Gerade noch so hat Martin Schulz mit einer fadenscheinigen Erklärung den Absprung geschafft, nicht als Königinnenmörder zu gelten, sein geplanter Putsch war futsch. Und auch ein weiterer Linksaußen mit Matthias Miersch will Nahles nicht ablösen. Die Männer bei der SPD haben kein Format, nein, schlimmer, sie haben Angst, als Aussätzige zu gelten, sobald sie intern opponieren.
Einer, der nicht nur Medizin und Gesundheitsversorgung, sondern auch tüchtig austeilen kann, ist der Abgeordnete aus Leverkusen mit einer ausgeprägten Vorliebe für große Fliegen, Professor Doktor Karl Lauterbach (Spitzname „Klabauterbach“). Lauterbach sieht sich als eine Art moralischer Wächter in der Partei und im Netz, wo er auch hin und wieder naiv kindlich herumzwitschert. Der Professor mit der großen Fliege sieht sich auch als eine Art „Prätorianergarde“ mit anderen Sozen für den SPD-Bundesvorstand, um diesen stets zu schützen und zu stützen.
Kevin Kühnert vielleicht? Hört sich bereits wie die Altvorderen an, und bei der Wahl zum Bundesvorstand trommelte er für Andrea Nahles statt für die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange. Das war mal so richtig feige, denn die Bürgermeisterin Lange, die immer noch eine große Anhängerschaft hat, stand definitiv nicht für eine GroKo. Wie weit wird er selbst als mögliche Führungsperson wahrgenommen? Haben geäußerte Sympathien für Enteignungen im Fall von Wohnungsmangel da noch mal einen Schub gegeben?
Die Bürger und viele Mitglieder merken aber auch, immer nur den Kampf gegen die Nationalsozialisten (Nazis und Faschisten) zu beschwören, kommt nicht gut an, und ist zu wenig. (Denn, die Mehrzahl der Bürger trägt natürlich selbst Verantwortung für ein „Nie wieder“, nur dazu braucht es keine Sozialdemokraten, die auf dem anderen Auge des Islamismus und linken Terrors, blind sind.)
Zurück zur SPD und der Vertrauensfrage von Andrea Nahles. Es wurde glaubhaft kolportiert, dass Nahles weder bei den Seeheimern, den Netzwerkern, noch den Linken (DL21), Rückhalt bekommen würde. Geheime Abstimmungen hätten vernichtende Resultate zu Tage befördert.
Nahles will es wohl dennoch wissen. Und man glaubt schon, dass die Wahl zum neuen Fraktionsvorstand, die Nahles selbst vorgezogen hat, an Peinlichkeit nicht mehr zu übertreffen sein wird. Für einen Rücktritt hätte Nahles bereits nach den vergangenen Landtagswahlen allen Grund gehabt. Doch bei den Sozialdemokraten haben so einige „Pattex“ am Stuhl.
Nein, mit normalen Menschen, mit einer hart arbeitenden Bevölkerung, haben diese Sozialdemokraten nichts mehr zu tun. Sie meisten wissen gar nicht, was arbeiten heißt und wie man Verantwortung trägt.
Man darf nämlich intern nicht kritisieren. Bei der SPD zählt der Personenkult, weil nach Hierarchien auch belohnt wird. Selbst bei den größten Niederlagen. Egal, ob Heiko Maas, (drei Mal im Saarland gescheitert), oder Nils Schmid in Baden-Württemberg (mit einer krachend-historischen SPD-Niederlage), allesamt erfahren sie Upgrade.
Die gelernter Kommissarin und nun Bürgermeisterin von Flensburg, Simone Lange, wäre eine wirklich glaubwürdige Person, eine, die nah bei und an den Menschen ist, die auch weiß, was auf den Straßen Deutschlands los ist. Noch war Simone Lange in gar keiner Krise, auch hat sie nichts verbrochen und noch keine Wahl eklatant verloren. Eine der wenigen Dinge, die derzeit sicher sind in dieser SPD: der soziale Druck intern ist immens, das können sie, die Genossen, Druck aufbauen, gegenüber jedem Reformer.
Solidarität erfuhr Simone Lange leider nur von ihren Fans und Mitstreitern.
In engen Zirkeln, und auch bei Treffen in den Ortsvereinen der Provinz, äußerten sich Mandatsträger aus Berlin aber eher so (dies erlebte der Autor selbst mit, als die GroKo gesichert und Nahles bestätigt werden sollte): „Natürlich müsse Andrea (Nahles) die Wahl intern zur Vorsitzenden gewinnen …“; „Entschuldigung“, setzte der Bundestagsabgeordnete (aus dem Justiz- und Verbraucherministerium) weiter an, „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht lächerlich machen mit diesen Bewerbern …“, und sprach im weiteren Simone Lange und deren Vita die politischen Erfahrungen ab – immerhin ist diese ausgebildete Kriminalbeamtin(!) und lange Jahre in diesem Beruf tätig, zudem jetzige Oberbürgermeisterin von Flensburg. An diesem Abend damals ahnten viele: die SPD bewegt sich in anderen Sphären, nur nicht mehr in denen der breiten Zustimmung der Wähler.
Oder wie ein älteres schwäbischen Mütterchen auf dem Wochenmarkt meinte, nach der herben Wahlniederlage in Baden-Württemberg, „die SPD verkommt zu einem Selbstversorgungsladen …“, damals wurde der SPD-Vorsitzende Nils Schmid sogar mit einem aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl belohnt. Heute sitzt der erfolglose Schwabe gut gepolstert in der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung in Berlin, und ist mit dieser Art „Karriere“ wahrlich nicht allein.
Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist, ist seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig. Deriu war fünf Jahre lang SPD-Mitglied.