Das politische und mediale Deutschland hat seit 2017 ein Staatsoberhaupt mit exakt den Eigenschaften, die man für dieses Deutschland inmitten von Transformation und Abschaffung braucht: ziemlich rot, ziemlich grün, politisch korrekt, rundgelutscht, stromlinienförmig, langweilig … Aller Voraussicht nach wird dieses offizielle Deutschland mit ebendiesem Frank-Walter Steinmeier weitere fünf Jahre ein solches Staatsoberhaupt haben. Auch CDU/CSU wollen es so. Die Union hat nämlich auch mit einem designierten Vorsitzenden Friedrich Merz immer noch nicht gemerkt, dass sie jetzt Opposition ist und Alternativen zu bieten hat.
Im Frühjahr 2021 hat er sich selbst für eine zweite Amtszeit beworben. Peinlich genug in diesem Amt! Was von ihm davor und danach in Erinnerung bleibt, ist dürr bis skandalös. Rhetorische oder gar ideelle Lichtblicke waren es jedenfalls nicht. Hier ein paar ausgewählte Beispiele:
- Als Noch-Außenminister und Deutschlands oberster Diplomat bezeichnete er den – damals voraussichtlichen – US-Präsidenten Donald Trump als „Hassprediger“.
- Im Frühjahr 2015 trat er – noch Außenminister – mit Vehemenz einer Anerkennung des Völkermords an den Armeniern entgegen. Angeblich, weil eine solche Anerkennung den Holocaust relativiert hätte. Erdogan freute sich.
- Dann schon Bundespräsident, gratulierte er im Februar 2019 den iranischen Machthabern zum 40. Jahrestag der iranischen Revolution. „Herzliche Glückwünsche“ schrieb er, „auch im Namen meiner Landsleute.“ Während in iranischen Gefängnissen Tausende von Systemkritikern oder Homosexuelle auf ihre Hinrichtung warteten.
- Ein Jahr später gab es erneut – angeblich irrtümlich – ein Glückwunschschreiben an den Iran.
- Im Sommer 2018 warb Steinmeier für ein Konzert linkradikaler Bands in Chemnitz. Diese gaben, etwa die Berliner Hip-Hopper-Band K.I.Z., vor 60.000 zusammengekarrten Zuhörern Sätze wie die folgenden zum besten: „Ich ramm die Messerklinge in die Journalistenfresse … Trete deiner Frau in den Bauch, fresse die Fehlgeburt …“ Zur früheren Nachrichtensprecherin Eva Herman verbreitete man: „Ich fick sie grün und blau, wie mein kunterbuntes Haus / Nicht alles was man oben reinsteckt, kommt unten wieder raus …“ Auch die Lieblingsband des Steinmeier-Nachfolgers als Außenminister, Heiko Maas, die Punkband Feine Sahne Fischfilet, mischte mit: „Es geht los, es geht los heute Nacht / Lieber ekelhaft, statt Einzelhaft / Wir sind zurück in unsrer Stadt/ Mit zwei Promille durch die Nachbarschaft / Wir sind zurück in unsrer Stadt / Und scheißen vor eure Burschenschaft … Wir haben Bock auf Stress und ’ne Menge Hass“. Distanzierung des Herrn Bundespräsidenten? FEHLANZEIGE!
- Im März 2019 jettete Steinmeier – rund zwei Tonnen CO2 emittierte das Flugzeug dabei – von Berlin nach Schleswig-Holstein, um die FridayForFuture-Aktivisten bei einer „Mahnwache“ vor dem dortigen Rathaus zu loben.
- Und so weiter, und so weiter.
Nun residiert Steinmeier also seit 2017 im Schloss Bellevue. Merkel wollte es 2017 so, weil sie Wolfgang Schäuble oder Norbert Lammert ausbremsen wollte und weil sie wusste, dass Steinmeier – anders als Horst Köhler – jedes noch so schräge Gesetz und jede noch so schräge Personalbesetzung durchwinken würde.
Und die CDU/CSU-Opposition? Fehlanzeige!
Umso erstaunlicher ist, dass nun auch CDU und CSU plötzlich Steinmeier 2.0 haben möchten. Dabei hätte man durchaus veritable Kandidaten, zumindest Zählkandidaten, wie etwa eine Kristina Schöder, vormalige Familienministerin. Sie würde wohl nicht gewählt, aber man könnte mit ihr – da respektable Frau – den Keil in die Ampel treiben. Aber nicht – wie die FAZ fantasiert – mit einer Serap Güler! Stattdessen vernehmen wir Kotau über Kotau aus der Unions-Ecke. „Frank-Walter Steinmeier hat in den vergangenen Jahren als Bundespräsident mit großer Leidenschaft unsere Demokratie und den Zusammenhalt in unserem Land gestärkt“, sagte Noch-CDU-Vorsitzender Armin Laschet.
Und weiter: An der Spitze des Staates brauche es „eine glaubwürdige Stimme, die zusammenführt und nicht ausgrenzt“. Steinmeier sei ein überzeugter Europäer und vertrete Deutschland hervorragend im Ausland. Die Union verzichtet also auf einen eigenen Kandidaten. Steinmeier habe eine seriöse, integrative und überparteiliche Amtsführung gezeigt, sagte CSU-Chef Markus Söder. Man unterstütze Steinmeier mit „gutem Gewissen“. Und Friedrich Merz: Er gefällt sich in der Position des Rohrkrepierers.
Steinmeier hat all das schön eingefädelt. Wie wenn er gewusst hätte, dass es Ende 2021 zu einer Ampel kommt, machte er im Januar 2020 den Grünen bei deren Parteitag seine Aufwartung und beglückwünschte sie zum 40. Geburtstag. Die Grünen hätten „viel dazu beigetragen, dass dieses Land vielfältiger und moderner wird“, sagte er, dafür wolle er Danke sagen. Jetzt kann Steinmeier den Grünen erneut danken – denn nun haben sie den Weg für seine Wiederwahl geebnet.
Soeben, am 5. Januar 2022, ist der Amtierende und wieder Kandidierende 66 Jahre alt geworden. Und mit 66 fängt laut Udo Jürgens ja das Leben an. Wörtlich heißt es in diesem Song: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an // Mit 66 Jahren, da hat man Spaß daran // Mit 66 Jahren, da kommt man erst in Schuss // Mit 66 Jahren, ist noch lange nicht Schluss // Und abends mach ich mich // Mit Oma auf den Weg // Dann gehen wir nämlich rocken // In eine Diskothek.“
Ernsthaft wieder: Wann werden die Deutschen endlich ihr Staatsoberhaupt selbst wählen dürfen und ihren Volkswillen nicht wie 2017 in der Bundesversammlung an einen Fußballbundestrainer oder eine Drag-Queen übertragen müssen?
Wann werden die Deutschen wieder einen Bundespräsidenten bekommen wie Gustav Heinemann (1969 bis 1974)? Gewählt als SPD-Kandidat! Wie topaktuell doch seine Worte sind:
„Die Grundlage der Demokratie ist die Volkssouveränität und nicht die Herrschaftsgewalt eines obrigkeitlichen Staates. Nicht der Bürger steht im Gehorsamsverhältnis zur Regierung, sondern die Regierung ist dem Bürger im Rahmen der Gesetze verantwortlich für ihr Handeln. Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu rufen, wenn er glaubt, dass sie demokratische Rechte missachtet.“
Ein Steinmeier ist von solchen Gedanken Lichtjahre entfernt.