Es geht um einen neuen Schützenpanzer (Mannschaftstransportwagen), den Australien im Zuge seines ADF-Programms „Land 400 Phase 3“ (ADF = Australian Defence Force) haben möchte. Das australische Verteidigungsministerium hat aktuell mitgeteilt, dass man den südkoreanischen „AS21 Redback“ anschaffen wird. Allerdings nicht wie ursprünglich geplant mit 450 Stück, sondern nur 129 davon. Es geht um ein Volumen von fünf bis sieben Milliarden Australische Dollar (3,1 bis 4,3 Milliarden Euro). Der AS21-Schützenpanzer soll den M113AS3/4 ersetzen, von dem Australien noch rund 400 Stück hat. Die lokale Tochtergesellschaft Hanwha Defense Australia wird den AS21 in einem neuen Werk in Geelong bauen – rund 50 Kilometer entfernt im Südwesten von Melbourne. Die ersten AS21-Redback sollen Anfang 2027 ausgeliefert werden.
Der AS21 Redback ist eine Weiterentwicklung des Schützenpanzers K21, der bereits in der südkoreanischen Armee im Einsatz ist. Er verfügt über einen EOS T-2000-Turm, der mit einer 30-mm-Kanone Bushmaster MK44S, einem 7,62-mm-Koaxial-Maschinengewehr MAG 58, 76-mm-mehrfach Nebelgranatenwerfern und zwei Spike LR2-Raketenwerfern bewaffnet ist. Das Fahrzeug ist durch das aktive Schutzsystem Iron Fist von Elbit Systems geschützt und wird von einem MTU-Achtzylinder-Dieselmotor mit einer Leistung von 735 kW (1000 PS) angetrieben.
Rheinmetall war Anfang 2021 wie Hanwha Defense mit drei Testfahrzeugen, hier mit dem Schützenpanzer KF-41 Lynx, ins Rennen gegangen. Es muss wohl auch eine knappe Entscheidung gegen Rheinmetall gewesen sein. Denn es heißt: Der AS21 Redback habe geringfügig besser abgeschnitten hat als sein deutscher Konkurrent KF-41 Lynx. Beide Modelle seien für die Anforderungen des Verteidigungsministeriums als geeignet angesehen wurden. Insider hatten ursprünglich gemeint, dass der KF-41 Lynx der Favorit sei, da die Australier bereits den 8×8-AFV Boxer von Rheinmetall als Ersatz für ihre leichten gepanzerten Radfahrzeuge (ASLAV) ausgewählt hatte. Ausschlaggebend dürfte gewesen sein, dass die Südkoreaner etwas früher als die Deutschen liefern können. Die Eigenwerbung von Rheinmetall verfing also nicht, auch wenn es dort selbstbewusst heißt: „Rheinmetall’s Lynx ist der derzeit modernste Schützenpanzer auf dem globalen Verteidigungsmarkt.“
Überhaupt sind die Deutschen zu langsam. Ungarn etwa hat im Jahr 2018 44 Leopard-Panzer bestellt, von denen bisher noch keiner geliefert wurde. Das könnte auch bei den Rüstungseinkäufen Polens in Südkorea eine Rolle gespielt haben. Im Jahr 2022 hat Polen für rund 13 Milliarden-Euro Rüstungsverträge mit Südkorea abgeschlossen. Alle Waffen sollen übrigens mit den Nato-Systemen kompatibel sein. Der polnische Einkauf betrifft Raketenwerfer, Haubitzen, Kampfjets und 980 Panzer. Am 5. Dezember 2022 sind im polnischen Gdynia (Gdingen) sogar schon die ersten Exemplare per Schiff angelandet: der Kampfpanzer K2 und die Panzerhaubitze K9. Die kompletten Lieferungen sollen bis 2026 erfolgen. Es ist sogar von einer Art Südkorea-Polen-Konsortium die Rede.
Die Expansion der südkoreanischen Rüstungsindustrie hat nicht allein mit Australien und Polen zu tun. Auch Nato-Länder kaufen immer häufiger in Südkorea ein. Oh Kyeahwan, Direktor Hanwha Aerospace, sagte: „Die Tschechische Republik, Rumänien, die Slowakei, Finnland, Estland, Lettland, Litauen kauften früher Rüstungsgüter nur in Europa. Aber inzwischen ist bekannter, dass man sie auch von südkoreanischen Unternehmen zu einem niedrigen Preis kaufen – und schnell liefern lassen kann.“ www.spiegel.de/ausland/die-waffenlieferanten-aus-suedkorea-polen-deal-als-tueroeffner-fuer-nato-exporte-a-94a82e31-6146-4ee9-96a3-fb5b0bf8d942
Der aktuelle Deal zeigt zweierlei. Erstens mischt Südkorea als Fahrzeugbauer (Hyundai, Kia, Ssang Yong und Daewoo) nun auch den Rüstungsmarkt auf. Im Jahr 2022 exportierte Südkorea 2,3 Millionen PKWs im Wert von 34 Milliarden Euro. Zweitens: Südkorea, das wegen seiner Frontlage zu Nordkorea hochgerüstet ist, schickt sich an, in die Spitzengruppe der fünf Länder zu gelangen, die weltweit die meisten Rüstungsexporte verzeichnen. Südkorea liegt hier derzeit auf Platz 8, Deutschland auf Platz 5 (hinter den USA, Russland, Frankreich und China). Es ist zu vermuten, dass Südkorea Deutschland hier bald hinter sich lassen könnte. Topaktuelle Zahlen bekommt man derzeit zwar nicht aus dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI. Hier mal nur zum Vergleich: Deutsche Firmen exportierten im Jahr 2022 Waffen und Militärguter im Wert von 8 Milliarden Euro. Von Südkorea heißt es, es verfüge derzeit über ein Auftragsvolumen von 22 Milliarden. Damit dürfte freilich nicht nur ein einzelnes Jahr gemeint sein.
Dass die deutsche Rüstungsindustrie oft ins Hintertreffen gerät, hat aus der Vergangenheit politische und gesellschaftlich Gründe. Bis zum Überfall Russlands auf die Ukraine galt Rüstungsindustrie in Deutschland als igittigitt. Nun, wo deutsche Rüstungsindustrie wieder wichtig wäre, ist es nicht leicht, Kapazitäten aufzustocken, um anspruchsvoll und flott liefern zu können. Rheinmetall beispielsweise hatte im Jahr 2000 30.600 Mitarbeiter, 2022 sind es 25.500.