Tichys Einblick
neue Kraft schöpfen

Wie schauen Glücksmomente aus, welche TE-Leser 2023 erlebten?

Impressionen, Erlebnisse, unumstößliche Tatsachen, die das sich neigende Jahr prägten, laufen wie Gedankenspiele vor unserem geistigen Auge rückwärts. Wir sind geneigt zu fragen: War es ein Gutes, ein Schlechtes oder war’s so mittendurch?

Barbara Goergen

Das Fest der Feste ist da! Für manchen tun sich Momente der Besinnung, des Nachdenkens, Innehaltens auf. Impressionen, Erlebnisse, unumstößliche Tatsachen, die das sich neigende Jahr prägten, laufen wie Gedankenspiele vor unserem geistigen Auge rückwärts. Wir sind geneigt zu fragen: War es ein Gutes, ein Schlechtes oder war’s so mittendurch?
Wie nun schauen Glücksmomente aus, welche unsere Leser erlebten?

Winterzauber – Ralf Brester

Wir sind noch nicht lange an diesem Ort. Es ist schön hier auf dem Land. Unsere neuen Nachbarn schätzen uns. Solche Schneemengen innerhalb von ein paar Tagen haben wir noch nicht erlebt. Jeden Morgen bin ich im Halbdunkel draußen und räume Schnee. Hier gibt’s viele Wege auf dem Gelände und eine lange Auffahrt zum Carport. Ein bis zwei Stunden Schieberei sind für mich schon recht sportlich.

Es ist noch nicht ganz hell. Mein Blick ins Tal reicht keine 100 Meter weit. Langsam erst macht sich das Tageslicht bemerkbar. Schnee fällt in dicken Flocken. Mit der Zeit kommt die Sonne durch. Der Schneefall lässt nach. Es klart auf. Sonnenlicht beleuchtet die Spitzen der Tannen am Waldrand. Für solche Augenblicke habe ich meine Kamera in der Tasche. Die Arbeit ist getan, mir ist längst warm geworden. Wohlig erschöpft steige ich den Hang etwas hinauf, um die Aussicht zu genießen. An der Grundstücksgrenze angekommen ist der Blick frei. In diesem Augenblick kommt die Sonne mit ganzer Kraft hinter den Wolken hervor. Das Tal ist hell erleuchtet. Wolken, Wald und weiße Weite erstrahlen. Und ich bin voller Freude.

Traumwanderung – Heike Hermer


Februar 2023. Endlich. Raus aus dem Alltag. Raus aus NRW. Freie Tage nur für mich. Angekommen in der Sächsischen Schweiz. Sachsen, meine Heimat. Statt des gebuchten kleinen Zimmers, bekomme ich eine hübsche Ferienwohnung. Was für ein Glück. Also mache ich es mir erstmal gemütlich. Ich bin der einzige Gast hier. Noch hat die Saison nicht begonnen. Obwohl ich diese Einsamkeit genieße, ist der erste Abend voller Melancholie. Es läuft gerade das Lied „Wenn sie tanzt, ist sie woanders …“. Für mich „tanzen“ durch „wandern“ ersetzt, so passend. Ich heule. Dann reiße ich mich zusammen, ich wollte doch hier sein. Also los, was als Erstes? Schauen, wie morgen das Wetter wird und eine Wanderroute festlegen. Wetter sieht gut aus. Sonne und Schnee. Schon wieder Glück.

Ich war schon oft zum Wandern in der Sächsischen Schweiz, aber noch nie bei Schnee. Ich freue mich drauf. Am nächsten Tag, der Rucksack ist gepackt mit allem Nötigen. Bloß nicht zu viel schleppen. Ich versuche minimalistisch zu sein. 
Ich laufe bei bestem Wetter, Schnee, strahlend blauem Himmel, Sonnenschein. Die Landschaft ist ein Traum. Die beeindruckenden Felsen heben sich dunkel und mystisch von der Schneelandschaft ab. Urige, verwunschene Wege schlängeln sich durch das Wald- und Felsenlabyrinth. Es geht über Wurzelgeflechte. Bäume, so schön, so dick, so schief, so ausdrucksstark, uralt, knorrig und irgendwie weise. Einige wachsen auf großen Felsen. Ihre Wurzeln umschlingen den Stein, wie ein Oktopus seine Beute. Dabei ist es eher wie eine Symbiose.

