Tichys Einblick
Habecks Turboelektrisierungsutopie am Ende

Tennet: Wie viele „Rettungen“ durch Habeck verträgt der deutsche Wirtschaftsstandort noch?

Die Bundesregierung und der Stromnetzanbieter Tennet haben die Verhandlungen eingestellt. Die Niederländer wollen keine Milliarden mehr in den Energiewendesumpf stecken. Für den Erwerb fehlte Robert Habeck das Kleingeld. Es ist ein herber Schlag für die grüne Klimaplanwirtschaft.

picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Noch so ein Sieg wie der von Pyrrhus, sagten die alten Griechen, und wir sind verloren, was übersetzt für das Deutschland dieser Tage heißt: noch weiter Habecks Rettungen des deutschen Wirtschaftsstandorts und das Land ist vollkommen deindustrialisiert. Solange noch genügend Strom für den Kühlschrank da ist, kann man sich zumindest den deutschen Staatsfilm „Der Ruinator“ mit gekühlten Getränken anschauen. Für den Niedergang Deutschlands gibt es mehrere Namen, klimaneutrale Transformation zum Beispiel oder Energiewende, dann kommt natürlich noch die Verkehrswende und die Wärmewende hinzu – alles Namen für die Umwandlung der Sozialen Marktwirtschaft in die Asoziale Klimaplanwirtschaft, denn zu bezahlen haben sie die Bürger.

Dabei hatte sich Robert Habeck das alles so schön vorgestellt, so schön wie im Märchen. Da er sieht, wie erfolgreich die Deutsche Bahn AG agiert, denkt er sich, dass es eine besonders schlaue Idee sei, eine Deutsche Netz AG zu schaffen, die letztlich alle deutschen Stromnetzbetreiber unter dem Dach eines Hauses vereint, das zum Teil der deutsche Staat besitzt, der dann das Sagen hat, während die anderen nur Geld beschaffen sollen für die tollen Ideen des Robert-Habeck-Staates, denn der Staat kann genauso wenig irren, wie Robert Habeck sagte, so wenig, wie eben Robert Habeck irren kann. Denn der Staat ist er. Eher irrt sich die Wirklichkeit oder Putin ist wieder einmal am Werke, der verlässlich überall dort auftaucht, wo Robert Habeck ihn braucht. Im Märchen ist eben nichts unmöglich.

Der Kauf des deutschen Stromnetzes vom niederländischen Stromnetzanbieter Tennet sollten den Weg zur deutschen Netz AG ebnen und Robert Habecks elektrischen Traum verwirklichen. An zwei Betreibern von Stromnetzen ist der deutsche Staat bereits beteiligt, bei einem dritten hat Habecks Lieblingsmanager, Markus Krebber von RWE, bereits signalisiert, einem Verkauf der RWE-Anteile an Amprion nicht ablehnend gegenüber zu stehen. Krebber benötigt Geld, gern auch deutsches Steuergeld, um stärker in den USA zu investieren.

In Deutschland werden die Stromnetze von vier Konsortien betrieben, von Amprion, 50Hertz, TransnetBW und Tennet. 50Hertz gehört zu 80 % dem belgischen Übertragungsnetzbetreiber Elia und zu 20 % über die KfW Bank dem deutschen Staat. Im Frühjahr 2023 verkaufte EnBW 24,95 % der Anteile von TransnetBW an ein Sparkassenkonsortium, einen Anteil von 24,95 % übernahm im November 2023 % der deutsche Staat über die KfW. Amprion gehört zu 74,9 % der Beteiligungsgesellschaft M31, zu der Pensionskassen und Versicherer wie Talanx und Swiss Life zählen, und zu 25,1 % RWE. Dass RWE sich stärker in den USA engagieren möchte, ist bekannt. Deutschland ist nur noch mit Blick auf das stupid german money, also mit Blick auf die Subventionen interessant.

Für die Wirtschaft in Deutschland gilt: Investiert wird nur, wo subventioniert wird. Von RWE heißt es: „Angesichts des hohen Kapitalbedarfs für den Netzausbau prüfen wir derzeit verschiedene Optionen und Finanzierungsmöglichkeiten in Bezug auf unsere Amprion-Beteiligung.“ Laut einem Bericht des Habecknahen Handelsblattes „erwägt“ RWE „offenbar einen Verkauf seiner Beteiligung am Stromnetzbetreiber Amprion. Das sagten mehrere mit der Sache vertraute Personen dem Handelsblatt.“ Würde der Bund RWE die Amprion-Anteile abkaufen und die Verhandlung über die Übernahme von Tennet abgeschlossen sein, dann wäre der deutsche Staat an allen vier Übertragungsnetzbetreiberkonsortien, die verantwortlich für das deutsche Stromnetz sind, beteiligt – damit wäre der Weg frei zur Deutschen Netz AG.

Tennet verfügt über ein Stromnetz von 13.000 Kilometer in Deutschland und verbindet die Betreiber von Windkraftanlagen im Norden mit Kunden im Süden der Bundesrepublik, eben über jene Trassen, die im großen Stil ausgebaut werden sollen. Dass der Niederländer und dass RWE ihre Anteile womöglich verkaufen wollen, liegt vor allem an den Kosten, die für die nächste Jahre prognostiziert werden. In den nächsten zwei Jahrzehnten wird mit der stolzen Summe von 300 Milliarden Euro gerechnet. Tennet hat für sich bis 2033 einen Investitionsbedarf von 96 Milliarden Euro ausgerechnet, bei Amprion/RWE geht man bis 2028 von 27,5 Milliarden Euro aus. Zu den 300 Milliarden Euro für die Übertragungsnetze und Stromtrassen kommen übrigens noch einmal 150 Milliarden Euro für die regionalen Verteilnetze hinzu. Doch erfahrungsgemäß wird das alles viel teurer, als es bisher gerechnet wird.

