Während Christian Lindner zu Recht immer wieder betont, es sei keineswegs eine ausgemachte Sache, sondern höchst unsicher, ob Jamaika komme, vermittelt sein Vize Kubicki im SPIEGEL-Interview den Eindruck, als ob Jamaika bestimmt komme, wenn nur „Vertrauen“ zwischen Grünen und FDP aufgebaut werde. Dafür müsse man lediglich „gegenseitige Zerrbilder“ auflösen. Viele Grünen-Politiker hielten die FDP für „herzlose Neoliberale“ und viele Freidemokraten hielten die Grünen für „ideologiefixierte Verbotsapostel“, beklagt Kubicki. Was, bitte schön, ist denn daran falsch? Seit wann schämt sich die FDP dafür, „neoliberal“ zu sein? Und stimmt es denn nicht, dass die Grünen ideologiefixierte Verbotsapostel sind? Sind das denn „Zerrbilder“, wie Kubicki meint, oder ist es einfach wahr?
„Flüchtlingspolitik“
Europapolitik
In der Europapolitik vertritt Kubicki exakt das Gegenteil dessen, was Lindner im Wahlkampf vertreten hat und was im FDP-Programm steht. DER SPIEGEL weist Kubicki zu Recht darauf hin, im Wahlprogramm der FDP stehe, dass der ESM langfristig abgeschafft werden solle. Kubicki dagegen hält Schäubles Plan, den ESM langfristig in einen europäischen Währungsfonds umzubauen, für eine gute Idee. Und was fällt ihm zu Griechenland ein? DER SPIEGEL weist darauf hin, dass im FDP-Wahlprogramm das letzte Griechenlandrettungspaket als Fehler bezeichnet wird.
Nato-Vereinbarungen „albern“
Nebenbei erklärt Kubicki, die in der Nato einvernehmlich getroffenen Vereinbarungen, nämlich zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben vorzusehen, für „albern“. Das traut sich nicht einmal Merkel. Kubicki sagt das offenbar, um auch hier Gegensätze zu den Grünen aus dem Weg zu räumen. Will Deutschland offiziell erklären, dass man sich nicht an gemeinsam in der Nato getroffene Vereinbarungen hält, indem man diese einfach als „albern“ vom Tisch wischt? Dabei ist die Forderung, sich an diese Vereinbarung zu halten, keineswegs eine Idee Trumps, wie es oft dargestellt wird, sondern wurde berechtigterweise auch schon von Barack Obama vertreten.
Förderung der Elektromobilität
Ein Jamaika-Projekt könne sein, so Kubicki im SPIEGEL, sich gemeinsam zu überlegen, wie man „die Elektromobilität so fördern (könne), dass sie sich rechnet“. Wie bitte? Bei Merkel und den Grünen wird er dafür Zustimmung ernten. Aber die FDP soll jetzt Subventionen oder Steuervorteile für Elektromobilität als Kern eines „Jamaika“-Projektes aushandeln, nachdem Lindner genau das im Wahlkampf abgelehnt hat? Aufgabe des Staates ist es keineswegs, eine bestimmte Technologie zu favorisieren und zu subventionieren. Welche Technologie sich durchsetzt, soll der Verbraucher entscheiden. Das war die FDP-Position im Wahlkampf und so sehen es übrigens – wie Umfragen belegen – eindeutig auch die FDP-Wähler.
Das Gegenteil des Wählerwillens
Was Kubicki in diesem Interview erklärt, steht nicht nur im Gegensatz zu dem, was die FDP im Wahlkampf und im Wahlprogramm gesagt hat, es widerspricht auch den Meinungen der FDP-Wähler. Eine jüngst veröffentlichte Focus-Umfrage zeigt, dass die FDP-Wähler in Fragen der Flüchtlingspolitik genau das Gegenteil der Positionen der Grünen vertreten und sogar näher bei den Meinungen der AfD-Wähler stehen.
** Der Autor dieses Beitrages ist seit 23 Jahren FDP-Mitglied.