Jeder profitiert von jedem. Ein Gemeinsam statt einsam. Wieso können Menschen das nicht? Baum und Stein sind doch auch völlig unterschiedlich und leben miteinander. Der Stein trägt den Baum, und der Baum hält den Stein. Die Wurzeln wachsen um den Stein herum bis ins Erdreich. Ich könnte stundenlang schauen und staunen und lernen. Der frische Schnee glitzert. Alles sieht verzaubert aus. Ich bin im Märchenland. Kilometerweit laufe ich allein durch den verschneiten Wald. Kein Mensch, kein Tier. Ich höre nur das Knirschen des Schnees unter meinen Füßen und das leise Bling-Bling von dem kleinen Metallanhänger an meinem Rucksack. Sonst ist da nichts. Ich bleibe stehen, und dann höre ich nur noch mein Herz klopfen. Und sonst nichts. Ich laufe asketisch einfach um des Laufens willen.

Die Schönheit der Natur fasziniert mich und macht mich sprachlos. Auf meinem Weg werde ich nur von Tierspuren begleitet. Ich bleibe stehen und staune. Ich habe unendlich viel Zeit, denn Zeit spielt hier keine Rolle. Ich stehe wieder und staune und strahle und bin glücklich. Ich könnte ewig so weiterlaufen, mit meinem Rucksack, einfach nur so, weil es glücklich macht. Glücklich und satt von der wunderbaren Schönheit der Natur, die mich umgibt. Ich kann mich nicht satt sehen und bin doch satt vom Sehen. Und dafür bin ich unendlich dankbar.

 Glück im Unglück.

Obdachlos – Erika Wagner

Manchmal liegen Glück und Unglück sehr nahe, und gelegentlich folgt das Glück direkt dem Unglück oder umgekehrt.

Im Februar dieses Jahres wurde ich obdachlos, kurzzeitig auch völlig mittellos und habe obendrein noch meinen Mann verloren. Was war passiert? Nun werden Sie sich fragen, was das mit Glück zu tun hat. Es hat was damit zu tun, warten Sie es ab:

Im Februar, ich war mit dem Hund außer Haus, brannte meine Wohnung aus, und mein Mann kam darin um. Als ich mit dem Hund zurückkam, zwei andere Hunde von einem Freund hatte ich auch noch dabei, schloss ich die Tür auf, da roch ich es schon. Es kam aus dem Schlafzimmer, wo mein Mann in seinem Pflegebett lag. Ich brachte die Hunde in ein anderes Zimmer und versuchte, ins Schlafzimmer zu kommen. Aber da war kein Durchkommen mehr, der beißende Rauch biss mir schmerzhaft in den Hals, ich sah nichts als ein schwarzes Loch, aus dem nur Stille kam. Kein Laut, nichts außer Schwärze und Rauch. Ich bin raus mit den Hunden und da stand ich, konnte nichts tun, außer verzweifelt um Hilfe rufen. Endlich hörte man mich im Haus, obwohl alle Rauchmelder anschlugen, musste ich eine gefühlte Ewigkeit um Hilfe rufen, bis endlich jemand die Feuerwehr rief. Ich stand auf der Straße, und mein Leben war gerade mit einem Schlag weg. Ich hatte nur noch das, was ich am Leibe trug. Dummerweise habe ich die Jacke auch noch auf den Boden geworfen. Mein Mann war tot. Das wusste ich, weil es so still war. Ich stand da mit absolut nichts. Kein Handy, kein Geld, keine Wohnung, kein Mann, alles weg.

So, und jetzt komme ich zum Thema Glück. Eine Bekannte, die ich nur oberflächlich kannte, wir sind ein paarmal zusammen mit den Hunden gelaufen, bot mir spontan ihr Gästezimmer an. Der Pflegedienst und ein Freund, der zwei Hunde hat, mit dem wir regelmäßig zusammen Gassi gehen, riefen zu einer Spendenaktion bei Facebook auf und beim Bardino Forum, einem Hundeforum, ebenfalls zu Spenden auf. Innerhalb kürzester Zeit wurde ich mit Spenden überschüttet. Kleidung, Geschirr, Bargeld, Hundefutter und Hundebett. Ich war einfach nur noch überwältigt von soviel spontaner Hilfsbereitschaft.

