Graichens Werk, Habecks Beitrag: Am Ende der Ampel steht das wichtigste Kind der „Vernunftehe“ zwischen Rot, Grün und Gelb noch einmal zur Debatte. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das lange vor seiner Verabschiedung schon als Heizungsgesetz den Weg in den Volksmund gefunden hatte, steht exemplarisch für die vergangene Legislatur. Noch mehr als die Zeitenwende samt Sondervermögen, das Selbstbestimmungsgesetz oder das Wahlgesetz hat die „Lex Graichen“ die Volksseele und den Geldbeutel gleichermaßen umwühlt.
Dass Bauministerin Klara Geywitz (SPD) dieses Fass neuerlich öffnet, verwundert auf den ersten wie zweiten Blick. Dass nicht nur die FDP, sondern auch die SPD beim GEG mit den Grünen fremdelte, und insbesondere die Belastungen als Wählergift galten, ist bekannt; dennoch haben Kanzler Olaf Scholz und die SPD-Granden nachgegeben. SPD und FDP hätten bereits damals das unpopuläre Heizungsgesetz stoppen können, dessen geistiger Urheber Patrick Graichen die Ideen aus seiner Agora-NGO mitbrachte.
Ebenso verwunderlich erscheint, dass Geywitz ausgerechnet in der Phase der rot-grünen Minderheitsregierung so offene Kritik an dem Gesetz übt, denn schließlich ist man nun umso mehr auf den grünen Partner angewiesen. Die SPD-Ministerin ließ sich sogar zur Äußerung hinreißen, dass sie bei dem Thema mit dem damals FDP-geführten Finanzministerium weniger Probleme hatte als mit dem Grünen-geführten Wirtschaftsministerium. Das ist ein direkter Bugschuss für Habeck und die Habeck-Partei.
Ziel der Ministerin sei es, dass Bauen in Deutschland wieder günstiger werden müsse. „Aus meiner Sicht müssen wir dieses Gebäudeenergiegesetz grundsätzlich reformieren und viel, viel einfacher machen“, sagte Geywitz. Es sei zu komplex und enthalte zu viele Einzelvorschriften. Geywitz regte stattdessen ein „CO2-Budget“ an. Der Staat müsse sich auf das Einsparen von CO2 im Gebäudebereich konzentrieren, die konkrete Umsetzung müsse aber nicht im Detail geregelt werden.
Die CDU/CSU, die noch vor ein paar Monaten angekündigt hatte, das Heizungsgesetz nicht anzutasten, zeigte sich nun ebenfalls offen für die Abschaffung; und die FDP, die im Bundestag für das Gesetz gestimmt hatte, will nun ebenfalls an der Reform bzw. Abschaffung mitwirken. Glaubwürdig sind diese Ankündigungen so sehr wie der Versuch von Geywitz, den Schwarzen Peter nun einzig an Habeck delegieren zu wollen.
Fakt ist: SPD, Grüne und FDP haben für das Gesetz gestimmt und CDU/CSU haben, obwohl sie dessen schnelle Verabschiedung vor der Sommerpause verhinderten, die Zeit ungenutzt verstreichen lassen, um der Ampel gezielt Stöcke in die Speichen zu werfen. Hätte die FDP die Ampel anlässlich des Heizungsgesetzes verlassen, dann würde sie heute nicht um den Wiedereinzug ins Parlament bangen müssen. Der Unmut im Volk war derart groß, dass man bei einer Kundgebung in Erding diesen spüren konnte. Auch anderswo organisierten sich Proteste, und im Zusammenhang mit der Agora-Affäre erschien bereits der Sommer 2023 wie die Endphase der nunmehr geplatzten Koalition.
Geywitz’ Vorpreschen kündigt damit den Wahlkampf an. Für das Schlechte sind einzig die anderen schuld. Die Partei, die seit 1998 rund 20 Jahre regiert hat, sieht sich nicht für die Regierungspolitik verantwortlich, selbst wenn sie den Kanzler stellt. Die Ankündigung ist daher wie die Absichtserklärung der Union mit Vorsicht zu genießen. Nur in der Konstellation, dass FDP, Linke und BSW allesamt den Einzug verpassen, könnte in einem Vier-Fraktionen-Parlament eine Mehrheit für Schwarz-Rot verfügbar sein. Ansonsten wird mindestens ein Koalitionspartner Robert Habeck heißen.
Und mit dem über das GEG zu verhandeln, das hieße, es noch grüner zu machen.