Noch bis vor Kurzem wäre es besser gewesen, die für den 13. Februar vorgesehene „Wahl“ eines neuen Bundespräsidenten, der zugleich der alte wäre, durch die Bundesversammlung mangels Notwendigkeit ausfallen zu lassen. Vor allen anderen hätten die Steuerzahler von dieser Entscheidung profitiert.
Die Kosten einer Wahl des Staatsoberhauptes betragen mehrere Millionen Euro. 1.512 Wahlmänner und Frauen umfasst die Bundesversammlung – 756 davon sind die Mitglieder des Deutschen Bundestages. Noch einmal die gleiche Zahl wird von den 16 Bundesländern für diesen Tag nach Berlin entsandt. Hinzu kommt noch der logistische Aufwand, die Kosten für die Sicherheitskräfte sowie für Unterbringung und Verpflegung. Ein kostspieliger und zugleich fragwürdiger Massenspaß mitten in einer Corona-Welle, für die „die Orakel in Weiß“ Mitte Februar den Höhepunkt erwarten. Plötzlich spielt dies alles keine Rolle mehr.
Von einer Wahl spricht man im Allgemeinen dann, wenn eine Entscheidung zwischen mindestens zwei Kandidaten getroffen werden muss. Bei Steinmeier wurde also Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung erwartet. Die auch nur theoretisch mögliche Kür eines anderen Bewerbers war mangels Angebot gar nicht gegeben. Von der Lebendigkeit und dem Spirit einer Demokratie kann bei einem solchem Prozedere niemand sprechen. Gerade in einer Zeit, in der immer mehr Bürger in Deutschland das Vertrauen in die Kaste der Politiker verlieren, wird praktisch von Regierungskoalition und der größten Oppositionspartei gemeinsam en bloc abgestimmt. Das Nichtberücksichtigen der Stimmungslage der Bürger zeigt die Abkopplung der politischen Spitzen von den Bürgern.
Nun ist das alles dank Gregor Gysi – denn nur diesem ist bei der Links-Partei die Raffinesse und Klugheit zuzusprechen, so ein Manöver auszuhecken – jetzt schon Schnee von gestern. Die Kandidatenwahl ist dabei mit dem Arzt Gerhard Trabert gut getroffen: Ein ganz normaler Arzt aus der Mitte der Gesellschaft, der sich durch sein soziales Engagement empfahl. Seine Kandidatur unterscheidet sich sympathisch von der gerade in der Person Steinmeiers symbolisierten Postenschieberei zwischen den Parteien.
Für die CDU/CSU und damit auch für ihren alsbaldigen neuen Parteichef Friedrich Merz ist der Verzicht auf einen Gegenkandidaten eine nicht zu verzeihende Schlappe. Für die nicht wenigen Mitglieder der CDU, die nach 16 Jahren Merkel nach einem deutlichen Neuanfang gelechzt haben, ist der erhoffte Neustart schon wieder vorüber.
Ist unser Land wirklich so armselig, dass sich im bürgerlichen Lager keine herausragende Persönlichkeit gefunden hätte? Ich denke da nur an Namen wie den langjährigen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, aber auch seinen Nachfolger Wolfgang Schäuble, dessen Abgang etwas Beschämendes an sich hatte, oder auch den international geschätzten Verfassungsrechtler und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz.
Noch Eines: Das alles hat nichts mit der Eignung des bisherigen und wohl auch zukünftigen Bundespräsidenten Steinmeier zu tun, obwohl sich manche – gerade in der Union – etwas weniger parteipolitisch orientierte Töne bis hin zu Stellungnahmen bei aktuellen Fragen wünschen würden.
Aber auch das Lob für die Gysi-Partei muss sich in Grenzen halten. Einer Ideologie, die bisher immer nur das Paradies auf Erden versprochen hat, jeder Versuch aber eher auf eine Hölle mit Millionen Ermordeter und Geknechteter hinauslief, sollte das Recht auf hilfreiche Gags erhalten bleiben – mehr aber auch wirklich nicht!