Ja, die Ossis ticken anders, das wusste ich. Ich bin vor Jahren aus Freiburg in den Osten gezogen wegen der günstigeren Mieten. Als Rentner geht das ja. Aber sowas von Hilfsbereitschaft habe ich in meinen nun 69 Lebensjahren noch nicht erlebt. Mein Freund, der mit den zwei Hunden, hat mir innerhalb von 14 Tagen eine Wohnung besorgt, er hat für mich gebürgt. Ich hatte ja nicht mal Papiere. In die Wohnung konnte ich nicht, die war polizeilich versiegelt. Er hat Kaution und Miete vorgeschossen. Wer macht heute noch sowas? Dank all dieser hilfsbereiten Menschen geht es mir heute wieder richtig gut. Wenn das kein Glück ist, was dann? Sie haben mir den Mut gegeben weiterzumachen, denn ich war aufgrund des Pflegezustandes meines Mannes ohnehin schon nervlich am Ende, und dann passiert auch noch sowas.

Ja, es war eines der schlimmsten Jahre meines Lebens, aber es war auch das Jahr, in dem ich den Glauben an die Menschheit, den ich längst verloren hatte, wiedergefunden habe. Ich wohne nur ein paar Blocks von der alten Wohnung entfernt und habe alles, was ich brauche. Ja, ich hatte Glück, ich hatte Freunde, die spontan und selbstlos geholfen haben. Wer solche Freunde hat, der hat Glück.

Das Glück ist a Vogerl – Wilhelm Schramm

Nachdem ich also schon sieben Jahrzehnte auf diesen Planeten lebe, war es für mich nicht so einfach, das Thema so kurz zu beschreiben. „Das Glück is a Vogerl“, ein Satz von? …, also aus Österreich, dem Land, in dem ich lebe und das ich gerne habe. Für mich war das größte Glück in meinem Leben, dass ich immer zur rechten Zeit die richtigen Menschen getroffen habe. Das fing schon nach dem Abitur an, als ich durch Zufall (ich wollte eigentlich Architektur studieren) eine Textil-Fachoberschule besuchte, und das war‘s. Nach dem Studium kam ich durch eine Anzeige in der FAZ nach Österreich in eine Weberei, die Stoffe für Hemden usw. herstellte. Hier wieder, nette, positiv eingestellte Mitarbeiter und dann den ganzen Planeten als Markt.

Genau das war das Glück, die Menschen und Mentalitäten rund um den Erdball kennenzulernen. Um es abzukürzen, es war erfolgreich. Daneben war es für mich ein großes Glück, eine Familie zu haben und eine Frau, die das Haus organisiert hat. Das ist auch Glück. Mein persönlicher Glücksfall in diesem Jahr: Beim Global Creative Paper Folding Contest Korea habe ich in der künstlerischen Origami Faltung den ersten Preis und die Goldmedaille gewonnen. Das ist wie Lotto, ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, es kam über mich „wie a Vogerl“.

Reise des Glücks – Eva Fischer

Was war mein persönlicher Glücksmoment 2023? Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Als Ungeimpfte habe ich drei Jahre lang im „Corona-Knast“ gelebt, da ich wegen einer Erkrankung keine Maske tragen konnte und mein Befreiungsattest nicht immer anerkannt wurde. Für notwendige Stadtfahrten habe ich ein Taxi gerufen, um Ärger im ÖPNV zu vermeiden, bin drei Jahre lang aus meinem Wohnort nicht herausgekommen. Als Anfang des Jahres die Maskenpflicht aufgehoben wurde und ich mich darauf freute, mich endlich wieder frei bewegen zu können, wurde ich krank. Nein, kein ‚C‘. Es waren mehrere, ganz unterschiedliche gesundheitliche Probleme, die sich unglücklicherweise nahezu nahtlos aneinanderreihten. Das ging über ein paar Monate, und ein paar weitere Monate brauchte ich, um allmählich wieder auf die Beine zu kommen.

Eine im Herbst spontan gebuchte Reise führte mich nach Norwegen, u. a. auf die Lofoten. Als ich morgens um sieben Uhr nach dem Tendern in Leknes an Land gegangen bin, diese beeindruckende Landschaft gesehen habe, dazu eine traumhaft schöne Färbung des Himmels, da habe ich eine unglaubliche Ruhe verspürt und fühlte mich in diesem Moment unbeschreiblich glücklich, weil ich das erleben durfte.

