Eines muss man dieser Fortschrittskoalition, die Deutschland angeblich zum perfekten Einwanderungsland machen wollte, lassen: Sie verfolgt ihre Ziele durchaus mit Hartnäckigkeit, auch wenn dieser mittelalterliche Spruch von „was auch immer du tust, sei klug und bedenke das Ende“ dabei nicht zu ihren Stärken gehört. Die Folgen der Migrationspolitik dieser Ampel kann man im neuesten ARD-Deutschlandtrend erkennen.
Laut der öffentlich-rechtlichen Meinungsumfrage von Ende September sehen 64 Prozent der Befragten heute „eher Nachteile“ bei der Zuwanderung. Im Mai waren es noch 54 Prozent. Verändert hat sich wohl vor allem die Einstellung der SPD-, Unions- und FDP-Anhänger, denn die Grünen-Fans (die allerdings weniger geworden sind) sehen noch immer zu 68 Prozent eher Vorteile, während AfD-Unterstützer zu 93 Prozent eher Nachteile erkennen.
Wiederum 64 Prozent aller Befragten sprechen sich für die Aufnahme von weniger Migranten (gemeint: Asylbewerbern oder Flüchtlingen) aus. Auch dieser Meinung waren im Mai erst 52 Prozent. Die Anstiege sind beträchtlich und werden wohl noch für einige Zeit aktuell bleiben. Eine weitere Folge: In der Umfrage zur Beliebtheit der Politiker war Alice Weidel erstmals beliebter als Nancy Faeser, die in ihrer Wertung abgestürzt ist.
Auch bei den konkreten Fragen lässt sich der Handlungsbedarf erkennen: 82 Prozent der Befragten fordern stärkere Grenzkontrollen, 77 Prozent Migrationsabkommen (also Abschiebungsdeals) mit afrikanischen Staaten, 69 Prozent die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer, was die Grünen bisher standfest ablehnen. Aber auch die Grünen-Anhänger stimmen den genannten Forderungen zum Teil zu. 80 Prozent aller Befragten glauben, dass Abschiebungen in Deutschland eher oder sehr schlecht funktionieren. 70 Prozent glauben nicht an eine zeitnahe „europäische Lösung“ des Problems. Das führt dazu, dass 61 Prozent der AfD-Anhänger eine nationale Lösung anstreben, und das sahen immerhin 28 Prozent der CDU-Anhänger genauso, 26 Prozent waren es bei den Unterstützern der FDP.
Gedrehter Meinungswind weht Billig-Angebote in die Schaufenster
Der Meinungswind hat sich gedreht, und es war nur eine Frage der Zeit, wann die politischen Segelschiffe – auch Parteien genannt – beidrehen. Sie tun es nun, aber man kann darüber streiten, wie ernstgemeint das ist. Immerhin: Olaf Scholz will kein Steuergeld mehr direkt in Offene-Grenzen-NGOs auf dem Mittelmeer investieren. Die Grünen wollen angeblich mehr Leute abschieben (und betonen doch, dass Duldungen in Ordnung wären).
Auch in den oberen Reihen von CDU und FDP ist angekommen, dass eine stattliche Minderheit der eigenen Unterstützer – neben vielen, die die AfD wählen würden – sich eine Lösung wünschen, die vom Deutschen Bundestag beschlossen wird – und nicht in einem „EU-Trilog“, bei dem ohnehin niemand weiß, was er am Ende bringt.
Jede der älteren Parteien hat inzwischen ein paar besonders billige Sonderangebote in ihren Prospekt aufgenommen. So will die FDP die Prepaid- oder Bezahlkarten für Asylbewerber einführen. Das ist sozusagen die moderne freidemokratisch-digitalisierte Variante der alten Sachleistungen. Daneben steht aber auch die direkte Überlassung von Sachen – wie Handy-Karten, Fahrkarten für Bus und Bahn – auf dem FDP-Zettel, den es immerhin gibt.
Schon seit einiger Zeit gibt es Bezahlkarten-Pläne in Bayern, Hamburg und Hannover. Den Asylbewerbern soll ihr „Taschengeld zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs“ in elektronischer Form bereitgestellt, einlösbar in noch zu bestimmenden Geschäften. Zur Anwendungsreife scheint das System aber noch nirgendwo gekommen zu sein.
Wenn die Grünen dagegen sind, kann es vielleicht nicht ganz schlecht sein
Erstaunlich heftig ist an dieser Stelle der Gegenwind der Grünen. Für sie hatte der Pro-Asyl-Aktivist und grüne Ex-Kandidat zum Bundestag, Tareq Alaows, schon im August „große datenschutzrechtliche Bedenken“ gegen die E-Karte geäußert und schlichtweg gefordert: „Am einfachsten für alle Beteiligten ist die Möglichkeit für alle Geflüchteten, ab Tag eins der Ankunft ein Bankkonto zu eröffnen.“
Nun kommen erstaunliche Töne aus der grünen Bundestagsfraktion: Das FDP-Modell sei zu bürokratisch, sagte nun Fraktionsvize Andreas Audretsch. „Mitarbeiter der Kommunen sollten ihre Kraft darauf verwenden können, die Lage vor Ort gut zu regeln“, so der allzeit besorgte Audretsch – als wären sie für die Asylbewerberfürsorge gewählt worden. Mit Supermarktketten sollen sie jedenfalls nicht zusätzlich verhandeln müssen. Die Grünen haben das Bürokratie-Monster für sich entdeckt, das heißt, sie haben es von der moribunden Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) übernommen, die als erste dieses Argument brachte.
