Tichys Einblick
Thüringen:

Orientierungslose Medien: wenn Kommunalwahlen zu Weltereignissen werden

Die Stichwahlen werden die Entfremdung von Bürgern und etablierter Politik vergrößern, denn es werden sich alle „demokratischen“ Kräfte gegen die Kandidaten der AfD vereinen, was besonders im Osten die Erinnerungen an die Blockwahlen der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands weckt.

picture alliance/dpa | Michael Reichel

Mit dem Verlust der Realität steigern sich die Zustände von Fieberdelirien, in die der politisch-mediale-kulturelle Komplex sich in immer kürzeren Intervallen hineinsteigert. Am Anfang des Jahres um den Protest der Bauern aus den Medien und aus der Öffentlichkeit zu drängen, wurde von einem Propagandaportal, das auch von Steuergeldern finanziert wird, eine Räuberpistole über eine staatgefährdende Geheimkonferenz, in der Deportationspläne für deutsche Bürger mit Migrationshintergrund erörtert worden sein sollte, verbreitet. Als hätte sie nur darauf gewartet, ging von der Regierung und ihnen nahestehende NGOs Aufmärsche gegen „rechts“ aus, auch wenn das Propagandaportal hinterher gar nicht von Deportationen gesprochen haben wollte. Um nicht über die Besetzung und der damit einhergehenden Verwüstung von Pro Hamas Aktivisten des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Humboldt Universität und über den Verrat der Präsidentin der Humboldt Universität, Julia von Blumentahl, an der Freiheit von Lehre und Forschung und über die Duldung von Antisemitismus reden zu müssen, wird ein entgleistes Partyvideo einiger betrunkener junger Leute auf Sylt hoch- und runterskandalisiert, auf die jungen Leute, die ihre Jobs verlieren, eine mediale Hetzjagd veranstaltet. Mahnende Worte des Bundespräsidenten? Fehlanzeige. Der Regierung? Die gießt noch weiter Öl ins Feuer. Bundespräsident und Bundesregierung sind längst nicht mehr die Regierung aller Deutschen, mit und ohne Migrationshintergrund.

Nun die Kommunalwahlen in Thüringen, die ein außerordentliches Medieninteresse erlangte. Man könnte sich ja über den Zuwachs an medialer Aufmerksamkeit für die Demokratie auch im ländlichen Bereich freuen, wenn das Interesse wirklich der Demokratie und nicht dem Machterhalt des Politikkombinats von Ampel und Union gelten würde. Tage vor der Wahl schon kannten die Medien nur noch ein Thema: die Verfehlungen des Europa-Abgeordneten Maximilian Krah. Dass die AfD es soweit kommen ließ, weist auf ein Dilemma der Partei hin. Dieses Dilemma hat sich gestern noch verstärkt, denn die Wahlergebnisse bedeuten für die AfD Sieg und Niederlage zugleich.

Viele Medien im näheren oder weiteren Umfeld der Grünen und auch andere haben schon vor Tagen alle möglichen Umfragen und Bewertungen herangezogen, um zu menetekeln, dass der der Durchmarsch der AfD nicht gelingen werde. Dabei war kurioserweise die Vorstellung, dass der AfD kommunalpolitisch ein „Durchmarsch“ glücken könnte, was immer man auch unter diesem „Durchmarsch“ verstehen mag, von Anfang an eine Fiktion derselben Medien, die ihn als Schreckbild an die Wand pinselten und jetzt laut aufatmen, dass eben jener ausgefallen sei. Das ist schon witzig, man raunt, dass ein gewisser Sportler im Hochsprung 3 m erreichen könnte, und atmet dann erleichtert auf, dass dieser Mann doch nur 2,42 schaffte – wo doch jeder weiß, dass der am 27. Juli 1993 von Javier Sotomayor aufgestellte Weltrekord 2,45 m beträgt.

Den Vogel schoss die WELT ab, die allen Ernstes behauptete: „Es ist ein Dämpfer für die AfD: Bei den Kommunalwahlen in Thüringen schnitt die AfD schlechter ab als erwartet.“ Von wem mit welchem Ergebnis erwartet? Selbst Lisa Paus‘ Obergardist von der Amadeu Antonio Stiftung, Timmo Reinfrank, widersprach, allerdings wie gewöhnlich sehr geschäftstüchtig bei X: „Ich kann nur davor warnen, den Achtungserfolg der #AfD und der rechtsextremen Landnahme in #Thüringen bei den #Kommunalwahlen zu verharmlosen Es war nicht zu erwarten, dass die AfD im ersten Wahlgang 50 % bei den Wahlen um Landratsämter und Bürgermeisterposten erreicht“, denn um so gefährlicher die AfD, um so mehr Steuergelder erwartet die Amadeo Antonio Stiftung von Lisa Paus.

