Familienvater, 49, zwei Söhne im schulpflichtigen Alter. Ein Internetspezialist. Sportlich, Trekkingradfahrer, Seat Leon für die Familie. In Kombination mit seinem Grafikerdiplom ist er für seinen Arbeitgeber, eine örtliche Agentur, schon seit Jahren ziemlich unersetzlich. Privat hat er immer neue, bisweilen, skurrile Projekte am Kochen.
Schon immer links
Er druckst herum, also muss ich raten. Bei der Partei Die Linke bin ich endlich am Ziel. „Ach, die habe ich doch immer schon gewählt.“ Er hätte sogar mal in einem schwachen Moment ernsthaft in Erwägung gezogen, dieses Mal AfD zu wählen, aber er möchte nachher nicht schuld sein, wenn was schief geht. Die Linken immerhin würden meinen was sie sagen. „Ehrlichkeit!“, sagt er lauter, das wäre doch in der heutigen Zeit fast schon eine Seltenheit geworden. Dann fängt er noch einmal mit seiner Schlüssellochgummierung an, dass er noch über das Material nachdenken würde, das müsse ja elastisch sein, das müsse nachgeben, schon wegen der Schlüsseldrehbewegung, aber ich bleibe dran.
Er denkt kurz nach und meint: „Ok, ich glaube ja, dass diese Wahl wichtiger ist, als viel glauben.“, „Warum?“, hake ich nach, erzähle im auch, dass ich Interviews für TE mache, ihn aber namentlich nicht erwähne. Wichtiger, meint er, weil die Aufgaben der nahen Zukunft so groß seien. „Und Merkel wird doch eh gewählt. Entweder regiert sie mit den Grünen oder der FDP, je nach dem, mit wem es zur Mehrheit reicht.“ Möglicherweise für beide Optionen, glaubt er, würde aber darauf keine Wetten abschließen wollen.
Links für Menschlichkeit
Wie er zum Migrationsproblem stehen würde, frage ich weiter. „Ach, ich kann diese ganze Hetze nicht mehr hören.“, erregt er sich. Das könne doch nicht sein, wie ekelhaft der Ton da umgeschlagen sei. Er hätte nicht für möglich gehalten, was er da teilweise zu lesen bekäme von Freunden. Er könne mir ja mal ein paar Memes schicken. Damit meine er diese Bilder mit kurzen Textzitaten, Aphorismen oder Sinnsprüchen, die gerne über die sozialen Medien die Runde machen, erklärt er auf Nachfrage. Er liest welche vor: „Die Indianer konnten die Einwanderung nicht stoppen. Nun leben sie in Reservaten.“, dazu gäbe es ein Bild von Sitting Bull. Oder „Vaterland oder Tod! Che Guevara würde AfD wählen.“ Er liest weitere vor, die man hier aber nicht zitieren kann. Ich verkneife mir einen Lacher.
Außerdem hätte er die Linke bisher immer gewählt, das würde es ihm leichter machen, gibt er zu. Damit hätte er halt gute Erfahrungen gemacht. Ob seine Frau das so sehe wie er? Dazu weiß er nicht viel zu sagen. Politik sei nicht so ein Thema zu Hause. Da wolle er auch kein Fass aufmachen. „Wozu auch?“ Vielleicht wählt sie ja FDP wegen der Lindner-Plakate, lacht er ins Telefon. Im Übrigen solle ich doch mal überlegen, wo wir herkommen. Wir hätten doch eine ähnliche Sozialisation erfahren.
Ob er sich nicht lieber ein paar effektivere Alarmanlagen ausdenken wolle, anstatt so eines Schlüsselfinders für Rentner, frage ich abschließend etwas bissig. Im Übrigen fände ich, dass passe schlecht zusammen, eine Arbeiterpartei zu wählen, aber die Produktion seiner komischen Ideen wie selbstverständlich nach China auslagern zu wollen. Aber das lacht er einfach weg und verabredet sich auf ein Bier die nächsten Tage, er würde dann die Zeichnungen mitbringen, ich würde schon sehen. Diese Idee wäre Gold wert, weiß er genau.