Gab es eigentlich jemals einen Polizeifilm, der das Klischee des guten und des bösen Bullen nicht selbst enttarnte und auf einer Metaebene kommentierte? Wenn nicht, dann kann man dieses Rollenspiel in bierernster Reinkultur nun zumindest auf politischer Ebene Tag für Tag erleben. Während uns lange Zeit die „guten Cops“ unter den Klimarettern auf eine grüne Utopie einstimmten, ist es nun die Aufgabe der „bösen Cops“ – wie zum Beispiel den kreischenden Klima-Extremisten –, uns auf die harte Realität des grünen Umbaus einzustimmen.
Es gibt aber noch immer eine Zielgruppe derer, die pseudo-intellektuellen Parolen aus der Klassenkampf-Ära nachweinen und sich linke Intellektuelle wünschen, die mal Tacheles reden. Auftritt Ulrike Herrmann.
Die Überbringerin schlechter Neuigkeiten, die keine sind
Ulrike Herrmann bedient diese Nische. Mit einer Ausbildung zur Bankkauffrau, sowie einem Geschichts- und Philosophiestudium im Gepäck – der beste Garant für radikal linke Ideologie bis zur Erfindung der Gender Studies –, war sie prädestiniert, zur Wirtschaftschefin der taz zu werden. Mit ihrer „Ich sach euch jetzt mal, wie’s wirklich ist“-Attitüde versprüht sie bei ihren Redeauftritten schon seit Jahren zuverlässig Hörsaalbesetzer-Romantik und erklärt dem Publikum dabei meist in Bausch und Bogen die ganze Geschichte.
Den Kapitalismus findet sie ja eigentlich ganz toll. Das tat Marx nebenbei auch, was ihn aber nicht daran hinderte, die vermeintliche Evolution des Kapitalismus zum Sozialismus hin zu fordern. So weit geht sie aber gar nicht. Ihr Geschichtsbild beschreibt die gesamte prä-kapitalistische Menschheitsgeschichte zu einer endlosen Stagnation, in der die Baden-Württemberger um 1800 praktisch genauso lebten, wie die antiken Römer und Menschen früher bereits konsequent mit 40 starben. Das alles wird mit einer Selbstverständlichkeit und Eile vorgetragen, die jeglichen Einwand a priori verbietet. „Psst…, nicht stören, sie ist im Fluss“, so zischt es einem vor dem geistigen Ohr.
Lange Jahre haben grüne Politiker, angefangen von der ehemaligen Kanzlerin Merkel bis hin zu Habeck & Co., die Energiewende in Deutschland mit Versprechungen eines grünen Wachstums verbunden, einer utopischen Welt in der alles gut – nein, besser! – wird, wenn wir erst einmal auf Wind- und Solarenergie umgestiegen sind. Diese Politiker waren und sind die „guten Bullen“, ihre Funktion liegt darin, den Warnern einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sie versprühen Hoffnung, guten Willen und die Bereitschaft, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen, „es ginge nur halt so nicht weiter“.
Gegner der Energiewende haben das eigentlich schon immer vorhergesagt, sie werden dafür aber bis heute diffamiert. Ihnen fehlt es offensichtlich an der korrekten Gesinnung. Denn wenngleich Herrmann richtigerweise die Ineffizienz sogenannter erneuerbarer Energie feststellt, ist der Weg in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit Europas für sie dennoch alternativlos – wie es im besten Deutschland aller Zeiten so schön heißt.
Milchmädchenrechnung 2.0: „Einmal 1978, aber ohne alles!“
Sieht man sich allerdings Herrmanns Berechnungen im Detail an, so erweisen diese sich ebenso als Milchmädchenrechnungen, wie die der optimistischen „guten Bullen“. Eine ihrer bekanntesten Forderungen ist, Deutschland müsse in Sachen Energieverbrauch zurück auf das Niveau von 1978. Dazu müsste man diesen um 50 Prozent reduzieren. Oder um 30 Prozent, das spielt jetzt erstmal keine Rolle, wie sie vor einigen Monaten bei Markus Lanz meinte. Man merkt: Hier spricht die Wirtschaftsexpertin.
Verkauft wird uns diese Version mit einem Hauch Nostalgie und falschen Analogien. Damals kam Star Wars in die Kinos und Fußball-WM war auch – Boomer-Nostalgie pur also! Dass damals zwar auch die Concorde den Flug von Paris nach New York in unter 4 Stunden schaffte und Autos ohne Katalysatoren einen weitaus höheren Benzinverbrauch hatten als moderne Motoren, wird dabei aber nicht thematisiert.
