Tichys Einblick
Gleichzeitige Realität – ungleiches Licht

Illerkirchberg und die bulgarische Grenze in der Tagesschau

Ein „Pushback“ in Bulgarien und die Messertat von Illerkirchberg: Ein Tag, zwei Nachrichten. Während die Tagesschau die vermeintlichen „Pushbacks“ an der bulgarisch-türkischen Grenze groß aufmacht, erfährt der Zuschauer über das Verbrechen nicht einmal die bereits bekannten Details.

IMAGO / photothek

Bulgarien ist nicht Mitglied der Schengen-Zone. Das war lange Zeit der Grund für die große „Attraktivität“ Griechenlands für illegale Migranten aus der Türkei: Sie konnten in dem Schengenland sofort einen Asylantrag stellen oder versuchen, klammheimlich von der Reisefreiheit im weitgehend unkontrollierten Binnenraum profitieren. Oder zuerst internationalen Schutz in Griechenland erlangen, um dann in Deutschland um etwas ähnliches nachzusuchen. Nun hat die konservative Regierung in Athen den Grenzschutz seit geraumer Zeit zur Priorität erklärt, und so erklären sich diverse Ausgleichsversuche. So gibt es immer noch Schiffs- oder Bootsfahrten, die von der türkischen Küste direkt nach Italien führen sollen. Viele der Gefährte geraten vor griechischen Küsten mehr oder weniger in Seenot und müssen daher weit im Westen an Land gelassen werden. Andere erreichen wohl auch die italienische Halbinsel.

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Als zweite Grenze tritt nun die türkische zu Bulgarien in den Brennpunkt des Geschehens. Über den Sommer berichteten die bulgarischen Grenzschützer von stark gestiegenen Aufgriffen, die sich auf einer für das Balkanland schwer zu ertragenden Höhe bewegten. Von einer Verdreifachung war die Rede, ähnlich wie am anderen Ende der Balkanroute in Ungarn und Österreich. Nun zeigte die Tagesschau einen weiteren Teil derselben Realität: Migranten aus Syrien, die es offenbar für ihr Recht halten, europäische Grenzbefestigungen zu überwinden. Nun steht an der bulgarisch-türkischen Grenze keine massive Barriere, aber ein Zaun, der keinen Zweifel daran lässt, dass illegale Grenzüberschreitungen unerwünscht sind. Insofern ist auch der Gebrauch der Schusswaffe vielleicht weniger verwunderlich, als es einige Medien nun hinstellen. Es mag im übrigen ein Warnschuss gewesen sein, der nicht sorgfältig genug gezielt war.

Im Videomaterial vom Rechercheverbund Lighthouse ist nur ein Schuss hörbar. Woher er kam, ist zudem ungeklärt, wie auch die „forensischen“ Rechercheure zugeben. Er könnte ebenso gut von türkischer Seite aus abgefeuert worden sein. Jedenfalls haben die Rechercheure rund um Lighthouse, die ARD und andere beschlossen, diesen, an sich recht kleinen Vorfall als „Gewalt gegen Flüchtlinge“ breitzutreten, als exemplarischen Fall zu behandeln – um genau zu sein, geschah das mehr als zwei Minuten lang in der Tagesschau. Der Beitrag selbst belegt aber, dass der angeschossene „Flüchtling“ den Schuss überlebt hat: „Es ist ein Wunder. Ich hätte nie gedacht, dass auf mich geschossen wird. In einem Land, das sich europäisch nennt.“ (O-Ton Abdullah El Rüstüm)

Nun lässt sich immer sagen, dass das Überleben nur Glück war und solches keinesfalls passieren darf. Aber ganz sicher ist auch das andere nicht einfach hinnehmbar, dass nämlich junge Männer straf- und gefahrlos Grenzbarrieren stürmen können. Es gibt jedenfalls eine hinreichende Rechtsprechung zu dem Thema, die deutlich macht, dass das gefilmte Verhalten der jungen „Syrer“ keineswegs rechtskonform oder akzeptabel ist. Insofern kann der Schwerpunkt, den die Tagesschau da setzte, nur erstaunen – umso mehr, als gleich im Anschluss, ein ungleich gravierenderer Fall von Gewalt mit weniger Zeit und weniger gestellten Fragen auskommen musste. Die Messerattacke auf zwei Mädchen (13 und 14 Jahre) in Illerkirchberg, südlich von Ulm, erhielt nur eine Minute und zwanzig Sekunden in derselben Tagesschau. Die Rede ist hier auch von „einem Verdächtigen sowie zwei weiter Männer aus einer nahegelegenen Asylbewerberunterkunft“, die allesamt in Polizeigewahrsam genommen wurden. Laut Bild-Zeitung handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen 27-jährigen Eritreer. Eines der Mädchen starb an seinen schweren zugefügten Verletzungen. An der Knappheit des Tagesschau-Berichts ist auch die Tatsache mit schuld, dass das öffentlich-rechtliche Nachrichtenflaggschiff nicht bereit ist, mehr Details zu derlei „heiklen“ Vorkommnissen zu bringen.

Jetzt mag man fragen: Welche Details? Zum Beispiel – neben dem Entsetzen der Mitmenschen, Nachbarn, Ortsansässigen – diese vom SWR berichtete Einzelheit:

Ein Augenzeuge hatte dem SWR berichtet, dass er am Morgen in dem Ort südlich von Ulm nahe einer Ampel Geräusche gehört habe. Er schaute nach und „da lag das Mädchen blutend am Boden mit einer riesigen Stichwunde im Bauch. Ein zweites hatte Verletzungen unterhalb der Brust, eine Stichwunde. Sie war völlig aufgelöst.“

Und auch die „herzliche Anteilnahme“ des Innenministers Thomas Strobl wäre vielleicht noch irgendwie berichtenswert gewesen.

Kurz gesagt: Wo das Offenstehen der Grenzen gefährdet wird durch Grenzschutz – der vielleicht nicht immer professionell, nicht absolut sicher in der Wahl seiner Mittel ist – , sind unsere Medien sofort alarmiert. Wo es um die sinkende Sicherheit im Innern geht, wird betreten über Umstände und Ursachen geschwiegen. Auch von einem baldigen Besuch der Innenministerin in Illerkilchberg kann man heute noch nicht ausgehen. Nancy Faeser hat bisher jedenfalls keine Vorliebe für Präsenz an derart „schwierigen“ Orten für die eigene Neuansiedlungsagenda bewiesen – um von Bundeskanzler Olaf Scholz, Familienministerin Lisa Paus oder auch Justizminister Marco Buschmann zu schweigen.

Die ARD-Nachrichtensendung bildet so die „blinden Flecke“ der Politik ab und verstärkt sie medial. Und das ist ein Circulus vitiosus der Sonderklasse. Und natürlich ist das jeden Jammers würdig. Der deutsche Staat vernachlässigt seine Schutzpflicht in drastischer Weise. Das wäre das krönende, vielleicht sicher ausschlaggebende Argument für alle drei Ampel-Parteien, um mit diesem Zuwanderungs-Tsunami Schluss zu machen, der im Oktober (23.918 Erstasylanträge) erstmals wieder Ausmaße wie zuletzt im November 2016 (24.574 Erstanträge) erreicht hat.

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