Tichys Einblick
Die Linke heißt bald BSW:

Wie die Wiedervereinigung in Thüringen gelingt

Die Linke ist wieder an der Macht, nur diesmal unter dem Namen BSW. Die CDU giert nach dem Ministerpräsidentensitz, die SPD freut sich wieder auf die Vereinigung mit der SED. Nur eine muss unzufrieden sein: Sahra Wagenknecht.

picture alliance/dpa | Martin Schutt

Schlechte Nachrichten aus Thüringen für Sahra Wagenknecht, die Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und BSW in Erfurt sind erfolgreich abgeschlossen worden. Strittige Fragen hat man auf die Koalitionsgespräche vertagt – und strittig ist vor allem Wagenknechts wichtigste Frage, die Frage von Krieg und Frieden in der Ukraine und der Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland. Aber es gibt auch schlechte Nachrichten für die Wähler in Thüringen, die Linke ist wieder an der Macht – sie heißt jetzt nur BSW.

Mario Voigt von der CDU hat vom Hausboden die gute, alte Blockflöte aus DDR-Zeiten geholt, übt darauf „Hänschen klein“ und ruht sich zwischendurch aus bei einem Kaffee mit gutem thüringischem Salz. Die SPD kann es kaum erwarten, mit den Kommunisten vom BSW wieder „zwangsvereinigt“ zu werden und mit der CDU in Thüringen eine neue Nationale Front des demokratischen Deutschlands zu gründen, die nun nicht mehr national heißen darf, nachdem die AfD diesen Begriff für sich entdeckt hat. Heißt sie eben Brandmauer oder Bündnis der Demokraten, selbstverständlich mit alleiniger Zuständigkeit für die Demokratie wie einst die SED und der mit ihr verbündeten Parteien und Massenorganisationen.

Wenn die CDU in Thüringen mit dem Thüringer BSW unter Führung von Katja Wolf, die noch bis zum 19. Januar 2024 der Partei der Linken angehört hatte, eine Koalition eingeht, hat sie den Unvereinbarkeitsbeschluss gebrochen. Sollte Voigt dann pharisäerhaft darauf verweisen, nicht mit der Linken, sondern mit dem BSW zu koalieren, dann muss man Molières Tartuffe im Vergleich mit dem Politiker Voigt einen ehrlichen Menschen nennen. Denn das BSW ist eine Abspaltung von der Linkspartei, die inzwischen erfolgreicher ist als ihre Mutterpartei. Eine andere Politik als die Ramelows werden die Wähler in Thüringen nicht bekommen, nur dass der Bodo jetzt Mario heißt. Die Inhalte der Sondierung sind noch sehr schwammig gehalten.

Man will einen „Richtungswechsel“ in der Migration durchsetzen. Doch das fällt wohl in die Abteilung Bauernfängerei, denn den Richtungswechsel hätte Ramelow auch vollzogen, zumal Ramelows Innenminister von der SPD auch beim neuen Bündnis dabei wäre, wie der „Richtungswechsel“ in der Migration ohnehin zur Stunde in Brüssel durchgesetzt wird, und dem sich nur noch Teile der SPD in Berlin und der westdeutschen Regionalpartei Die Grünen widersetzen.

Was allerdings „Steuerung“ und „Integration“ wirklich bedeuten, darauf darf man gespannt sein, denn sicher wird unter der siegesgewissen Führung Mario Voigts Landesrecht Bundesrecht stechen? Oder versteht man unter „Steuerung“ einen „Anwerbungs- und Anerkennungsturbo“ für mehr ausländische Fachkräfte. Den hatten doch erst die SPD-Genossen des dritten Brombeerpartners der künftigen Erfurter Koalition aus Berlin, Scholz und Faeser, in Kenia und Aserbaidschan ausgeheckt. Und natürlich werden, weil Länder wie Kenia und Aserbaidschan weltweit dafür bekannt sind, führend in der Ausbildung von Pflegekräften zu sein, bald viele kenianische und aserbaidschanische Pflegekräfte nach Thüringen kommen. Wie wäre es eigentlich damit, die Ausbildung, Weiterbildung und Bezahlung von deutschen Pflegekräften zu verbessern. Okay, dumme Idee, dann müsste man Politik machen, anstatt wohlfeil zu deklarieren. Klar, fehlt dafür Geld, schließlich ist Deutschland aufgrund seiner Geschichte dazu verpflichtet, die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung in Tansania mit 86 Millionen Euro mitzufinanzieren.