Aber merkwürdig, es ist kaum ein Vierteljahr her, da dozierte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor, in der Welt, Bezahlkarten seien in erster Linie eine Maßnahme, um die Verwaltung zu entlasten. Damals war die Grünen-Position noch: Alles nur nicht „die stigmatisierenden Gutscheine“, denn im Gegensatz dazu sollten die Bezahlkarten „weiterhin größtmögliche individuelle Freiheit“ ermöglichen und die Bewerber nur in wenigen Ausnahmen einschränken. So die allzeit besorgte Grünen-Sprecherin: „Wichtig ist, dass es bei diesen wenigen Ausnahmen bleibt, um den ohnehin schon stark regulierten Alltag der Menschen in Asylbewerbereinrichtungen nicht noch weiter zu erschweren.“ Man kann aus all dem nur mitnehmen: Wenn schon die Grünen gegen einen solchen Vorschlag sind, dann kann er vielleicht nicht ganz schlecht sein.
So ist es kein Wunder, wenn die Ampel-FDP ziemlich über die Ampel-Grünen jammert, wie nun der Vize-Fraktionschef Christoph Meyer in der Bild: „Die Grünen blockieren, wo sie nur können, eine realistische Migrationspolitik. Unser Sozialstaat lockt illegale Migranten nach Deutschland, das muss ein Ende haben.“ Die Regierungsgrünen tun das freilich im Auftrag ihrer Parteimitglieder, die ein noch abgedrehterer Club zu sein scheint. Die Regierungsmitglieder übergingen die Partei, wenn sie „solche Kompromisse“ mittrügen, hört man da von einer Sprecherin Bundes-AG Migration und Flucht. Eines der Lieblingsthemen der lokal-globalen Grünen droht gerade einfach abgeschafft zu werden. Doch so schnell wird das nicht gehen.
Scholz soll wie Kamala Harris sprechen
Die CDU hat sich derweil ein anderes Steckenpferd gesucht, will einerseits Kanzler Scholz ‚stellen‘ und ihn zu einer Kamala-Harris-artigen Rede anspornen – als ob die Worte „Bitte kommt nicht“ in den Staaten irgendetwas geändert hätte. Aber Friedrich Merz will es vom SPD-Kanzler hören, was Merkel nie über die Lippen gekommen wäre: „Dass Deutschland nicht mehr in der Lage ist, Menschen ohne Asylgrund aufzunehmen.“
Immerhin scheint Merz aber verstanden zu haben, dass von der EU keine Hilfe im Kampf gegen die Massenimmigration zu erwarten ist. So setzt er einen Schwerpunkt auf die Leistungen für abgelehnte, geduldete Asylbewerber und spricht von einer „grundsätzlichen Begrenzung der Transferleistungen für abgelehnte Asylbewerber“. Nach 18 Monaten stiegen die Leistungen für Asylbewerber (egal ob abgelehnt oder nicht) derzeit stark an. Diese Wartefrist will Merz auf drei Jahre verdoppeln. Auch den Zugang zum Gesundheitssystem will er einschränken. Wird es kommen? Erst mal nicht, denn Boris Rhein koaliert in Wiesbaden mit den Grünen, während Söder sich die obrigkeitsstaatliche Pseudo-Öko-Bewegung schon lange eingekörpert hat.
Die Pointe zur Merz-Position ist übrigens: Viele abgelehnte Asylbewerber dürfen hier bleiben, weil sie an einer Krankheit leiden, die in ihrem Herkunftsland nicht genauso gut behandelt werden kann. Quod erat demonstrandum: Ja, sie können sich die Zähne machen lassen. Und nein, das bedeutet nicht kosmetische Operationen, sondern solche an der oftmals schon stark geschädigten Zahnsubstanz. Da sind dann schon einmal Generalsanierungen auf Einzahlerkosten im möglich. Aber die Kur dieses Mißstands müsste viel grundlegender ausfallen als alles, was Merz vorschlagen und mit seiner CDU umsetzen kann.
Und was hat die SPD? Sie hat eine Faeser, die allerdings niemals als Werbeträger fungieren kann, was sie dann doch von ihrem SPD-Vorgänger Otto Schily unterscheidet. Faeser erscheint, je länger sie im Amt ist, umso mehr verstrickt in jene merkwürdige SPD-Antifa-Kultur, der Deutschland und seine Bürger am Ende ziemlich egal sind. Das wird sich ohne Zweifel auch an den hessischen Wahlurnen zeigen. Dumm gelaufen für die Ministerin, die das Amt dann vielleicht lang genug gehabt hat. Dumm gelaufen aber auch für die deutschen Bürger, die zwei Jahre umsonst auf irgendeine Innenpolitik von Format gewartet haben.