Unter dem Beifall der deutschen Wirtschaft hat die Bundesregierung in den letzten Jahren den Arbeitsmarkt nicht nur für EU-Bürger, sondern auch für Arbeitsmigranten von außerhalb der EU, allen voran Asylbewerbern geöffnet. Unter Verweis auf einen in einzelnen Branchen vermeintlich oder auch tatsächlich herrschenden „Fachkräftemangel“ wird in Deutschland nicht nur Asylbewerbern mit vollwertigem Bleiberecht eine Arbeitserlaubnis erteilt, sondern auch Asylbewerbern, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist oder die nur eingeschränkten (subsidiären) Schutzstatus erhalten. Und selbst Asylbewerber, deren Antrag auf Asyl zwar abgelehnt worden ist, die im Land aber weiter geduldet werden, dürfen mit Zustimmung der zuständigen Behörden arbeiten.
Dieser regierungsamtlich betriebene Missbrauch des Asylrechts zur Arbeitskräfterekrutierung hat inzwischen dazu geführt, dass eine gewisse Anzahl von ihnen mittlerweile Arbeitsstellen gefunden haben, die sie wieder aufgeben mussten, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt oder ihre Duldung aufgehoben worden ist. Ihre Anzahl wächst kontinuierlich zusammen mit den jährlich zuwandernden Asylbewerbern ohne gute Bleibeperspektive. Ausgenommen von der drohenden Auflösung von Beschäftigungsverhältnissen sind lediglich Personen, die über einen Ausbildungsvertrag verfügen. Sie können für die Dauer ihrer Ausbildung und weitere zwei Jahre (3+2-Regelung) in Deutschland bleiben, auch wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde.
Einladung zum staatsfinanzierten Asylmissbrauch
Angesichts dieser Sachlage werden seit einiger Zeit Stimmen aus Wirtschaft und Politik laut, die für diesen Personenkreis einen „Spurwechsel“ aus der Asylmigration in die Arbeits- und Erwerbsmigration fordern. SPD, Grüne und FDP wollen nicht nur Asylbewerbern mit vollwertigem oder subsidärem, sondern auch Asylbewerbern ohne Bleiberecht einen Zugang zum Arbeitsmarkt mit Aussicht auf einen dauerhaften Verbleib in Deutschland verschaffen. Begründet wird dies insbesondere mit dem Hinweis, dass es keinen Sinn mache, in den Arbeitsmarkt integrierte Arbeitskräfte wieder in ihre Heimat zurück zu schicken, nur weil das deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht dies so verlange.
Die Erlaubnis zu arbeiten ist somit, neben der Sprachkompetenz, nicht nur für normale Arbeitsmigranten, sondern auch für Asylbewerber das wichtigste Regulativ für einen dauerhaften Verbleib in Deutschland. Wer arbeiten darf und einen Arbeitsplatz findet, hat gute Chancen, auf Dauer bleiben zu können; wer dies nicht darf, muss als nicht anerkannter Asylbewerber damit rechnen, irgendwann das Land wieder verlassen zu müssen oder über einen langen Zeitraum das Dasein eines nur „Geduldeten“ zu fristen. Ein solches Dasein kann aufgrund bestehender Sozialleistungen in Deutschland zwar durchaus so erträglich sein, dass es von vielen „Geduldeten“ einer Rückkehr in die Heimat vorgezogen wird; gleichwohl streben alle Asylbewerber, sofern sie in Deutschland bleiben wollen, nach einer legalen Aufenthaltserlaubnis auf Dauer.
Mit der Arbeitserlaubnis für noch nicht anerkannte und selbst für abgelehnte Asylbewerber hat die deutsche Regierung in Verbindung mit den Rechtsansprüchen auf die Übernahme von Lebenshaltungskosten, Wohnkosten, Krankenversicherungskosten und Sprachqualifizierungskosten den vermutlich stärksten Pull-Effekt für die anhaltende Massenzuwanderung von Asylbewerbern in den deutschen Arbeitsmarkt erzeugt.