In der Bildungspolitik will man verpflichtende Deutschkurse einführen und die Hortgebühren abschaffen. An die Lehrpläne will man offensichtlich nicht gehen, denn es reicht, wenn alle einigermaßen Deutsch können, mehr muss nicht sein. Da die Brombeerkoalition eine Stimme zur Mehrheit fehlt, haben die möglicherweise künftigen Koalitionäre beschlossen, dass sie Konsultationsverfahren einführen: der Opposition werden die Vorhaben der Regierung vorgestellt, die dann sagt, ob sie zustimmen oder die Zustimmung verweigern wird. Signalisiert die Opposition, womit eigentlich nur die Linkspartei gemeint sein kann, ihre Zustimmung, wird dann das Projekt in der Regierung beraten und anschließend zur Abstimmung in den Landtag gegeben. Und wo bleibt dann die Debatte? Irgendwie kennt man dieses Verfahren – aus der Volkskammer der DDR. Im Sondierungspapier haben die drei Parteien noch mal klargestellt, dass sie nicht mit der AfD zusammenarbeiten wollen: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD, Gespräche zu notwendigen parlamentarischen Verfahren und Entscheidungen sind aufgrund der Sperrminorität zu führen“.

Doch so einfach wird es wohl nicht werden, denn die Linke hat in einer ersten Reaktion das Sondierungspaper der Brombeerliebhaber abgelehnt. Aber das muss sie auch, um ihren Preis hochzutreiben, denn die Brombeerkoalition ist auch gefährlich für die Linken. Denn wenn die Koalition zustande kommen sollte, dann dürfte es nicht lange dauern, dass erste Überläufer von der Linken zum BSW wechseln, und dem ersten könnte der nächste und der nächste folgen, bis Bodo Ramelow mit ein paar Getreuen allein sitzt, denn der Übertritt wird so schwer nicht sein, schließlich ist man in Thüringen unter Genossen, wenn die Parteichefin und Gründerin aus Berlin nicht nervt.

Und genau das wird sich der eine oder andere Genosse der Linken anschauen, ob sich Katja Wolf von Sahra Wagenknecht emanzipiert – vieles weist darauf hin. Zu unterschiedlich sind die Interessen der beiden, will die eine eines Tages Ministerpräsidentin von Thüringen, möchte die andere Bundeskanzlerin werden. Sahra Wagenknecht lernt gerade, dass sich eine stalinistische zentral von oben gelenkte Kaderpartei in Deutschland – noch nicht – verwirklichen lässt, und dass die Leute in den Landesverbänden nach den Wahlsiegen nicht nur ihren eigenen Kopf haben, sondern auch genügend Selbstbewusstsein besitzen. Während Sahra Wagenknecht noch nicht einmal Dorfbürgermeisterin gewesen ist, stand Katja Wolf fast 12 Jahre lang als Oberbürgermeisterin an der Spitze der Wartburgstadt Eisenach.

Auch der sächsische Landesverband, auch der brandenburgische Landesverband des BSW will mitregieren. Man verspürt dort keine Lust, als Bauern im taktischen Kampf um den Bundestag benutzt zu werden. So ist es eben unter Linken. Doch die Wähler, vor allem der CDU müssen wissen, dass wer im Osten CDU gewählt hat, die Blockparteienkoalition gewählt hat, wer zur Bundestagswahl CDU wählt, grün bekommt.

Worum es den einzelnen Parteien, die in Erfurt sondiert haben, geht, dürfte klar sein, dem BSW, oder wie die SED gerade heißt, geht es um die Macht, der SPD irgendwie darum, mitmachen zu dürfen wie 1946 und der CDU um Posten und Pöstchen. So hat jeder seins, nur die Wähler haben nichts davon. Es bleibt wohl alles, wie es war, nur, wie gesagt, dass der Bodo jetzt Mario heißt.

Man darf gespannt sein, ob es zur Brombeerkoalition in Erfurt tatsächlich kommt. Über diese Frage entscheidet der Ausgang des Machtkampfes zwischen Sahra Wagenknecht und Katja Wolf.

Die goldene Himbeere ist eine Art Anti-Oscar, der Preis für den schlechtesten Film. Wie wäre es mit der Goldenen Brombeere für die unglaubwürdigste Koalition?


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