Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende, Zuwanderwende und Geschlechterwende sind die grünen Bausteine auf dem Weg in die große Transformation. Tatsächlich sind es nukleare Sprengsätze an den Grundlagen unseres über die Jahrtausende gewachsenen Zusammenlebens. Der Anspruch ist religiös überhöht und weltweit. In Deutschland scheint er am weitesten gediehen. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob eine Mehrheitsgesellschaft sowas tatsächlich in Abwesenheit von Diktatur und politischer Polizei mit sich machen lässt.
Die Büchsenspanner von Links- und Rechtsaußen rühren bereits kräftig die Trommel. Die Mitte der Gesellschaft, die ebenfalls voller Unverständnis ist, hat das Problem, mit den linken und rechten Matadoren nicht mitlaufen zu wollen. Der Groll ist derselbe, das Ziel ist das Wiederfunktionieren der Bundesrepublik ohne Erziehung und mit Justitias verbundenen Augen.
1972 prognostizierte der „Club of Rome“ das Jüngste Gericht für das Jahr 2100. Die Menschheit sündige, vergehe sich an der Umwelt, die Rohstoffvorräte gingen zu Ende bzw. ihre Förderung wäre nicht mehr finanzierbar.
Warum haben die Enthaltsamkeitsprediger ausgerechnet Angst vor dem Ende der fossilen Ressourcen? In dem Fall wären doch Umweltverschmutzung, CO2, Energieverbrauch, Wertschöpfung in Verbindung mit fossilen Energieträgern und Rohstoffen ohnehin im Jahr 2100 seit Jahrzehnten längst Geschichte. Oder stimmt hier die Erzählung nicht? Das auf Wertschöpfung beruhende Ende ist wohl doch nicht absehbar, weder im Energiebereich noch bei vielen Rohstoffen?
Schon für 2020 war das Ende von Erdöl und -gas prognostiziert worden. Seit zwei Jahren gäbe es diese Energieträger nicht mehr, würden die Untergangsgurus richtig gelegen haben!
Die Untergangskünstler wissen genau, dass die Thesen vom baldigen Ende der fossilen Energieträger und der Unfinanzierbarkeit künftiger Erkundungen und Förderungen ihre eigenen Märchen sind. Genau deshalb werden die fossilen Energieträger und ihre Erkundungen seit Jahren finanziell erdrosselt.
Deutschland ist willens, sich mittels Energiehöchstpreisen und selbstverschuldeter Energienot aus der hochentwickelten Gegenwart zurück in das vorindustrielle Zeitalter zu verabschieden. Selbst das russische Gas wäre ohne diese Energiewende kein Thema. Weil wir es nicht bräuchten. Alles selbst gemacht.
Das Bundesumweltministerium twitterte 2019 folgende unglaubliche Botschaft in die Welt: „Grundlast wird es im klassischen Sinne nicht mehr geben. Wir werden ein System von Erneuerbaren, Speichern, intelligenten Netzen und Lastmanagment haben.“ Früher gab es Traumtänzer auf Jahrmärkten, in Ministerien wären sie chancenlos geblieben. Mit solchen Leuten wäre die Deutsche Einheit 1990 nicht geglückt. Lang ist es her, das mit dem Grundwissen und der Seriosität.
Deutschland hat sich von Wind, Sonne und Russland abhängig gemacht. Alle drei, Wind, Sonne und Russland, machen mit Deutschland, was sie wann wollen. 2011 waren noch 18 Atomreaktoren in Betrieb, fünfzehn wurden seit dem Seebeben vor Fukushima abgeschaltet, drei laufen noch und liefern eine Strommenge, die derjenigen der dreiundzwanzig restlichen Kohlekraftwerke gleichkommt. Romancier Uwe Tellkamp bringt es auf den Punkt: „Wer zwei von drei grundlastfähigen Energien abschaltet, der wird eben von der dritten und ihrem Besitzer abhängig.“
Die Weltuntergangssektierer haben das Lebenselixier moderner Volkswirtschaften, nämlich preiswerte und zuverlässige Energie, künstlich verteuert, praktisch unbezahlbar und unerreichbar knapp gemacht. Die hohen Preise sind gewollt! Die Wirklichkeit wird wie zu Kommunistenzeiten den Wünschen durch eine Scheinwirklichkeit ersetzt. Die Weltbevölkerung wird das sicher nicht mittmachen, aber Deutschland läuft vorher Gefahr, über Bord zu gehen. Den anderen zur Abschreckung und als warnendes Beispiel. Das würde sogar Sinn machen. Für die anderen.
