Tichys Einblick
Kommentar zum Streik

Wer arbeitet, ist der Dumme

Streik, Klimakleber und andere Ärgernisse. Wer an diesem Freitag zur Arbeit fährt, hat zu leiden. Vom Lohn bleibt ihm auch immer weniger übrig. Sodass heute schon das Fazit lautet: Wer arbeitet, ist der Dumme.

Leerer Hauptbahnhof in München um 6:40 Uhr, bundesweiter Warnstreik bei der Bahn am 21. April 2023

IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Sie gehen arbeiten? Auch heute? Also Sie sind das? Respekt. Das klingt jetzt vielleicht ironisch. Ist aber nicht so gemeint. Denn Sie halten den Laden am Laufen. Ohne Sie lägen im Supermarkt keine Lebensmittel im Regal, blieben Unfallopfer unversorgt oder würde niemand jemand anderem bei der Steuererklärung helfen, bei der er schon lange nicht mehr durchblickt. Danke, dass Sie arbeiten gehen.

Das ist ehrlich gemeint. Auch wenn man Ihnen dafür attestieren muss: Sie sind der Dumme. Es ist nicht gut, dass es so ist. Aber es ist so. Sie wollen heute zur Arbeit, aber Bus und S-Bahn streiken. Da nehmen Sie sich halt das Auto und fahren so zur Arbeit. Noch dürfen Sie das ja. Es sei denn, der Spross einer Familie aus Tabaksmillionären hat was dagegen und setzt sich oder seine Handlanger in Ihren Weg. Dann müssen Sie halt noch ein wenig darauf warten, Wasserrohrbrüche reparieren zu dürfen, den Müll zu entsorgen oder anderen das Essen an den Tisch zu bringen.

Land ohne Bürger
Deutschland – eine zerrissene Gesellschaft verliert ihre Zukunftsfähigkeit
Ist ja auch nicht jeden Tag Streik. Und sogar die Millionärskinder von der Letzten Generation können sich nicht jeden Tag auf die Straße setzen. In den Urlaub nach Bali fliegt sich schließlich auch nicht von alleine. Die S-Bahn haben Sie dann für sich alleine. Also 15 Quadratzentimeter davon. In die Ihnen nichts hineinragt, außer der Ellbogen der Nebenfrau und der Schweißgeruch des Nebenmanns. Sowie seine Fahrradkette. Denn Radfahren schont die Umwelt und ist gesund – vor allem, wenn man es in der S-Bahn macht.

Letztlich lohnt sich Arbeiten. Sie bekommen ja viel Geld dafür. Wobei viel relativ ist. Mit wenig mehr als 3000 Euro im Monat gelten Sie schon als Spitzenverdiener. In solch einem Luxus soll keiner leben, sagen die Studienabbrecher aus dem Bundestag. Weswegen es aus deren Sicht gerecht ist, wenn mehr als die Hälfte Ihres Geldes für Steuern und Abgaben draufgeht.

Sie haben ja dann immer noch einige hundert Euro mehr als ein Bürgergeld-Empfänger. Gut, Sie müssen die Miete selbst zahlen. Aber was kostet die schon in Potsdam, Hofheim oder Heidelberg? 200, 300, 1000 Euro und mehr. Bleibt immer noch mehr übrig als beim Bürgergeld, sodass Sie gerne auf die ganzen Vergütungen verzichten können, die bekommt, wer nicht arbeiten geht.

Klimakleber radikalisieren sich
Die „Letzte Generation“ ruft zu „Widerstand“ auf
Dafür unterstützen Sie einen funktionierenden Staat. Einen mit einer Armee, die Sie schützt. Gut. Nicht im Moment. Aber in ein paar Jahren soll die Bundeswehr ja wieder verteidigungsfähig sein. Müssen Sie halt noch ein wenig mehr Steuern für Sondervermögen bezahlen. Doch die Polizei, die beschützt Sie. Und die Justiz auch. Es sei denn, jemand ist unzurechnungsfähig, was in Deutschland seit acht Jahren erstaunlich oft vorkommt.