Doch gestern stellten die Bundesregierung und Tennet die Verhandlungen überraschend ein. Ganz im Sinne des hübschen Energiewendemärchens reagierte der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz verschnupft: „Ich halte die Idee einer konsolidierten deutschen Netz AG angesichts der gigantischen planerischen, baulichen und finanziellen Dimension beim Netzausbau für den richtigen Weg“, wie dpa Bayaz zitiert. „Eine Sperrminorität sollte beim Staat liegen, der Großteil über private Investoren mobilisiert werden.“ Klimaplanwirtschaft, so etwas wie Staatswirtschaft nicht in rot, aber in grün.

Dabei möchten die Niederländer ihre deutschen Netze so schnell wie möglich loswerden. Durch Habecks Turboelektrisierungsutopien auf der Grundlage der sogenannten Erneuerbaren Energien fallen für die Übertragungsnetzbetreiber horrende Summen an – und die will der niederländische Staat für Habecks große Utopie nicht aufbringen. Man kann es den Niederländern nicht verdenken, dass sie für Deutschlands elektrische Träume nicht bezahlen wollen. In den Niederlanden ist es nicht mehr vermittelbar, warum niederländische Gelder in Milliardenhöhe im deutschen Energiewendesumpf versickern sollen. Dennoch scheiterten die Verhandlungen daran, dass Robert Habeck zum Erwerb des Riesenspielzeugs das nötige Kleingeld fehlte. Es soll um 20 bis 25 Milliarden Euro gegangen sein, wie die WELT glaubt. Dieses Geld konnte die Bundesregierung nicht aufbringen, denn leider, leider hatten das Bundesverfassungsgericht und die Schuldenbremse der hemmungslosen Verschuldung vorerst einen Riegel vorgeschoben.

Da die Niederländer das deutsche Netz nicht an Deutschland zu dem Preis verkaufen können, den sie aufrufen, sollen Überlegungen angestellt werden, Tennet-Deutschland an die Börse zu bringen. Hier hofft man auf langfristige Anleger, auf den australischen Infrastrukturfonds Macquarie beispielsweise. Aber ob angesichts der deutschen Wirtschaftsentwicklung selbst langfristig agierende Fonds in Deutschland ohne Risikogarantie investieren wollen, wo, wie der Chef der deutschen Börse, Theodor Weimer, sagte, doch Deutschland zum Ramschladen geworden sei und die guten, die langfristigen Anleger zunehmend um Deutschland einen Bogen machen, ist höchst ungewiss.

Hinzu kommt, dass die Klassifizierung des Stromnetzes als kritische Infrastruktur eigentlich nur Beteiligungen europäischer Investoren zulässt. Selbst Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Energiewendefan, kann vor der Misere nicht die Augen verschließen: „Wenn nicht mal mehr demokratische Staaten bereit sind, unter den aktuellen Rahmenbedingungen in das Netz in Deutschland zu investieren, dann sagt das viel aus über das aktuelle Investitionsklima in Deutschland und warum es dringend eine Wirtschaftswende braucht.“ Zur Energiewende, zur Verkehrswende und zur Wärmewende kommt jetzt noch die Wirtschaftswende hinzu. Wenden ist übrigens zweimal links abbiegen.

Wie hoch das Vertrauen zu Ampel-Deutschland und zu Habecks Zaubereiministerium ist, zeigt die Absage der Schweden vor wenigen Tagen, das Projekt „Hansa Power Bridge“ zu realisieren, in dem es um den Bau einer Ostseeleitung geht. Schwedens Energieministerin Ebba Busch begründete den Stopp mit den Worten: „Wir können Südschweden, das ein großes Defizit in der Stromproduktion hat, nicht mit Deutschland verbinden, wo der Strommarkt heute nicht effizient funktioniert.“ Busch verwies auf Instabilitätsgefahr des Netzes und auf höhere Stromkosten.

Höhere Stromkosten könnten in der Tat in absehbarer Zeit auf die deutschen Stromkunden zukommen, denn die Bundesregierung hatte beschlossen, den Bundeszuschuss für den Netzausbau in Höhe von 5,5 Milliarden Euro zu streichen. Damit dürften diese Kosten auf die Stromrechnungen der Kunden umgelegt werden. Was tut man nicht alles für die Ukraine, für Fahrradwege in Peru, für die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung in Afrika, für die Hamas, für deutsche Haltungs- und Migrationsförderungs-NGOs und natürlich für das Kochen auf Palau. Höhere Energiesteuern, kein Geld zurück wie versprochen durch das Klimageld, Verlagerung der EEG-Umlage von den Stromrechnungen der Bürger in das Steueraufkommen der Bürger, Streichung des Zuschusses zum Netzausbau, der jetzt auf die Stromrechnungen der Bürger umgelegt wird – so sehen Habecks „Entlastungen“ aus, derer er nicht müde wird, sich ständig zu rühmen.

Das letzte Wort ist in der Tennet-Frage und der Schaffung einer Deutschen Netz AG noch nicht gesprochen. Zwar „ist der Weg, der eigentlich geplant war, nicht möglich gewesen zu gehen“, wie Robert Habeck konstatiert, doch Robert Habeck wäre nicht der weitbeschreite Zauberkünstler, wenn er nicht emsig nach neuen Schleichwegen und Hintertüren sucht und suchen lässt: „Das heißt aber nicht, dass andere Wege nicht gefunden werden sollten.“ Dann „müssen wir halt noch mal von vorne nachdenken.“ Welchen Weg der Pyrrhus-Mann auch finden mag, für die Wirtschaft wird es schlechter und für die Bürger teurer, denn Robert Habeck denkt groß.

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