Tichys Einblick
Kleiner Ausschnitt der ganzen Realität

Studenten ergehen sich in antisemitischen Gruppen-Chats

In der Öffentlichkeit verstecken sich Judenhasser allzu gern hinter vermeintlich bloß „Israel-kritischen“ Parolen. Im geschützten Raum von Gruppenchats zeigen dagegen einige ihr wahres Gesicht. Erschreckend ist, dass die Chats von Studenten, teilweise Lehramtsstudenten der Geschichte kommen.

Studenten während einer propalästinensischen Kundgebung an der FU Berlin

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Es sind Semesterferien an deutschen Universitäten. Und vielleicht hat es ja damit zu tun, dass man in jüngster Zeit nichts über anti-israelische bis antisemitische Vorkommnisse an den „Eliteschmieden“ hört. Nun ja, ganz stimmt das nicht: Bemüht man Google, findet man doch ein bisschen was. Zum Beispiel, dass bei einer Antisemitismus-Ausstellung an der Uni Gießen Aufkleber für den Boykott Israels angebracht wurden. Oder dass vor einem Monat ein als Jude erkennbarer Student an der Uni in Frankfurt mit dem Vorwurf angepöbelt wurde, er sei ein „Zionist“ und habe „gerade ein Kind getötet“.

Auch wenn man sich auf einschlägigen Seiten umschaut, merkt man schnell, dass die sich für intellektuell haltende „Nachwuchselite“ auch im Semesterferienloch weiter an ihrem Israel-Komplex laboriert. Auf der linksradikalen studentischen Website „Klasse gegen Klasse“ zum Beispiel analysierte ein Autor jüngst bombenscharf den „mörderischen Feldzug“ des israelischen „Kolonialstaats“ gegen Topterroristen in Nahost wie den „Chefdiplomaten“ der Hamas, Ismail Hanija. „Chefdiplomat“ scheint in diesen Kreisen eine Ersatzbezeichnung für „Terrorist“ sein.

Welche Formen der Israel- und bisweilen offene Judenhass unter Studenten teils annimmt, verdeutlicht nun auch noch einmal ein Beitrag der Welt am Sonntag. Darin zitiert die Zeitung ausführlich aus internen studentischen Chats an Unis in Berlin und Potsdam. Das wertvolle an dem Artikel: In der Öffentlichkeit verstecken sich die Judenhasser allzu gerne hinter vermeintlich bloß „Israel-kritischen“ Parolen. Im geschützten Raum der Gruppenchats zeigen dagegen einige ihr wahres Gesicht.

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Da werden dann auch die ganz klassischen antijüdischen Klischees bedient. So zitiert die Welt aus einem Chat von Geschichtsstudenten an der Freien Universität Berlin (FU). Darin bezeichneten Teilnehmer den Anfang Februar in Berlin verprügelten israelisch-jüdischen Lehramtler Lahav Shapira nicht nur als „Zionisten“ und „Manyak“ (Türkisch, zu Deutsch: „Wahnsinniger“). Einer spekulierte auch, dass Shapira sicher „nur Lehrer für deren jüdische Privatschulen“ werde: „Auserwähltes Volk auserwählte Schule“, meinte eine andere.

Ein anderes Gruppenmitglied fragte gleich: „wozu studiert der Bruder sind doch eh alle reich“. Ein weiteres Mitglied erklärte: „Die fließen in verschiedene Positionen in der Gesellschaft ein um macht ausüben zu können“. Der Welt-Artikel gibt auch eine Nachricht aus einer Chatgruppe an der Universität der Künste in Berlin wieder, in der die Hamas verteidigt wurde, weil sie „ähnliche Mittel“ wie Israel anwende. In einer weiteren Nachricht hieß es demnach, „die Zionisten“ täten genau dasselbe, „was ihnen damals angetan wurde. Ohne Gnade.“

In diesen Chat-Auszügen ist ungefähr alles dabei, was der jahrtausendealte Antisemitismus an stereotypen Zuschreibungen für Juden so entwickelt hat: Alle Juden sind reich, Juden wollen die Welt kontrollieren, Juden sehen sich als etwas Besseres. Dazu eine Prise Täter-Opfer-Umkehr sowie Dämonisierung, und fertig ist der schmackhafte Cocktail für den Antisemiten, der dabei natürlich immer selbst das Opfer ist.

Die von der Welt ans Tageslicht beförderten Chats dürften freilich nur einen kleinen Ausschnitt der ganzen Realität abbilden: Erst kürzlich erzählte eine Studentin der Politikwissenschaften aus Duisburg in der Neuen Zürcher Zeitung, dass ihre Hochschule in der WhatsApp-Gruppe ihres Studiengangs wegen eines israelsolidarischen Posts als „Drecksjudenuni“ bezeichnet worden sei.

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Erschreckend (wenngleich nicht überraschend) ist neben dem offenen Antisemitismus nicht zuletzt, dass sie von Studenten, teilweise Lehramtsstudenten der Geschichte kommen. In diesem Zusammenhang drängen sich mehrere Fragen auf. Erstens: Welche Ahnung haben diese Studenten von Geschichte? (Offenbar wenig.) Zweitens: Was läuft da in der universitären Vermittlung dieser Ahnung schief? (Vieles.) Und drittens: An wie viele Schüler dürfen diese Lehrämter ihre Ahnung künftig weitergeben? (An zu viele.)

Zum Hintergrund der Studenten sagt der Welt-Artikel nichts. Man darf allerdings davon ausgehen, dass es sich nicht um die nicht vorhandene Hochschulgruppe der NPD handelt, die hier ihrem Judenhass freien Lauf lässt. Die Verfasser kommen wohl eher aus dem migrantischen („Wallah“, „Manyak“, „Bruder“) und dem linksradikalen Milieu, wobei sich beides ja schon lange auf ungute Weise vermischt.

Die migrantischen Lehramtler sind wohl entweder selbst nicht in Deutschland aufgewachsen oder aber durch ihre parallelkulturelle Umgebung von den viel beschworenen deutschen „Lehren aus der Geschichte“ nicht berührt worden. Für die Linken wiederum muss man sich die Frage stellen, wie aus einem linken Selbstverständnis, das lange so sehr um Auschwitz kreiste, eine linke Identität werden konnte, die sich nur noch wenig um Auschwitz schert (dafür umso mehr um Gaza) – und da, wo sie es tut, Auschwitz ausgerechnet gegen Juden wendet.

Eines jedenfalls kann man festhalten: Die viel gepriesene deutsche Erinnerungskultur ist kläglich gescheitert. Seit dem 7. Oktober zeigt sich offen wie nie, dass sie in vielen Fällen bloß ein oberflächliches und ziemlich scheinheiliges Werk moralischer Selbstvergewisserung von links war. Um Juden ging und geht es dabei offenbar nur einigen wenigen. Eine große Selbsttäuschung bricht in sich zusammen.

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