Selbst eingefleischte Anhänger der Grünen geraten hier ins Grübeln. Aber Herrmann verkauft diese Ideen mit dem Selbstbewusstsein einer Intellektuellen, dass man meinen könnte, Hannah Arendt wäre von den Toten auferstanden. Nur ohne die tatsächliche Kompetenz halt. Denn Herrmann wischt Bedenken vor allem mit großen Gesten vom Tisch. Wohin mit all den Arbeitslosen, wenn die unterschiedlichen Wirtschaftszweige aufgelöst werden? Kein Problem, Arbeit wird es genug geben, denn der Ausbau und Unterhalt der erneuerbaren Energien wird viele neue Jobs schaffen. Wie das mit der Installation riesiger Windräder aber funktionieren soll, wenn die Zementindustrie abgeschafft wurde, erfahren wir ebenfalls nicht.
Da auch die industrielle Landwirtschaft der Vergangenheit angehören wird (was könnte schon schief gehen?), werden auch wieder reihenweise landwirtschaftliche Hilfskräfte benötigt, um im Schweiße ihres Angesichts die Äcker zu pflügen. Dabei käme im Endeffekt aber auch weniger Wertschöpfung bei rum, den Menschen bliebe von der Arbeit also auch weniger Geld am Ende des Monats. Die Erklärung, wie Herrmann uns bei so viel Nostalgie an die gute, alte Zeit davor bewahren möchte, dass die Lebenserwartung angesichts einer energiepolitischen Mangelwirtschaft nicht auch wieder in Richtung der von ihr angeführten 40 Jahre tendiert, bleibt sie uns leider ebenso schuldig.
Das alles klingt nicht mehr wirklich nach 1978, Twinni und Star Wars, sondern erinnert vielmehr an sozialistische Gesellschaftsmodelle. Denn der Hinweis auf die britische Kriegswirtschaft verrät bereits, dass Herrmann bei der Umsetzung ihrer Pläne auch durchaus auf Zwang zu setzen bereit ist. Das spricht sie in ihrem Buch zwar nicht direkt an, gibt aber zu, dass, wo der Staat den Verzicht des Bürgers sicherstellen muss, von Sozialismus die Rede sein muss.
Grundlegende Illusionen über natürliche Gleichgewichte
In einem kürzlich erschienenen Artikel in der taz kritisiert Herrmann den „guten Cop“ Robert Habeck für sein illusorisches Projekt, Namibia massenhaft mit Solarpanelen zupflastern zu wollen und diese Energie dann nach Deutschland zu importieren. Wie man es aber dreht und wendet, die vermeintlich „grüne Energie“ ist mindestens 10-mal so teuer wie ihre fossilen Äquivalente. Sie ist und bleibt ein Luxusgut, das Menschen weltweit aufgezwungen werden soll und unvermeidlich zu deren Verarmung führen würde. Armut führt aber automatisch dazu, dass der Schutz der Umwelt auf der Prioritätenliste der Menschen hinter die Notwendigkeiten des Lebens zurücktritt. Umfassender Wohlstand durch billige Energie ist hingegen die beste Garantie dafür, dass Menschen auch auf ihre Umwelt Rücksicht nehmen.
Herrmann entlarvt zwar die energiepolitischen Lügen der „guten Bullen“ aus der Politik als Milchmädchenrechnungen, ersetzt sie aber durch ihre eigenen. Damit ist sie womöglich noch gefährlicher als jene, die grüne Luftschlösser bauen. Denn während Letztere bereits im Begriff sind aufzufliegen, verspricht Herrmanns „grünes Schrumpfen“ einen ausbalancierten Zustand der Harmonie mit der Natur, in dem der Mensch nach erfolgtem Verzicht leben könnte. Herrmann verkennt die Natur als eine austarierte Waage, auf der der grüne Mensch balancieren könnte, doch das Gleichgewicht der Natur besteht aus einem ständigen Überlebenskampf, einem Pendeln dieser Waage.
Auf diese Pendelbewegungen wäre die geschrumpfte Gesellschaft aber bei weitem weniger gut vorbereitet als heutzutage, was mit einer Wiederkehr von Krankheiten, Hunger und massiven gesellschaftlichen Unruhen einherginge. Die Gefahr, die von Herrmanns Theorien ausgeht, liegt darin, dass man in der Hoffnung auf ein utopisches Gleichgewicht dieses Schrumpfen solange in Kauf nehmen würde, bis es zu spät wäre und wir den Folgen nahezu schutzlos ausgeliefert wären.
Aber: Zumindest um den „guten Bullen” ihre Lügen um die Ohren zu hauen, ist Herrmann ein gutes Mittel zum Zweck. Letztendlich führt aber kein Weg daran vorbei, die grundsätzliche Lüge der Weltenrettung durch CO2-Einsparung zu bekämpfen. Solange all diese Lügen rund um Klimarettung und Atomenergie fortbestehen, werden die Rollenspiele der Revoluzzer uns weiterhin um die Ohren fliegen.