Tichys Einblick
Gefahrensituation nach Spiel gegen Ukraine

Terrorgefahr vor der EM? Europameister im Beschwichtigen

Nach dem Fußballspiel gegen die Ukraine kam es zu einer Gefahrensituation. Die Zuschauer mussten im Nürnberger Stadion bleiben. Schon wenig reichte. Trotzdem reden sich die Behörden die Situation schön.

Länderspiel Deutschland gegen Ukraine am 04.06.2024. Einsatzkräfte der Polizei sichern eine Straße neben dem Max-Morlock-Stadion in Nürnberg

picture alliance/dpa | Christian Charisius

Das EM-Fieber steigt. 9,1 Millionen Zuschauer sahen am Montag die Partie Deutschland gegen Ukraine. Ein völlig belangloses Freundschaftsspiel. Ein langweiliges 0:0. Trotzdem bindet Fußball mehr Zuschauer vor den Fernseher als zuletzt die meisten Tatort-Folgen. Auf Twitter kündigen zwar manche einen Boykott der Europameisterschaft an, die am 14. Juni beginnt. Doch das dürfte eher eine einsame Erfahrung werden. Manche Jubelexperten übertreiben es indes schon wieder in die andere Richtung und versuchen ein neues Sommermärchen herbeizubeschwören. Wie etwa die Talkshow Hart aber Fair. Während des Original-Sommermärchens 2006 feierten die deutschen Fans in Schwarz-Rot-Gold und selten gesehener guter Laune ein Fest mit der „Welt zu Gast bei Freunden“.

Ein „Sommermärchen 2.0“, wie es Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verspricht, dürfte es kaum geben. Das fängt schon damit an, dass in Berlin Polizisten die schwarz-rot-goldene Fahne nicht halten dürfen. Die Regenbogenfahne schwenken dürfen sie indes. Ein Bekenntnis zu der begrüßen CDU und SPD in der Hauptstadt, ein Bekenntnis zu Deutschland ist für Berliner Christdemokraten und Sozialdemokraten unzumutbar.

Doch für den wichtigeren Grund, aus dem ein Sommermärchen 2.0 ausbleiben dürfte, sorgt Innenministerin Nancy Faeser persönlich: die Terrorgefahr. Seit 2015 predigen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne, Liberale und Linke, dass es keine islamistische Terrorgefahr in Deutschland gebe. 2024 wird nun zum Ehrlichkeitstest. Nicht erst wegen des Polizistenmords durch einen Islamisten in Mannheim.

45 Minuten nach dem Abpfiff des Freundschaftsspiels gegen die Ukraine gab ein Stadionsprecher in Nürnberg durch: „Alle sollen im Stadion bleiben.“ Außerhalb des Stadions gäbe es eine „konkrete Gefahrensituation“. Die Polizei nehme diese sehr ernst. Eine Viertelstunde später gab es dann Entwarnung.

Ein herrenloser Koffer hatte den Alarm ausgelöst. Wie die Polizei Franken mitteilt, ging sie von einem „sprengstoffverdächtigen Gegenstand“ aus. Wenn schon eine alleinstehende Tasche für einen Großeinsatz reicht, dürfte das angesichts des in Berlin ausufernden Mülls auf den Straßen eine turbulente Europameisterschaft werden. Das ZDF betonte in seiner Berichterstattung, „es habe aber zu keiner Zeit eine tatsächliche Bedrohung bestanden“. Das zeigt gleich zweierlei: Zum einen liegen die Nerven blank. Zum anderen sind Staatsmedien und staatsnahe Medien weiterhin fest entschlossen, die Terrorgefahr herunterzureden.

So berichtete der Bayerische Rundfunk vor wenigen Tagen, es gebe „abstrakte Bedrohungen, aber keine konkreten“. Obwohl das Innenministerium zum Turnier Grenzkontrollen angekündigt hat. Obwohl die Polizei harte Einsätze verspricht. Und obwohl der Islamische Staat (IS) bereits während der zurückliegenden Saison der Bundesliga mit Störaktionen seine Terrorbereitschaft erklärt hat und in arabischen Zeitungen die Ankündigung von Terroranschlägen annonciert hat. Trotz alledem ist die Bedrohung für den BR nur „abstrakt“. Gäbe es eine Europameisterschaft im Beschwichtigen, wäre Deutschland der Pokal nicht zu nehmen.

Olaf Scholz (SPD) versucht derzeit in den Tribünensitz von Angela Merkel (CDU) zu wachsen. Die polierte 2006 mit dem Sommermärchen ihr Image erfolgreich auf. Aus der Frau mit der komischen Frisur wurde innerhalb von vier Wochen Deutschlands beliebteste Klatschpappe. Nun versucht sich Scholz als Vorjubler: Auf Twitter schreibt er in der Pause des Ukrainespiels: „Ein gutes Spiel des @dfb_team bisher – macht Lust auf die zweite Halbzeit!“ Ein empathieloser Parteiapparatschick jazzt ein 0:0 hoch. Selbst im Cheerleading steckt Deutschland in der Krise.

Apropos Scholz und Empathie: Nur wenige Stunden, bevor Scholz mehr „Lust“ auf ein 0:0 hatte, schrieb er über den von einem Islamisten ermordeten Polizisten: „Ich bin in diesen bitteren Stunden in Gedanken bei seiner Familie und bei allen, die um ihn trauern.“ Das hatte Scholz offensichtlich schnell vergessen, dass er in Gedanken bei der Familie sein wollte. Was belangloses Geschwätz betrifft, ist Deutschlands Regierungschef einsamer Titelfavorit. Für Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Universumstitel. Zur Terrorgefahr während des Turniers sagt seine Innenministerin, die Behörden hätten die Lage im Griff. In sechs Wochen wissen wir mehr.

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