Es sei denn, die politische Elite der Bundesrepublik reißt das Steuer noch herum und verlängert die Laufzeiten der letzten Atomkraftwerke, entschließt sich, neue Atomkraftwerke bauen zu lassen, favorisiert die eigene Erdgasförderung, bleibt bei der Kohle und fördert selbstverständlich neue ergänzende Entwicklungen.
Täglich gibt es Meldungen industrieller Transformationsopfer. Stahlwerke müssen ihre Produktion herunterfahren, das Stickstoffwerk Piesteritz steht vor dem Aus, das 130 Jahre alte Familienunternehmen Eschenbach Porzellan Group Triptis muss schließen, die Blechverarbeitung GmbH Elster geht ins Ausland und wird damit nicht die letzte sein. „Transformations-Schlussverkauf“ Deutschland – alles selbstgemacht. Sehr viele werden folgen. Der russische Krieg verschärft die Situation nur.
Eine grundlegende Erkenntnis vieler Ostdeutscher, gewonnen in schwierigen Jahren der Bevormundung und staatlicher Gesellschaftspolitik, lautete vor über dreißig Jahren „Nie wieder Gesellschaftsarchitekten an der Macht!“.
In diesem Sinne beschloss die SPD der DDR im Februar 1990 in Markkleeberg in ihrem Grundsatzprogramm:
„Der von der Politik gesetzte Rahmen wird immer variabel sein müssen. Denn den Gang der Geschichte können wir nicht voraussehen. Wir können und wollen über die Absichten und Entschlüsse anderer Menschen nicht verfügen, sondern erhalten über sie Aufschluß nur durch die Erfahrung und den offenen, unabschließbaren Dialog. Darum bedürfen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten keines fertigen Gesellschaftsmodells. Doch ist unser Bestreben, soweit als möglich alle entscheidenden Aspekte der gesellschaftlichen Entwicklung in den Blick zu bekommen und angemessen zu berücksichtigen. Deshalb suchen wir die Bedürfnisse und Interessen sowohl der Einzelnen als auch der Gesamtheit wahrzunehmen, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen und den Ausgleich zwischen ihnen zu befördern. … Mit Demokraten können wir uns über gemeinsame Ziele verständigen, eine Zusammenarbeit mit Verfechtern totalitärer Ideologien, mit Links- und Rechtsextremismus lehnen wir strikt ab.“ (Grundsatzprogramm SPD/DDR, Seite 11).
Zweiunddreißig Jahre später maßt sich nicht nur die SPD einen Gesellschaftsarchitekturauftrag ohne Auftraggeber dafür an, statt ihren Grundgesetzauftrag als Mitwirkende an der politischen Willensbildung ernst zu nehmen. Das hat totalitäre Züge.
Passend dazu zwei beachtlich gegensätzliche Aussagen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte hinsichtlich Covid-19 in seiner ureigenen Art: „Wir kommen jetzt in eine Phase hinein, wo der Ausnahmezustand die Normalität sein wird“.
Was ihm wohl Willy Brandt (SPD), Bundeskanzler 1969/74, entgegnet hätte? Er stellte vor Jahrzehnten klar: „Wer einmal mit dem Notstand spielen sollte, um die Freiheit einzuschränken, wird meine Freunde und mich auf den Barrikaden zur Verteidigung der Demokratie finden, und das ist ganz wörtlich gemeint.“
Beide Aussagen stehen für den Niedergang der einst stolzen und freiheitlichen Sozialdemokratie.