Das Tor noch weiter öffnen
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll sich daran zwar insoweit etwas ändern, als die Möglichkeiten der gezielten Verschleppung von Asylverfahren und des Nicht-Vollzugs von Ausreiseverfügungen gegenüber abgelehnten Asylbewerbern unter anderem durch deren Unterbringung in sogenannten „Anker-Zentren“ eingeschränkt werden; keine Rede ist in dem inzwischen vom Innenministerium im Alleingang vorgelegten „Masterplan Migration“ und dem zwischen dem Innenministerium, dem Arbeitsministerium und dem Wirtschaftsministerium abgestimmten „Eckpunktepapier“ zur Fachkräftezuwanderung bislang jedoch von einer Einschränkung der Arbeitserlaubnis für Asylbewerber. Nur eine solche könnte die bestehenden Anreize für den Missbrauch des Asylrechts zur Migration in den deutschen Sozialstaat und Arbeitsmarkt wirksam eindämmen. Solange die bestehenden Gesetze es allen Asylbewerbern hingegen erlauben, in Deutschland nicht nur vorübergehenden Schutz vor Verfolgung und Gefahren für Leib und Leben zu erhalten, sondern auf Dauer arbeiten und leben zu dürfen, ist weiterhin zu erwarten, dass sich selbst aus den entlegendsten Armuts- und/oder Kriegsgebieten dieser Welt immer mehr Migranten auf den ebenso langen wie teuren und gefährlichen Weg nach Deutschland machen werden, um hier mit Hilfe eines Asylantrags Arbeit und/oder Versorgung zu finden.
Keinerlei Sinn macht es hingegen, dass anerkannte Asylbewerber ihre Lebenshaltungskosten, ihre Wohnkosten, ihre Krankenversicherungskosten sowie ihre Sprachqualifizierungskosten, die ihnen während ihrer Arbeitssuche in Deutschland entstanden sind, selbst dann nicht dem deutschen Staat rückerstatten müssen, wenn sie eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gefunden haben und auf Dauer in Deutschland bleiben wollen. Die derzeitige Rechtslage und Praxis privilegiert sie in nicht zu rechtfertigender Weise gegenüber anderen Arbeitsmigranten, die für die Kosten ihres Aufenthaltes in Deutschland von vornherein selbst aufkommen müssen. Wer den häufig illegalen Asylweg in den deutschen Arbeitsmarkt wählt, bekommt die damit verbundenen Kosten vom deutschen Staat weitgehend ersetzt; wer hingegen den legalen Weg der Arbeitsmigration wählt, hat diese Kosten selbst zu tragen.
Anreize revidieren
Dies zeigt, wie dringend erforderlich es ist, die bestehenden gesetzlichen Anreize für die Sozial- und Arbeitsmigration via Asyl wenn nicht außer Kraft zu setzen, so doch drastisch einzuschränken. An vorderster Stelle steht dabei zum einen die Rücknahme der Arbeitserlaubnis für Asylbewerber, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist, die nur subsidiären Schutzstatus für ein Jahr erhalten oder deren Asylantrag abgelehnt worden ist. Zum anderen ist es dringend geboten, Asylbewerber mit vollwertigem Bleiberecht dazu zu verpflichten, die ihnen während ihrer Arbeitssuche gewährten Sozialleistungen dem deutschen Staat zumindest anteilig wieder zu erstatten, sobald sie in Arbeit gekommen sind und einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland wünschen. Ihr „Spurwechsel“ vom Asylrecht in das Aufenthaltsrecht sollte für sie nicht weiterhin zum Nulltarif erfolgen. Das schafft nicht nur falsche Anreize für einen anhaltenden Missbrauch des Asylrechts für die Arbeitsmigration, sondern benachteiligt auch all jene Arbeitsmigranten, die keine Möglichkeit haben, sich ihren Weg in den deutschen Arbeitsmarkt sozialstaatlich subventionieren zu lassen.
Am 29. August soll dieses Papier im Bundeskabinett behandelt und verabschiedet, danach auf Wunsch der Kanzlerin sowie der SPD vom Bundesinnenminister möglichst kurzfristig eine Gesetzesvorlage erarbeitet werden. Ob diese zur Wahrung des Koalitionsfriedens das ebenso schwierige wie heikle Thema „Spurwechsel“ weiterhin ausspart, wird man sehen. Die Arbeitgeberverbände werden jedenfalls nicht ruhen, um dafür zu sorgen, dass die neuen Mitarbeiter ihrer Mitgliedsunternehmen ein Bleiberecht erhalten, obwohl sie keinen Anspruch auf Asyl haben.
Auf offene Unterstützung können sie dabei nicht nur bei der SPD, sondern auch bei den Grünen und der FDP, sondern inoffiziell auch bei Teilen der CDU hoffen. Lediglich die CSU, die AfD und Teile der Linken widersetzen sich den derzeitigen Bestrebungen einer unter dem Banner des „Fachkräftemangels“ von den Arbeitgebern betriebenen weiteren Liberalisierung des Asyl- und Aufenthaltsrechts. Der anhaltende Kampf um die Ausrichtung der deutschen Migrations- und Arbeitsmarktpolitik tritt damit in seine nächste Phase. Beim Thema „Spurwechsel“ wird sich in diesem Zusammenhang zeigen, ob sich eher die Verfechter einer weiteren Öffnung oder die Verfechter einer allmählichen Schließung des Arbeitsmarktes für Asylbewerber durchsetzen.
Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop >>>