Tichys Einblick
Politikelite gegen Pöbel

Selbstgerechtigkeit par excellence: Strack-Zimmermann beklagt Verrohung der Kommunikationskultur

Marie-Agnes Strack-Zimmermann attestiert der Gesellschaft eine Verrohung der Kommunikationskultur. Dass sie und ihre Politikerkollegen dafür maßgeblich mitverantwortlich sind, kommt ihr freilich nicht in den Sinn.

picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Die Verrohung unserer Kommunikationskultur ist zu beklagen. Daran kann kein Zweifel bestehen. Da sind zum einen die sozialen Medien, in denen, oft unter dem Schutz der Anonymität, ohne jede Selbstdisziplin gegeifert wird.

Und der Hang, den Kommunikationspartner als Gegner zu begreifen, lässt sich mittlerweile oftmals auch abseits der digitalen Welt feststellen: Durch die Kommunikation in Echokammern entsteht nicht selten ein Feindbild, das Menschen mit Weltanschauungen, die von der eigenen abweichen, nur unter dem Blickwinkel eines politischen oder ideologischen Programms betrachtet: Der Grünenwähler, der AfD-Sympathisant, der Moslem, der Migrant. Diese Schubladisierungen erleichtern es, sich dazu berechtigt zu fühlen, den andern mitunter massiv anzugreifen.

Abseits dieser Entwicklung gibt es aber eine weitere, die nicht weniger beklagenswert und womöglich noch beunruhigender ist: Es ist die, im Namen des Anstands und der Toleranz den Rahmen dessen, was gesagt werden darf, immer weiter einzuschränken.

Dieselben Menschen, die der Meinungsfreiheit Grenzen setzen wollen, legen dabei nicht selten selbst einen fragwürdigen Ton an den Tag – was erkennen lässt, dass es im Kern nicht darum geht, ein wertschätzendes und faires Kommunikationsklima zu schaffen, sondern darum, ganz bestimmte Meinungen einzuschränken: Wer für die gute Sache hetzt, darf gern draufhauen.

Zu den Hauptprotagonisten dieser Haltung gehört zweifellos Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Gegenüber der Funke-Mediengruppe gab sie ein Paradebeispiel ab, indem sie ihr Unbehagen über die kommunikative Verrohung verlauten ließ – und dabei den designierten US-Präsidenten zur Illustration ihrer Besorgnis heranzog: „Wenn nur noch Leute kommen, die drohen, (…) die glauben, mit vulgärer Sprache, mit krassen Ansagen Erfolg zu haben, dann gnade uns Gott in dieser Demokratie“, so Strack-Zimmermann. In den Vereinigten Staaten sei Donald Trump wieder zum Präsidenten gewählt worden, der nichts ausgelassen habe „an Beleidigung, an Rassismus, an irren Sprüchen, wo man eigentlich hundertmal hätte sagen müssen, der kommt nicht über die Schwelle“.

Es ist vielsagend, dass sich die deutsche Politikerin erdreistet, wider jegliche Gepflogenheiten im politischen Betrieb in dieser Weise über einen führenden Politiker herzuziehen. Der übrigens nicht nur die Mehrheit der Wahlmänner, sondern auch absolut die meisten Stimmen gewonnen hat, also mit einem unanfechtbaren Mandat durch das amerikanische Volk ausgestattet ist: So funktioniert Demokratie, nicht, indem ausgeklüngelt und willkürlich festgelegt wird, welche Eigenschaften ein Politiker haben darf, und welche nicht, um dem Club der Bestimmer beitreten zu dürfen.

Dass viele Aussagen Trumps Grenzen des guten Geschmacks überschreiten, ist völlig unstrittig. Allerdings tut Trump dies zumindest mit einer gewissen Geradlinigkeit. Die Verschlagenheit, mit der zahlreiche deutsche Politiker innerhalb der letzten Monate jeden Anstand haben vermissen lassen, während sie diesen eingefordert haben – unvergessen Scholz‘ Rekurs auf „sittliche Reife“, eine Eigenschaft, die ihm vollkommen abgeht – ist im Vergleich zu Trumps Gepolter unermesslich gefährlicher für die Demokratie, die Strack-Zimmermann bedroht sieht: Es ist diese Verschlagenheit, die das Vertrauen der Bevölkerung zerstört und eine Atmosphäre schafft, in der Falschheit und Lüge als akzeptable Kommunikationsstrategien etabliert werden.

Im Grunde geht es Strack-Zimmermann denn auch lediglich darum, die Anzeigenwelle zu rechtfertigen, die sie und ihre Politikerkollegen über deutsche Staatsbürger ergehen lassen: Sie tue dies wegen der „jungen Menschen“, die sich ansonsten, abgeschreckt durch den rauen Ton, aus der Politik zurückzögen.

Besonders überzeugend ist das nicht. In der guten alten Zeit, in der es noch keine Sozialen Medien gab, wurden Politiker in aller Härte und auch in extrem verletzender Weise beleidigt – oder beleidigten einander gegenseitig. Weder ein Kohl noch ein Strauß hätten jemals derart ihr Gesicht verloren und eine solche Dünnhäutigkeit demonstriert.

Die gouvernantenhafte Mentalität einer Strack-Zimmermann hingegen, die mangelndes Bewusstsein für Meinungsfreiheit und Pluralität als Schutz der Demokratie verkauft, ist an Selbstgerechtigkeit wohl kaum zu übertreffen: Als ob die „jungen Menschen“ nicht selbst dazu in der Lage wären, die Kommunikation im öffentlichen Raum zu prägen und so zu gestalten, wie sie das für richtig befinden.

Zumal sich hier zeigt, wie wenig Achtung und Respekt die Politikerin gegenüber der eigenen Bevölkerung hat. So nennt Strack-Zimmermann als Grund für steigende verbale Aggression die Corona-Maßnahmen: „Wir haben durch das Einsperren der Menschen (…) im sozialen Raum etwas entfacht, wo Menschen einsam waren, sich gefunden haben im Netz, weil sie keine Kommunikation hatten. Was so etwas Gesellschaftszerstörendes hat, dass da einem schon angst und bange werden kann.“

Pseudopsychologische Ferndiagnosen also statt Selbstkritik – das „Einsperren“ der Menschen, wie sie einigermaßen freimütig bekennt, war nicht etwa problematisch, weil Menschen hier Verwundungen erlitten, sozial ausgeschlossen, stigmatisiert und traumatisiert wurden, sondern, weil freie, unkontrollierte Menschen sich dennoch – bloß eben im Netz – zusammengefunden, und dann Meinungen formuliert haben, die nicht opportun sind.

Dass eine Politelite, die sich dem Wohl des Volkes nicht verpflichtet fühlt, scheel, beunruhigt, und sogar ängstlich auf den Pöbel blickt, der in Schach gehalten werden muss, ist nur folgerichtig. Man könnte statt dessen freilich auch bessere Politik machen, die weniger Frust, Wut und dann eben auch Beleidigungen entfacht. Aber dazu müsste man zu Selbstkritik fähig und bereit sein – eine Eigenschaft, die Strack-Zimmermanns Attitüde vollkommen fremd ist.

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