„Ich denke, wir sind alle gut beraten zu versuchen, die Fronten eher zu enthärten, zu deeskalieren, den Dialog zu suchen“ – O-Ton, Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, am 14. Mai, als auf ihrem Campus anti-israelische Proteste stattfanden. Ein Tag später wütete ein X-Nutzer auf der Plattform gegen den angeblichen israelischen „Völkermord in Gaza“ – und Rauch, die sich sonst gerne als Kämpferin gegen Klimawandel, für das Gendern und „gegen Rechts“ inszeniert, versah den Tweet mit einem Herz. Sieht so ihre Form von Deeskalation aus?
Bereits zuvor hatte Rauch einen Tweet geliked, der über türkische Demonstranten für einen Waffenstillstand im Gazastreifen schrieb. Dazu ein Bild von der Demo mit einem großen Transparent, das den israelischen Premier Benjamin Netanjahu abbildet, blutrünstig dargestellt, mit Hakenkreuzen auf dem Shirt. Eine antisemitische Darstellung. Kein Problem für die TU-Präsidentin, gar ganz nach ihrem Geschmack?
Als die Sache öffentlich wurde, meldete sich das Uni-Präsidium, sprach mit Blick auf den zweitgenannten Like von einem „inakzeptablen Fehler“, von dem man sich „entschieden“ distanziere. Rauch selbst behauptete, sie habe den Demo-Tweet „wegen seines Textes geliked“ und das Bild dazu nicht wahrgenommen: „Ich möchte ganz ausdrücklich betonen, dass ich den Tweet nicht geliked hätte, wenn ich die antisemitische Bildsprache aktiv wahrgenommen hätte.“ Für den Fehler wolle sie sich „aufrichtig entschuldigen“. Auf den Völkermordvorwurf ging sie nicht ein, nahm ihn nicht zurück.
„Ich trete nicht zurück“
Und echte Konzequenzen? Fehlanzeige! Der Akademische Senat der Uni entschloss sich bei einer Sitzung am Mittwoch zu einem äußerst seltsamen Vorgehen: Er stellte keinen Abwahlantrag und bekräftigte, dass Rauch „keine Antisemitin ist“. Man sei „entsetzt über die mediale Hetze“. Gleichzeitig habe Rauch aber „unstrittig einen schwerwiegenden Fehler“ begangen. Und deshalb forderten in einem unverbindlichen „Meinungsbild“ 13 von 25 Senatoren ihren Rücktritt.
Am Donnerstag dann die nächste Runde in diesem kuriosen Trauerspiel, als die TU selbst auf ihrer Website verkündete: „Knappe Mehrheit für Rücktritt der TU-Präsidentin / Geraldine Rauch in ihrer Reaktion: ‚Ich trete nicht zurück.‘“ Besser hätte man den gesamten Irrsinn dieses Vorgangs nicht in eine Überschrift zusammenpacken können.
Rauch bleibt also im Amt: „Mich haben viele Aufrufe und Stellungnahmen erreicht, die mich auffordern zu bleiben.“ An ihren Fehlern wolle sie arbeiten und habe Maßnahmen „für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft“ genannt. Immerhin: Eine Sprecherin der Bundesregierung teilte am Freitag mit, dass Rauch künftig nicht mehr im sogenannten „Zukunftsrat“ die Regierung beraten soll.
Israel-feindliches Grundrauschen
Man muss Rauch nicht einmal unterstellen, eine echte Judenhasserin zu sein, um den ganzen Vorgang für unerträglich und skandalös zu halten. Es reicht schon, sich den Kontext zu vergegenwärtigen, in dem sich dieser Irrsinn abspielt: Seit Monaten ist an Universitäten weltweit und auch in Deutschland ein geradezu obsessiver Israel-Hass unterwegs, der häufig auch judenfeindliche Beweggründe hat, selbst wenn sie nicht offen benannt werden.
Über die ganz großen Eskalationen etwa an der Freien Universität und der Humboldt-Universität in Berlin ist viel geschrieben worden. Viele kleinere Vorgänge hingegen dringen gar nicht wirklich in die Öffentlichkeit: An der Uni Bonn zum Beispiel projizierten Aktivisten gerade unter anderem die Parolen „Long Live the Resistance“ (Lang lebe der Widerstand), „Glory to the martyrs“ (Ehre den Märtyrern) und „Yallah Intifada“ an ein Uni-Gebäude.
Rauch stellte abweichende Wissenschaftler an den Pranger
Man kann es nicht anders sagen: An deutschen Bildungseinrichtungen herrscht mittlerweile ein anti-israelisches bis antisemitisches Grundrauschen. In dieser Situation meint eine Uni-Präsidentin wie Rauch also, dem jüdischen Staat auch noch unbedingt eins mitgeben zu müssen? Man muss schon ziemlich von seiner Ablehnung Israels besessen sein, um so zu agieren. Anti-israelische Studenten dürften das jedenfalls als Akt der Unterstützung durch die Uni-Leitung interpretieren.
Dass nun ausgerechnet Anhänger Rauchs eine angebliche Hatz auf die Präsidentin beklagen, ist übrigens vollends absurd. Es war Rauch, die sich im Februar dazu entschloss, in einem Artikel Wissenschaftler aus dem völlig harmlosen „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ öffentlich zu diffamieren: Sie würden „das Narrativ der Neuen Rechten, Rechtsextremist*innen und anderer verfassungsfeindlicher Organisationen“ stärken.
Ganz in diesem Sinne kann man Frau Rauch mit Fug und Recht attestieren, durch ihr Agieren das Narrativ der Israel-Hasser gestärkt zu haben. Wenn die Uni-Präsidentin also überhaupt an einem Pranger steht, dann allenfalls an jenem, den sie selbst errichtet hat.