Nach drei Jahren der Diffamierung, Diskreditierung, Beleidigung, Unter-Druck-Setzung, Dauerindoktrination seitens der Medien, Beschimpfung durch deren Sprechpuppen, dummdreisten Auftritten Böhmermanns, massiven Einschränkungen, Streit in der Familie, der Beendigung langjähriger Freundschaften … Und das alles, weil ein paar größenwahnsinnige Milliardäre, eine geldgierige Pharma-Mafia, gewissenlose Ärzte/Wissenschaftler und ihre willfährigen Helfershelfer, darunter unsere Politiker, mit der Umsetzung ihrer geisteskranken Fantasien einer erfundenen P(l)andemie à la Event 201 die Bevölkerung knechten und versklaven wollten.

Glückliches Lachen – Sabine Küster-Reeck

Ich sitze auf einem niedrigen Höckerchen, gezimmert aus Holz und Leder. Die Luft ist staubig und riecht nach Gewürzen, Weihrauch, Tieren und allerlei undefinierbaren Dingen. Etwas komisch ist mir zumute, denn von vielen Seiten zupft und zieht es an mir: An meinen Haaren, meiner Kleidung, meinen Ohren. Aus meiner kauernden Haltung heraus kann ich mich schlecht umsehen. So ganz geheuer ist mir die Situation nicht, denn ich bin mir nicht sicher, ob mein eher feiner Haarschopf robust genug ist, den Zupfattacken standzuhalten. Ich sehe mich um, habe aber Angst, mit meinem wackeligen Höckerchen umzufallen. Das fragile Sitzmöbel ist mir untergeschoben worden, von einer Verkäuferin für Tontöpfe, um deren Preis ich nun feilsche.

Das Zupfen kommt von vielen kleinen Händchen. Mindestens 10 bis 15 kleine Kinder umringen mich, es gibt nichts an mir, was sie nicht genau untersuchen. Besonders ein kleiner Bub, vielleicht drei Jahre alt, tut sich mutig hervor. Die noch sehr junge Verkäuferin ist seine Mutter. Das kleine Höckerchen mit mir als Gast drauf, steht auf einem Markt im Norden Äthiopiens. Mit äußerst konzentrierter Miene untersucht das halbnackte Kerlchen meine hellen Haare. Dann aber schaut er mit zusammengezogenen Brauen, als wolle er eine schwierige Mathe-Aufgabe lösen, auf meine Hände, die (noch) recht entspannt auf meinen Oberschenkeln ruhen. Er befeuchtet seinen winzigen Zeigefinger und beginnt mit geradezu wissenschaftlich ernster Miene an meinem Handrücken zu rubbeln. Diese Farbe, die irritiert ihn! Da stimmt doch was nicht! Diese Farbe muss doch irgendwie abgehen! Und darunter, ja darunter muss die wirkliche, die richtige Farbe zum Vorschein kommen. Und diese Farbe wäre dann dunkler, sehr viel dunkler als die meiner Haut. Das scheint der kleine Kerl ganz genau zu wissen. So müht er sich redlich ab, auch wenn das Projekt zum Scheitern verurteilt ist.

Da aber kann ich mich nicht mehr beherrschen beim Anblick des winzigen, ernsten und rotzverschmiertem Gesichtchens und pruste los vor Lachen, denn der Kleine ist einfach unwiderstehlich. Allen Umstehenden geht es nicht anders. Die Menge hat inzwischen einen beachtlichen Umfang angenommen! Wir lachen alle gemeinsam. Sogar einen bärtigen, ernsten Priester der orthodoxen, äthiopischen Kirche hält es nicht länger! Ich fühle mich glücklich, hier zu sein. Es ist etwas Besonderes, etwas Einzigartiges. Dass man über mich lacht, über einen kleinen Knirps lacht, der sich traut, einer „Ferenji“ „ans Leder“ zu gehen, um ihr „wahres Ich“ ans Tageslicht zu bringen. Nämlich die dunkle Haut einer Äthiopierin. Das Gelächter von lauter Menschen, materiell viel ärmer als ich, erwärmt mein Gemüt bis ins Mark und macht mich glücklich, denn es ist authentisch! Glück hier, in diesem Land, ist existenziell!

Geben Sie die Suche nach dem Glück nicht verloren, denn oft sind es kleine Dinge, die sich zu einem glücklichen Ganzen zusammenfügen. Man muss sie erkennen, annehmen und aus ihnen neue Kraft schöpfen.

Besinnliche Weihnacht und ein wohlmeinendes 2024!

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