Hysterien können einzelne erfassen, aber auch ganze Staaten. Schlimm wird es, wenn sich eine gewisse Mentalität breitmacht, in der dann auch Recht und Gesetz nichts mehr gilt, die ein Recht unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, ein Recht eigener Ordnung errichtet – und ein Recht eigener Ordnung nennt man seit eh und je Willkür. Schon immer glaubte ein Lynchmob, dass er zu den Guten, zu den Anständigen gehört, zuweilen sogar, dass er seine Zugehörigkeit zu den Guten und zu den Anständigen nur dadurch unter Beweis stellen kann, dass er sich öffentlich zu diesem bekennt.
Der helllodernde Sturm der Staatsentrüstung
Was ist also in Deutschland zu Pfingsten 2024 auf Sylt so Gravierendes passiert, das den helllodernden Sturm der Staatsentrüstung und den der öffentlich-rechtlichen Sender rechtfertigt? Wurden etwa eine Universität besetzt und antisemitische Parolen gerufen und an die Wand geschmiert? Wurde in der Universität randaliert, wurde gefordert, Israel kulturell und akademisch zu boykottieren, was letztlich impliziert, Juden kommen hier nicht mehr rein – oder sollte dieser ekelerregende, unfassbare Skandal nur schnell verdeckt, versteckt, weggeframt werden? Wurde am Ende nur etwas krampfhaft gesucht, das die Schande der Humboldt-Universität aus den Medien und aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt? Eine Schande, die auch die der Politik ist, die diesem Treiben etwas zu lange zugesehen hat.
Man kann inzwischen darauf wetten, dass der weitaus größere Skandal aus dem Bereich stammt, der mit „rechts“ umschrieben wird. Der Rechte muss immer herhalten, wenn links wieder etwas nicht stimmt. Und da es links wie rechts und auch in der Mitte genügend Deppen gibt, findet sich immer etwas.
Ein gut informierter Mitarbeiter der neuen Überwachungsszene wurde dann auch fündig: Eine überschaubare Gruppe junger alkoholisierter und erkennbar besser situierter Leute hat in Partylaune: nicht geraubt, nicht missbraucht, nicht genötigt, keinen Terroranschlag wie auf dem Breitscheidtplatz in Berlin verübt und niemand wurde krankenhausreif geschlagen. Die Handvoll junger Leute hat – wie man sehen konnte – unter Alkohol rassistische Parolen mehr gelallt als gesungen – und das gefilmt und offenbar wohl auch selbst verbreitet.
Die dort auf Sylt gegrölten rassistischen Slogans kämen einem normal Denkenden nicht über die Lippen. In diesem ganzen Zusammenhang muss man auch Folgendes wissen – und das hängt eng mit den Schattenseiten der „schönen, neuen Social-Media-Welt“ zusammen: Das so missbrauchte Lied mit dem rassistisch gegrölten Spruch wabert bereits seit etwa einem halben Jahr durch die sozialen Medien, seit Rechtsextreme in einer Diskothek in Mecklenburg-Vorpommern damit in die Öffentlichkeit und in die Ermittlungen des Staatsschutzes geraten waren. Hiernach wurde eben dieser Sound – Song und rassistisches Gegröle – aus diesem Video dann von Internet-Nutzern hergenommen und auf Clips von Rappern wie Fler, auf TikTok-Videos von grünen Politikerinnen wie Emilia Fester oder Katharina Schulze gelegt. Inzwischen sind diese Clips bei X weitestgehend wieder verschwunden. Auch auf Videos eines sich steif tänzerisch bewegenden Friedrich Merz im Rahmen eines CDU-Events wurde die Soundspur aus Mecklenburg-Vorpommern gelegt.
Nicht wenige Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund haben sich über diese Clips, diese Memes, im Netz amüsiert. Dass diese Vielzahl an Clips von vielen als lustig empfunden wurden, liegt vor allem daran, dass ein Übermaß an Moralisierung den Tabubruch, das Sakrileg als Gegenwehr produziert. Der Kampf der Rot-Grünen gegen die Rechten wird, wenn er weiter so im Übermaß und mit einer felsenfesten und allzu selbstgewissen Doppelmoral geführt wird, zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden, indem man das Übel, vor dem man warnt, erst erzeugt.
Denn, so schreibt der Migrationswissenschaftler Ruud Koopmans auf X: „Komisch nur, dass manche, die über „Deutschland den Deutschen“ zurecht empört sind, es ganz hip finden, auf arabisch mit „Palästina den Arabern“ mitzugrölen (so lautet ja die arabische Version von „from the river to the sea“). Doch schauen wir nicht auf die bestellte Empörung, sondern auf die verdrängte Realität in unserem Land.
