Wie Feiertage gestaltet werden, ist Sache der Länder. Was den Karfreitag betrifft, regeln die es recht unterschiedlich. So gilt in Bayern ein Tanzverbot schon am Gründonnerstag, das bis einschließlich Samstag Mitternacht dauert. In Berlin beschränkt sich das Verbot rein auf den Freitag und auch da nur von 4 bis 21 Uhr. Vor 21 Uhr gehen in der Hauptstadt aber eigentlich nur Minderjährige tanzen.
Die Coronapolitik bedeutete ohnehin ein Dauer-Tanzverbot. Nun ist im Schatten von Corona eine neue Generation Clubgänger herangewachsen, die sich zum ersten Mal mit dem österlichen Tanzverbot konfrontiert sieht. Nur: Ist das noch zeitgemäß? Darüber diskutieren unsere beiden Redakteure Maximilian Tichy und Mario Thurnes.
Contra – Maximilian Tichy
Deutschland ist kein Gottesstaat. Die Religionsausübung ist frei: frei, sie zu praktizieren, und frei, sie zu unterlassen. Das gilt für das Christentum wie für andere Religionen auch. Wer am Karfreitag zur Ruhe kommen und dem Opfer Christi gedenken will, der soll das tun. Im Privaten soll jeder seinen Glauben ausleben, wie er es für richtig hält. Niemand hat aber das Recht, einem anderen die eigene Trauer aufzubürden. Ein erzwungenes Opfer ist keine Glaubensgeste, sondern eine Zumutung. Absurd wäre es ja auch, Restaurants im Ramadan das Servieren von Speisen tagsüber zu verbieten.
Gerade in diesem Jahr ist es scheinheilig, der Jugend ein „einmaliges“ Opfer abzuverlangen. Verzicht, das ist die Generation Lockdown besser gewohnt als die Generation Discokugel. Vorgeblich um die Alten zu schützen, mussten heranwachsende und junge Leute jahrelang verzichten. Das Normalste auf der Welt, sich mit Freunden zu treffen, wurde kriminalisiert. Wer „illegal“ feiern ging, der gefährdete kein abstraktes Seelenheil, sondern ganz konkret die Großmutter. Dass jene, die nun sowieso zuhause sitzen, von den Jungen wieder einmal verlangen zu verzichten: Das ist übergriffig.
Pro – Mario Thurnes
Es gibt für alles seine Zeit, auch fürs Tanzen. So heißt es in dem Tanzfilm „Footloose“ aus dem Jahr 1984. In dem rebellieren Jugendliche gegen den puritanischen Pfarrer, der das Kaff im Mittleren Westen eigentlich regiert. Die Jugendlichen haben Recht: Es gibt eine Zeit fürs Tanzen. Die umfasst in Deutschland gut 360 Tage im Jahr – das sollte reichen, um sich auszutoben.
Auch die Ruhe, das Kontemplative braucht seine Zeit. Karfreitag ist der richtige Tag dafür. Für Christen, weil sie des Opfers Jesu gedenken, das dieser für ihre Erlösung brachte. Für Unreligiöse, weil der Tag vor der großen Feier, dem großen Sichgehenlassen, wie dafür gemacht ist, in sich zu gehen, zu ruhen und darin Stärke zu finden. Einen Tag nur, danach kann es dann gerne wieder heißen: Footloose!
Debatte
Wie sehen Sie, werte Leser, das Thema? Befürworten Sie ein Tanzverbot oder sind Sie der Meinung, dass sich das in einer Zeit erledigt hat, in der es Jahr für Jahr weniger Christen in Deutschland gibt?