Ein nüchterner Blick auf alle bis jetzt vorliegenden Ergebnisse zeigt: Gewählt wurden 13 Landräte in den Kreisen und fünf Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten, 89 Oberbürgermeister und Bürgermeister in Städten und Gemeinden, alle Kreistage der 17 Landkreise und Stadträte der fünf kreisfreien Städte, 600 Stadträte und Gemeinderäte in den Städten und Gemeinden. Bis auf den Landkreis Hildburghausen, den die Freien Wähler für sich entschieden, gewannen in den übrigen Landkreisen und kreisfreien Städten die Kreistage und Stadtparlamente die CDU oder die AfD. Nach bisher ausgezählten Stimmen, Erfurt fehlt noch, kommt die AfD auf 26,4% aller Stimmen, die CDU 27,6 % – sie liegen also annähernd gleich auf, SPD, Linke und vor allem Grüne, bei 11 %, 8,4, % und 3,8 % weitabgeschlagen.
Der AfD gelang es, die Mehrheit in den Landkreisen Altenburger-Land, Nordhausen, Schmalkalden-Meiningen, Sonneberg, Gera (Stadt), im Unstrut-Hainich, im Ilm Kreis, im Kreis Gotha und im Kyffhäuserkreis zu erreichen, alle anderen Landkreise holte die CDU, dicht von der AfD gefolgt. Nach bisheriger Auszählung gehen 9 Kandidaten der AfD in die Stichwahl um den Posten des Landrates. In Erfurt kommt es zur Stichwahl zwischen den Amtsinhaber von der SPD und dem Kandidaten der CDU, in Hildburghausen tritt Sven Gregor von den Freien Wählern gegen Thomas Frenck vom BZH an, in Jena muss Amtsinhaber Thomas Nitzsche von der FDP sich der Grünen Kathleen Lützkendorf stellen, im Unstrut-Hainich-Kreis fordert den Amtsinhaber der Kandidat der Freien Wählern heraus, in Weimar Land die Amtsinhaberin der Kandidat der Bürgerinitiativen. In Schmalkalden-Meiningen ist die parteilose Amtsinhaberin, in Suhl der CDU-Politiker Andras Knapp, in Weimar der Oberbürgermeister Peter Kleine wieder gewählt worden.

In Gera und Greiz konnte Sahra Wagenknechts BSW sich das erste Mal im Wahlkampf bewähren. Im Landkreis Gera errang das BSW 12,5 % der Stimmen und wurde damit viertstärkste Kraft, im Kreis Greiz 11,1 % und entschied damit den dritten Platz für sich.

Die Wahl zeigt, dass sich die AfD in Thüringen konsolidiert und auf der kommunalen Ebene verankert ist. Wendet man frühere Kriterien an, müsste man wertfrei von einer Volkspartei sprechen.

Allerdings kann man Kommunalwahlen nicht mit Landtags- oder Bundestagswahlen vergleichen, wenn man nicht einige Besonderheiten einpreist. Auf kommunaler Ebene spielen Persönlichkeiten eine größere Rolle als Parteien. Zumeist sind die Kandidaten bekannt und man weiß, wie erfolgreich oder weniger erfolgreich die Amtsinhaber wirkten. Mit anderen Worten: Kandidaten werden in direkten Wahlen auch gegen die eigene Parteipräferenz gewählt. In Kommunalwahlen geht es sehr stark um örtliche Themen und weniger um Landes-, noch weniger um Bundesthemen.

Auffällig in diesem Jahr ist in Ostdeutschland die Zunahme von lokalen Bündnissen und Vereinen, dass Bürger nicht mehr für die etablierten Parteien, wozu in diesem Zusammenhang auch die AfD gehört, antreten, sondern selbst die Geschicke ihrer Gemeinde, ihrer Stadt, ihres Landkreises gestalten, zumindest mitreden wollen. Das kann man auch als Erosion des Vertrauens in die Parteien an der Basis, in den Kommen verstehen, als eine Abkehr von den Etablierten. Hier zeigt sich in der Tat eine Unruhepotential, das vergrößert wird, durch die Abgehobenheit, die Arroganz, die Insuffizienz, die mangelnde kulturelle und fachliche Kompetenz der politischen Eliten, die tagtäglich demonstrieren, dass sie sich hinter der Brandmauer einiger sind als mit ihren Wählern. Die Reaktion auf das entgleiste Partyvideo oder das Gebäudeenergiegesetz bis zum Gendern und den ständigen Belehrungen vorzugsweise von Leuten, die selbst nicht einmal gelehrt genug sind, um die Autorität zu besitzen, verdeutlich die ich vergrößernde Entfremdung.

Die Stichwahlen werden die Entfremdung von Bürgern und etablierter Politik vergrößern, denn es werden sich alle „demokratischen“ Kräfte gegen die Kandidaten der AfD vereinen, was besonders im Osten die Erinnerungen an die Blockwahlen der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands weckt.

Kaum jemand in Thüringen will die Grünen, sie schaffen es in Jena in die Stichwahl und mit Ach und Krach in den Landtag, weil sie in den Universitätsstädten, in Erfurt, Jena und Weimar überdurchschnittlich gewählt werden. Aber so ist es in ganz Ostdeutschland, würden sie nicht in Magdeburg, Halle, Leipzig und Dresden in der Hauptsache ihre Stimmen bekommen, wären sie in keinem der hiesigen Landtagen.

Für die AfD ist der halbe Sieg eine ganze Niederlage, denn sie bestätigt die Höcke-Truppe. Mit Blick auf die Bundestagswahl wäre ein Richtungskampf und eine Richtungsentscheidung für die AfD wichtig, doch mit Blick auf die Landtagswahlen vor allem in Thüringen schädlich. Wahrscheinlich wird die AfD versuchen, dieses Dilemma auszusitzen.

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