Moralisieren erzeugt den Tabubruch als Gegenwehr
Mit der Unausweichlichkeit einer griechischen Tragödie bewegt sich Deutschland auf eine Zeit der Wirren und der Kämpfe zu. Es ist die grüne Politik, die grüne Unerbittlichkeit der sich selbst demokratisch nennenden Parteien, die diese Entwicklung vorantreibt. Die Grünen können nicht Grüne bleiben, wenn sie nicht alles daran setzen würden, ihre totalitären Weltbeglückungsideen durchzusetzen. Wir erleben den brutal vorangetriebenen Umbau der Gesellschaft von der Demokratie in die Gesinnungsdiktatur, von der Sozialen Marktwirtschaft in die Klimaplanwirtschaft.
Gerade hat BASF Stellenabbau und Werksschließungen in Deutschland verkündet, nun erfahren wir, dass der Waggonbauer Alstom seine Produktion aus Deutschland weg nach Polen verlagert. Die Ampel nennt es Regieren, Realisten nennen es Zerstörung, was diese Regierung betreibt, und zwar die Staatsfinanzen, den inneren Frieden, die Wirtschaft, den Wohlstand, die innere Sicherheit, die Infrastruktur. Gelabelt wird das alles durch die Utopie von der klimaneutralen Gesellschaft, die, umgesetzt, zur Dystopie wird. So war es immer. Und schon Stalin hämmerte die famose Theorie in die Köpfe seiner Mitstreiter ein, dass je erfolgreicher der Aufbau des Kommunismus voranschreitet, umso mehr Feinde sich gegen den Sozialismus erheben, die dann mit der ganzen Härte des Staates zu bekämpfen sind.
Nancy Faeser zeigt sich empört darüber, dass ein paar junge betrunkene Leute auf Sylt ein rassistisches Lied gegrölt haben, was in den letzten Monaten wie zuvor beschrieben zu einem Meme geworden ist – und was man durchaus als rassistisch, wohlstandsverwahrlost, komplett daneben einordnen kann. Die Bundesministerin scheint allerdings sehr viel Zeit zu haben, Zeit, die sie für die Eindämmung von wachsender Kriminalität oder von immer ausuferndem Judenhass auf deutschen Straßen oder an Universitäten nicht hat. Gerade eben wird wieder einmal mehr deutlich, dass verursacht durch eine unkontrollierte Migration immer mehr Mädchen und junge Frauen belästigt, genötigt, missbraucht werden, dass Frauen am späteren Abend und in der Nacht immer öfter aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Bei alldem geht es auch gleichermaßen um Mädchen und Frauen, die in diesem Land Schutz vor Bedrohung eben dieser Art suchen und erhoffen und immer öfter darin enttäuscht werden. Der Bundeskanzler, der viele Erinnerungslücken hat und sich zu fast allem tunlichst zurückhält, besitzt genügend Zeit, das unpassende Verhalten einer Handvoll junger betrunkener Leute zu kommentieren. Für sehr vieles andere findet er wenig überraschend weder Zeit noch Worte.
Dabei ist es doch inzwischen so durchschaubar wie auch dreist. Diese Regierung besteht nicht aus Machern, sondern aus Ideologen. Wenn die Regierung ein Problem in der Wirklichkeit hat, das sie nicht lösen kann, wie beispielsweise die Bauernproteste, zieht eines ihrer Medien irgendeine rechte Verschwörungsräuberpistole hervor, während alle anderen Medien, allen voran die Öffentlich-Rechtlichen, sofort eine Kampagne daraus machen, um in letzter Sekunde die Demokratie und die Meinungsfreiheit zu retten. Auffallend und seltsam daran ist nur, dass nach jeder dieser Kampagnen weniger Demokratie und auch weniger Meinungsfreiheit übrig bleibt.
Die Maßlosigkeit, mit der Vertreter aus Politik und Medien auf die Ereignisse in Sylt reagieren, während sie andere Fehlentwicklungen quasi totschweigen, erzeugt in diesem Zusammenhang eine sehr deutliche Abkehr und Abwehrhaltung auch bei politisch links stehenden Menschen.
Erschreckend ist, auf wie viele informelle Mitarbeiter die Regierung, vor allem die Grünen, zurückgreifen können, wie viele Denunzianten, wie viele Spitzel es in Deutschland wieder gibt, die auf der Lauer liegen, um zu sammeln und zu melden, was ihre Mitmenschen sagen, singen, essen, trinken, lesen und, wenn sie könnten, denken.
Mit Wonne zerstören diese und die vielen verantwortungslosen Politiker und Journalisten die Gegenwart und die Zukunft dieser jungen Leute. Man fragt sich, wo eigentlich die Energie des Bösen sitzt, das, wie wir von Hannah Arendt wissen, banal ist. Banal wie all diejenigen, die nichts anderes können, als ihre Mitmenschen anzuschwärzen.
Wenn die Partyentgleisung von Sylt zu einer Staatsaffäre wird, dann ist der Staat nur noch eine Affäre. Er verliert an Autorität – und Autorität ist das Gegenteil davon, Schrecken zu verbreiten.
Wenn man mit Kanonen auf Spatzen schießt, macht das viel Krach, doch die Spatzen fliegen davon und die Kanonenkugeln sind verschossen, wenn die wirklichen Feinde kommen – ob von rechts oder von links.