EU als Ganzes. „Als EU stellen wir uns dagegen, dass der Weg von Dubai hin zu Klimagerechtigkeit aufgegeben wird.“ Baerbock tut so, als könnte sie für alle Außen- oder Umweltminister der EU-Partner sprechen. Und sie hat vermutlich Glück, weil ihre Worte ohnehin nicht mehr so ernst genommen werden im europäischen Rahmen.
Kunst der Einigung bei abwesendem Konsens
Vor allem bräuchte es hier etwas Ehrlichkeit von Baerbock, was die Weltklima-Ergebnisse vom letzten Jahr angeht: Schon in Dubai war der Konsens keineswegs so groß, wie das Schlussdokument es aussehen ließ. Die dortige Konferenzleitung, also der zuständige Minister der Vereinigten Arabischen Emirate – wieder so ein „Emittenten“-Staat – hatte ursprünglich ein Abschlusspapier vorgelegt, in dem gar keine Rede vom verpflichtenden Ausstieg aus den „fossilen Energien“ war und der Ausbau der „erneuerbaren Energien“ auch nicht als allgemeines Ziel ausgerufen wurde.
An beidem hatten die teils sehr reichen arabischen OPEC-Länder naturgemäß kein Interesse. Erst in der zähen Schlussrunde einigte man sich auf einige hochfliegende Ziele: Von einer „Verdreifachung der weltweiten Kapazitäten an erneuerbaren Energien bis 2030 und einer Verdopplung der Energieeffizienz im gleichen Zeitraum“ wusste die Tagesschau, und von der geplanten „Abwendung“ von fossilen Brennstoffen, alles eben eher in der Zukunft als in der Gegenwart. Aber das waren nur Kompromissformeln zwischen Westlern, dem Öl-Halbmond und dem Entwicklungs-Süden. Und man darf die kurze Zwischenfrage stellen: Ist so eine Weltklimakonferenz vielleicht nur ein Schneeballsystem, bei dem immer höhere Klima-Gewinne in der Zukunft versprochen werden, die aber umgehend (von einigen ausgesuchten wenigen) bezahlt werden müssen.
In westlichen Hauptstädten glaubte man dem scheinbaren Kompromiss gern, es war aber nur orientalische Verstellung und Kunst der Einigung bei abwesendem Konsens. Baku hat gezeigt, woher der Wind wirklich weht: Die „Entwicklungsländer“ der „globalen Südens“ sind nur bereit, an den vom Westen erdachten Zielen mitzuwirken, solange der Westen auch dafür zahlt. Und das heißt im Klartext, solange die Europäer und vielleicht noch Kanada einzahlen und alle anderen profitieren, einschließlich Indien und China.
Und nun ist es in der Tat Indien, das nach der Schlussrunde von Baku gegen den präsentierten Kompromiss rebellierte. Für „Entwicklungsländer“, zu denen sich auch die Mondraketenmacht im Format eines Subkontinents zählt, sollen „nur“ 300 Milliarden Dollar jährlich an Klima-Hilfen mobilisiert werden, und das auch nur ab dem Jahr 2035, also rund zehn Weltklimakonferenzen später. Man könnte das nett als holdes Nichts umschreiben, als Luftspiegelung in der Zukunft. Aber auch diese herabgedimmten Zahlen werden sich irgendwann in europäischen Haushalten abdrücken. Das arme Portugal oder Griechenland werden dann für das reiche China und Saudi-Arabien zahlen dürfen.
Die ursprünglich anvisierten 1,3 Billionen Dollar entfallen derweil oder werden zu lieben Bitten an öffentliche und private Spender. Sie sollen laut Abschlussdokument bis 2035 (dann aber jährlich) von der Weltgemeinschaft gestemmt werden. Aber das ist dem „armen“, aber fossil immer reicheren Gas- und Ölhändler Indien zu lange hin, und die jetzt versprochenen 300 Milliarden sind ihm zu wenig. So eine Weltklimakonferenz nimmt immer mehr den Charakter einer Versammlung mäkeliger, anspruchsvoller Kinder an. Nur ist daran eben (ebent!) der Westen schuld, vor allem die EU-Gewaltigen. Sie haben der einstigen Dritten Welt, dem heutigen „globalen Süden“ erzählt, dass das Weltklima gerettet werden muss, und ihm beigebracht, dass die reichen Staaten dafür zahlen werden.
Weltklimakonferenz – nur eine Selbstknechtung des Westens
Schon 2023 klagte UN-Generalsekretär António Guterres, die Begrenzung auf einen Temperaturanstieg von 1,5 Grad sei nur mit einem generellen „phase out“ der fossilen Energien möglich, also dem völligen Verzicht auf sie. Die Fossil-Ära müsse mit „Gerechtigkeit und Gleichbehandlung“ (justice and equity) enden. Doch Guterres meinte schon damals Ungleichbehandlung: Europa soll auf CO2-Ausstoß verzichten, damit China mehr Kohlekraftwerke bauen kann. Guterres bleibt auch heute bei seinen Maximalforderungen und gibt sich weiterhin unbesiegt – und doch ist er unterlegen, und mit ihm die gesamte Klima-Lobby: „Ich empfehle allen, sich für maximalen Ehrgeiz und Gerechtigkeit einzusetzen. Geben Sie nicht auf. Die UNO ist an Ihrer Seite. Unser Kampf geht weiter.“ Klingen so die Worte eines ehrlichen Maklers? Nein, Guterres ist hier – wie an vielen anderen Stellen – eher der Propagandist einer bestimmten Sache, die nicht notwendig die Sache der Bürger ist.