Tichys Einblick
Leni Breymaier

SPD sägt Arbeitsgruppen-Vorsitzende wegen „Transphobie“ ab

Wie so oft frisst die Revolution ihre Kinder. Dieses Mal ist es die sexuelle Revolution.

imago images / Emanuele Contini

Die SPD-Frau Leni Breymaier sollte die Arbeitsgruppe „Gleichstellung, Vielfalt“ in den Koalitionsverhandlungen leiten. Doch weil Breymaier sich in der Vergangenheit aus Rücksicht auf Mädchen und Frauen gegen das „Selbstbestimmungsgesetz“ gestellt hat, wurde sie kurzfristig ersetzt. Der Vorwurf: Transphobie.

Leni Breymaier verkörpert in vielen Punkten die alte SPD. Die gebürtige Ulmerin engagiert sich für Sozial-, Renten-, und Gleichstellungspolitik und war neben ihrem politischen Leben als Gewerkschafterin tätig, zuletzt als Landesbezirksleiterin der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in Baden-Württemberg. Sie gilt als Vertreterin des linken Flügels, ihre Schwerpunkte sind feministisch ausgelegt: Frauenpolitik, „Gender Pay Gap“ und Abschaffung der Prostitution in jetziger Form zugunsten des Nordischen Modells, das „Sexkauf verbietet, Freier bestraft und Prostituierte entkriminalisiert“, wie sie auf ihrer Webseite schreibt.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Breymaier galt daher als ideale Besetzung für den Vorsitz der Arbeitsgruppe „Gleichstellung, Vielfalt“, in der die Inhalte für einen zukünftigen Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grüne und FDP sondiert werden sollten. Nun beginnen die Koalitionsverhandlungen. Aber nicht Breymaier, sondern ihre sächsische Genossin Petra Köpping – in ihrer Heimat Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt – sitzt der Gruppe vor. Breymaier ist dagegen ordentliches Mitglied. Wie konnte das passieren?

Es ist ausgerechnet ihre feministische Einstellung, die Breymaier zum Verhängnis wird. In der genderfluiden Blase kam die Nominierung Breymaiers nämlich gar nicht gut an. Dort hat man ihr nicht verziehen, dass sie am 18. Mai gegen das „Selbstbestimmungsgesetz“ stimmte. Den Gesetzentwurf hatten insbesondere FDP und Grüne unterstützt – die sozialdemokratischen Wunschpartner. Inhalt: Das Geschlecht soll frei wählbar sein und einmal im Jahr geändert werden können. Operation an den Genitalien mit einbegriffen. Das alles ab 14 Jahren.

Damals hatte die SPD-Fraktion aus Koalitionsraison dagegen gestimmt. Doch Breymaier war eine Überzeugungstäterin. Sie machte ihre Ansichten auf Facebook öffentlich: „Warum soll das gefühlte Geschlecht juristisch über dem biologischen Geschlecht stehen?“ Und: „Warum soll künftig schon 14-jährigen Jugendlichen Operationen nahegelegt werden können, die irreversibel sind? (…) 14-jährige Mädchen, die weder äußerlich noch von ihren Interessen her den weiblichen Stereotypen entsprechen, stärkt man durch das Aufknacken der Stereotype – nicht, in dem man ihnen ‚Trans‘ als Ausweg anbietet. Das ist doch nicht richtig.“

Umoperieren von Minderjährigen
Die radikalen Pläne der Ampel-Sondierer zum Transsexuellenrecht
So viel gesunder Menschenverstand war offenbar zu viel für den radikalen Flügel der LGBT-Community. Nicht nur in den sozialen Medien, auch vom SPD-Netzwerk „SPDqueer Berlin“ wurde Breymaier angegriffen. Kostprobe? „Deine Standpunkte sind leider sehr deckungsgleich mit denen, welche wir von rechts außen und sogenannten TERFs zu hören bekommen“, heißt es da. Eine TERF, das ist eine „Trans Exclusionary Radical Feminist“. Sie durfte sich Vergleiche mit Alice Schwarzer gefallen lassen, die in den progressiven sexuellen Kreisen mittlerweile als „reaktionär“ angesehen wird. Wohl nicht zuletzt deswegen stärkte Schwarzers Zeitschrift Emma der SPD-Abgeordneten den Rücken.

Die Auseinandersetzung hat jetzt ein Nachspiel. Denn die Personalie Breymaier führte vor den Koalitionsverhandlungen offenbar zu Ärger. Grüne und FDP haben ihr Selbstbestimmungsgesetz nicht begraben. Und Olaf Scholz hat als Kanzler in spe ähnliche Zusagen gemacht. Da ist die Feministin, die in alter Raison Fraueninteressen bedroht sieht, ein rotes Tuch. In der genderfluiden Twitterblase akzentuiert sich das so: Breymaier und ihre Anhänger gelten als Gegner von Menschenrechten oder als Vertreter der „Ungleichwertigkeit“, Teil einer „transfeindlichen Frauenbewegung“, die SPD habe sich „mit der Personalie Breymaier erhebliche Probleme und Ärger verschafft“.

Auch der SPD-Abgeordnete Karamba Diaby soll für Unmut gesorgt haben, weil er der Arbeitsgruppe angehört, und sich bei der Abstimmung im Mai gegen das Gesetz geäußert hatte. Die Berliner Zeitung, die die Absetzung Breymaiers wohlwollend kommentierte, bezeichnete die Unterstützer Breymaiers, die in den sozialen Netzwerken für ihren Vorsitz skandierten, durchweg als „transphobe Aktivisten“. Breymaier sei von Ampel-Gegnern installiert worden, ein „Querschuss aus der Südwest-Regionalorganisation der Partei gegen die Parteizentrale“.

Castelucci ante portas?
SPD Baden-Württemberg: Landeschefin Breymaier zieht sich zurück
Solche verschwörungstheoretischen Ansätze können aber über das eigentliche Phänomen nicht hinwegtäuschen: Die SPD ist bereit, ihre feministische Tradition zu opfern, um aktivistisch gerüstete, aber gesellschaftlich irrelevante Minderheiten zu beglücken, und sich zuletzt die Macht in der Ampel zu sichern. Breymaier ist mit ihrem Feminismus der 70er Jahre ein Dinosaurier. Das gilt nicht nur für ihre Bedenken, wenn sich Kinder mit 14 Jahren körperlichen Eingriffen unterziehen wollen, deren Tragweite sie geistig noch gar nicht erfassen können; sondern auch für ihre Ansicht, Prostitution zu einem generellen Übel zu deklarieren, während die Generation „Woke“ lieber von Sexarbeit redet, die mehr wertgeschätzt werden müsste. Statt Querfront: Queerfront. Mit Köpping sitzt der Gruppe nunmehr eine Frau vor, die sich für „mehr Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ eingesetzt hat. Die SPD, ganz am Puls der Zeit, will an der Spitze der Bewegung sein, wenn tradierte Familien- und Gesellschaftsformen zerstört werden sollen.

Der Fall zeigt, wie tief Identitäts-Ideologien samt LGBT-Lobby in die Parteien eingesickert sind. Dem jakobinischen Mob kann es niemals radikal genug sein, denn vermeintliche Menschenrechte kennen keine Grenzen – und wer berechtigte Einwände hat, muss ein Menschenfeind sein. Das Gericht hat auf Transphobie entschieden, die politische Guillotine steht bereit. Wie so oft frisst die Revolution ihre Kinder. Dieses Mal ist es die sexuelle Revolution.

Anzeige
Die mobile Version verlassen