Dann müssen Sie halt mit einem Messerangriff rechnen. Aber keine Sorge. Für den Täter wird gesorgt. Psychologisch und materiell. Der erhält eine Fürsorge wie sonst nur Studienabbrecher und Tabakmillionärskinder. Da hat sich dann Ihre Wunde gelohnt, Ihre Panikattacken und Ihre Lebensgefahr. Als Spitzendurchschnittsverdiener muss man auch mal an andere denken.

Schließlich profitieren Sie ja von den Krankenhäusern, in denen Sie versorgt werden, weil einem sein Gott den Mord an Ihnen befohlen hat. Allerdings können wir uns diese Krankenhäuser so bald nicht mehr leisten. Aber wenn wir viele Kliniken schließen und Sie gleichzeitig noch mehr an die Krankenkasse zahlen, muss Karl Lauterbach sich darüber auch keine Sorgen mehr machen und hat mehr Zeit, Impfstoff zum Wegwerfen zu bestellen oder Sie mit der „absoluten Killervariante“ in Panik zu versetzen.

Sie machen das alles gerne mit. Schließlich haben Sie was von Ihrer Arbeit. Ein Haus etwa. Vorausgesetzt, Sie haben die 50.000 bis 150.000 Euro, die der von Robert Habeck zwangsverordnete Heizungsaustausch kostet. Dann verlieren Sie halt Ihr Haus. Sie können ja etwas weiter weg von Ihrer Arbeit ziehen, sich räumlich auf 20 Quadratmeter einschränken und einfach ein wenig länger mit der S-Bahn zur Arbeit fahren. Nehmen Sie aber bitte keine Fahrräder mit. Das Privileg sollte dem Innenstadt-Adel vorbehalten bleiben.

Der Zynismus des Frank Werneke
Es geht nicht um Löhne – wie Ver.di Leute und Wirtschaft kaputt streiken will
Letztlich tun Sie doch all das wegen Ihres Nachwuchses. Der Tochter und dem Sohn das Studium zu bezahlen, damit er es einmal so gut hat wie Sie, dafür stehen Sie doch morgens auf, zwängen sich in den Bus und erdulden auf der Arbeit unfreundliche Kunden. Wenn der Nachwuchs immer fleißig arbeitet, kann er später tatsächlich fast so viel Geld verdienen wie der Typ, der für den Abgeordneten im Bundestag Kaffee kocht. Gut, so viel bekommen wie der Kerl, der dort das Faxgerät bedient, wird er natürlich nicht. Aber man soll auch nicht vermessen sein. Reichtum sollte generell verdienten Mitgliedern der Gesellschaft vorbehalten sein wie den Studienabbrechern in Bundestag und Regierung oder den NGO-Aktivisten. Die haben sich das aber auch verdient, weil sie die Gesellschaft so gut aufgestellt haben, wie sie ist. Zumindest aus deren Sicht. Korruption ist nur blöd für Leute, die nicht davon profitieren.

Sie hingegen halten dieses Land am Leben. Auch wenn Sie immer weniger davon haben. Ohne Sie blieben die Alten unversorgt, die Kinder sich selbst überlassen, die Toiletten verstopft und die Regale leer. Daher tragen Sie die Gesellschaft und befinden sich in Ihrer Mitte. Dass Sie das natürlich verdächtig macht, damit müssen Sie leben. Für Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sind Sie dadurch anschlussfähig für rechtsextreme Gedanken. Deswegen werden künftig auch Ihre privaten Nachrichten im Internet durchforstet. Aber damit müssen Sie klarkommen, wenn Sie meinen, jeden Morgen aufstehen zu müssen, nur um die Gesellschaft zu tragen – damit sind Sie letztlich einfach der Dumme.

Anzeige
Die mobile Version verlassen