Deutsche Steuermillionen für Infrastruktur in Indien – während sie hierzulande verfällt
Sandro Serafin
Während in vielen deutschen Städten der öffentliche Personennahverkehr ausgedünnt wird, steckt Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze Steuergelder in indische U- und S-Bahnen. Und Schulze strahlt zur Eröffnung, während der Steuerzahler leidet.
Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Auch in Berlin kam jüngst nach einer trockeneren Phase Regen vom Himmel. Meine erste S-Bahn-Fahrt gestaltete sich unter diesen Bedingungen sogleich ernüchternd: Langsam, aber konstant tropfte es durch die Decke des Zuges hindurch. Diese Begebenheit fiel mir nun ein, als ich eine Jubelmeldung des Bundesentwicklungsministeriums las: In Indien hat Premierminister Narendra Modi eine neue Metrolinie eingeweiht, die zwei wichtige Städte im Westen des Landes miteinander verbindet und Pendlern das Leben einfacher machen soll.
Finanziert wurde das 600 Millionen Euro schwere Projekt auch mit deutscher Hilfe: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat im Auftrag der Bundesregierung ein „zinsverbilligtes Darlehen“ von 100 Millionen Euro beigesteuert. Ein „zinsverbilligtes Darlehen“ setzt sich laut allgemeinen Informationen der KfW ausschließlich aus Geldern zusammen, die am Kapitalmarkt aufgenommen werden. Allerdings werde der Zins durch Haushalts-, also Steuermittel abgesenkt. Wie genau dies im konkreten Fall der Metro aussieht, ist unklar. In jedem Fall haftet der Staat für einen etwaigen Zahlungsausfall, den die KfW aber für höchstunwahrscheinlich hält.
Die nun eröffnete Strecke ist nicht das einzige Verkehrsprojekt, das von Deutschland in Indien, einem Land mit stark steigendem Bruttoinlandsprodukt, gefördert wird, wie schon eine oberflächliche Recherche ergibt. Die Projektdatenbank der KfW spuckt allein zum Schlagwort „Metro“ sechs Eintragungen für Indien aus, hinter denen sich jeweils dreistellige deutsche Millionenkredite verstecken.
Auch wenn es sich um Gelder handelt, die zurückgezahlt werden müssen, muten diese Investitionen angesichts der Infrastrukturprobleme im eigenen Land schräg an. Die eingangs erwähnte Erfahrung war ja keinesfalls rein anekdotisch: Die Probleme im öffentlichen Transport in Deutschland kann niemand leugnen. Und sie beschränken sich auch nicht nur auf die völlig kaputt gemanagte Deutsche Bahn, bei der mittlerweile jede Fahrt zum Lotterie-Spiel geworden ist.
In Berlin zum Beispiel stehen auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in der Kritik. Die haben gerade erst die Taktung auf mehreren Linien ausgedünnt. Grund ist laut rbb eine veraltete Fahrzeugflotte, wodurch es häufig zu Ausfällen und Verspätungen komme: „Durch die Taktverlängerung sollen die Berliner U-Bahnen wieder verlässlicher fahren.“ Probleme gibt es zudem mit Personalmangel und Krankmeldungen. Auch im Busverkehr herrscht laut rbb eine Angebotslücke.
Während diese Probleme alle ungelöst sind, bejubelt das Entwicklungshilfeministerium die neue Metro-Linie in Indien: Die biete einen „klimafreundlichen und sicheren Transportweg“. Durch die Nutzung werde „eine jährliche Einsparung von 50.000 Tonnen CO₂ erwartet“, schreibt das Ministerium in einer Mitteilung. Auch Ministerin Svenja Schulze (SPD) ist erfreut: Das Projekt sei gut „für die Umwelt und die Menschen in Indien“. Außerdem profitiere Deutschland durch die Nutzung deutscher Technologien: Siemens hat mitgebaut.
Und dann holt die Ministerin noch den ganz großen Hammer raus: „Dieses Engagement ist eine Investition, die sich rechnet – für Indien, für Deutschland und für die Welt.“ Eine Nummer kleiner ging es wohl nicht. Während die Ministerin also von der Weltenrettung träumt, bekommt die Politik vor Ort in Deutschland nicht einmal die kleinsten Probleme gelöst. Das ist nichts anderes als Größenwahnsinn, mit Betonung auf: Wahnsinn.
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