„Bei Gesundheitsminister #Lauterbach finden sich kaum Anzeichen einer fundierten akademischen Vergangenheit“, mit diesen Worten bewirbt der Tagesspiegel seine aktuelle Geschichte. Die Redaktion habe für diese selbst nach Lauterbachs Publikationen gesucht und Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern geführt – vor allem aus seiner Zeit am Institut für Gesundheitsökonomie, Medizin und Gesellschaft der Universität Köln, das er ab 1996 selbst aufbaute. Bevor er auf diese Professorenstelle berufen wurde, so der Tagesspiegel, sei er wissenschaftlich nicht so in Erscheinung getreten, dass diese Berufung „zwingend“ gewesen sei.
Der Hauptvorwurf des Tagesspiegels lautet, dass Lauterbach bis dahin nicht als Erstautor in einem anerkannten, wissenschaftlichen Magazin publiziert habe. Auch habe er sich laut ehemaligen Mitarbeitern wenig mit epidemiologischen Methoden beschäftigt. Der Auftritt in den Medien sei ihm – schon damals – wichtiger gewesen als die wissenschaftliche Arbeit. Die Zahl und Qualität der veröffentlichten Arbeiten ist in der akademischen Welt ein wichtiger Grad, an dem Wissenschaftler gemessen werden.
Interessant ist, dass ausgerechnet der Tagesspiegel das Thema aufgebracht hat. Die Hauptstadt-Zeitung steht der SPD nahe. Sie wird oft von Sozialdemokraten genutzt, um sogenannte U2-Meldungen zu platzieren. U2 bedeutet, dass ein Politiker einem Journalisten eine Information zukommen lässt und will, dass dieser sie auch veröffentlicht – allerdings ohne dass der Politiker selbst im Text als Quelle erscheint. Stattdessen bemüht der Journalist die „gut informierten Kreise“ oder Ähnliches als Quelle. Es spricht also viel dafür, dass der Tagesspiegel aus Reihen der SPD mit Material über Lauterbach gefüttert wurde und wird.
Die Publikation des Tagesspiegels nun passt zu solchen Vorwürfen. Denn in den Medien stark vertreten sein zu wollen, aber die Mühen der Ebene zu scheuen – das zieht sich als roter Faden durch Lauterbachs Laufbahn. So erhielt er seine Approbation als Arzt in Deutschland laut Spiegel erst 2010. Ihm fehlen und fehlten die verpflichtenden 18 Monate als „Arzt im Praktikum“. Die Approbation erhielt Lauterbach erst, als diese Hürde per Gesetz wegfiel. Als Gesundheitsminister mehren sich die Stimmen aus seinem Haus, Lauterbach würde sich nur für Corona interessieren. Andere Baustellen wie die davonlaufenden Kassenbeiträge, Fachkräftemangel im Arzt- und im Pflegeberuf oder der Kampf gegen multiresistente Krankenhauskeime interessierten ihn hingegen nicht.
Aufgrund seines Lebenslaufs hätte sich eine frühere Karriere Lauterbachs aufgedrängt: Arbeiterkind, Studium und Vorträge in Harvard, mehrere Buch-Veröffentlichungen … Doch Gerd Schröder, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel hielten ihn konsequent an der Seitenlinie. Lediglich Peer Steinbrück machte ihn 2013 zum potenziellen Minister in seinem Schattenkabinett. Als Lauterbach kurz vor der Corona-Pandemie gemeinsam mit Nina Scheer um den Vorsitz der SPD kandidierte, landete er auf Platz vier von sechs, mit etwas mehr als 31.000 Stimmen. 14,6 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 53,3 Prozent.
Nach einigen bekannt gewordenen Fällen der Affenpocken nimmt Lauterbach wieder die Rolle des Mahners und Warners an, die ihn berühmt gemacht hat. In den ersten drei Monaten des Ukraine-Krieges hatte ihm diese öffentliche Aufmerksamkeit weitgehend gefehlt. Auch sind die Affenpocken ein Grund, die Arbeit im Ministerium weiterhin liegen zu lassen. Dass er die Beitragserhöhung der Krankenkassen nicht verhindern will, hat Lauterbach bereits angekündigt.