Tichys Einblick
Frontalzusammenstoß

Über Respektlosigkeiten und die hohe Kunst einer Pressekonferenz

Ernst Happel, der letzte große erfolgreiche Fußballlehrer des HSV (Deutscher Meister und Cup der Landesmeister 1983, heute Champions League genannt), blieb manchmal am Mikrophon einfach still.

Screenprint: Youtube/FC Bayern München

Da saßen sie nun und konnten nicht anders: drei der erfolgreichsten Spieler vergangener Tage, Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Hasan Salihamidzic, flankiert vom Bayern-Pressesprecher, Dieter Nickles, der, man glaubt es kaum, vom Anlass der anberaumten Pressekonferenz nichts gewusst zu haben schien.

Jedenfalls sorgte die FC-Bayern-Viererkette mit ihren Bossen aus dem Vorstand, sowie mit dem sympathischen Hasan Salihamidzic, für eine Medienschelte und Generalabrechnung ohnegleichen.

Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“, leitete Rummenigge den Konter ein. Sachlich, aber erkennbar aufgewühlt, so oft hörte man sein tiefes Durchatmen.

In den knapp fünf Minuten seiner Einleitung verteidigte Ex-Nationalstürmer Rummenigge auf dem Podium alle Bayern-Nationalspieler, zitierte gar das Grundgesetz mit „die Würde des Menschen ist unantastbar“ und fragte rhetorisch, ob es im Fußball andere Regeln und Gesetze gäbe. Man war fast versucht mit „Ja“ zu antworten, denn auch die Bayern teilten und teilen seit Jahrzehnten, oft anschuldigend mit Brachialgewalt gegen die Kontrahenten aus – ob auf dem Feld, oder gegen Funktionäre. Uli Hoeneß‘ „Abteilung Attacke“, wurde wiederbelebt – der Präsident scheint rehabilitiert zu sein seit seiner Steueraffäre. Hoeneß darf wieder über Moral und Ethik im Fußball sowie im Journalismus Stellung beziehen. Der Bayern-Boss (66) mit seiner „mia-san-mia“-Philosophie verteidigte zuallererst Jogi Löw, dem alle, auch die drei Herren von „N-TV“, jahrelang die Füße geküsst hätten.

Manuel Neuer, Hummels und Boateng wurden ebenso stark geredet, sowie Juan Bernat, der Abwehrspieler, der nach Paris wechselte, schlecht gemacht – von Hoeneß auf rustikale Art („auf Deutsch, er hat einen Scheiß gespielt“). Der Teammanager „Hasso“ nahm Trainer Kovac in Schutz und bekräftigte, dieser habe nie gewackelt, warum sich also öffentlich „Küsschen zuwerfen“, wenn alles passe? Alles?

Nun, der Rundumschlag und das Presseecho ist vernichtend, traf fast die ganze Medienzunft im Pressesaal der Bayern, einem fast sakralen Ort.

Das Niveau von Hoeneß und Rummenigge, eigentlich Profis, war grenzwertig. Journalistenkollegen wurden namentlich genannt und aufgezählt, und ja, verächtlich gemacht.

Der Springer-Verlag wurde generell kritisiert und gewarnt, man werde sich nicht mehr alles gefallen lassen. In Zukunft würde der FCB auch Gegendarstellungen einfordern.

Sind wir denn im Sport schon soweit wie in der Politik, fragt sich der Autor? Hörte man hier etwa unterschwellig „Lügenpresse“?

Starker Tobak. Rummenigge und Hoeneß hatten gegebenenfalls den Sponsorenauftrag, Negativpresse zu vermeiden. Einschüchterungsversuche? Na, dieser Schuss ging nach hinten los. Es ist fast unmöglich diese „PK“ wieder einzufangen.

Zum Abschluss die Anmerkung, ob in der Politik oder wie im Fußball, fast schon dasselbe, eine Pressekonferenz (PK) zu gestalten und zu „orchestrieren“, wird immer mehr zur Kunst in unserer schnelllebigen (Fake-)News-Zeit. In der Kürze liegt die Würze, und der Stil sowie Fakten müssen immer passen. Ob bei Steffen Seibert, dem Regierungssprecher, seit der Chemnitz-Demo oder eben dieser Bayern München-PK: Das „Wie“ ist entscheidend, die Worte und Sätze müssen angemessen und wahr sein, frei von jedem Bedrohungs-Potenzial. Umso mehr, wenn fast spontan angesetzt.

Was loben wir uns da die legendären PKs eines Trapattoni („Gespielt wie Flasche leer … Habe fertig“), beim FC Bayern, emotional authentisch, oder die von Trainer Klaus Augenthaler, abgehalten in 42 Sekunden („Die Fragen stelle ich, die Antworten gebe ich auch“).

Ernst Happel, der letzte große erfolgreiche Fußballlehrer des HSV (Deutscher Meister und Cup der Landesmeister 1983, heute Champions League genannt), blieb manchmal am Mikrophon einfach still.

Sein Motto: „Sag‘ ich nix, ist es nicht recht. Spreche ich viel, bekomme ich es zehnfach zurück.“

Das hat der FC Bayern diesmal wohl nicht in Betracht gezogen …


Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist. Seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.

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