Gut zwei Jahre ist es her, dass Anke Rehlinger im Saarland die absolute Mehrheit holte. Die erste absolute Mehrheit für die SPD auf Länderebene, seit Kurt Beck diese 2011 in Rheinland-Pfalz verloren hatte. Für die SPD schien es wie ein Aufbruch: Trotz Verantwortung im Bund konnte sie auf Länderebene punkten und auch wieder die breite Mitte erreichen – mit einer geerdeten, wirtschaftsnahen Kandidatin.
Zwei Jahre sind seitdem vergangen. Die SPD hat die breite Mitte nicht aus den Augen verloren. Nein, es ist alles viel schlimmer. Die SPD hat der Mitte den Krieg erklärt. Ihre Innenministerin Nancy Faeser redet offen im Staatsfernsehen davon, dass sie die Mitte als „anschlussfähig für Rechtsextremismus“ sieht. In SPD regierten Ländern schicken Richter Vergewaltiger in die Freiheit und die Kritikerinnen der Vergewaltiger ins Gefängnis.
Im Krieg der SPD gegen die Bevölkerung hat die Bevölkerung zurückgeschlagen. Im Saarland, wo die SPD mit absoluter Mehrheit – also mit Hilfe der „Rechtsextremen“ – regiert. Die Stichwahlen des Wochenendes hat sie verloren. Die künftigen Bürgermeister und Oberbürgermeister kommen entweder von der CDU oder sind parteilos wie in Völklingen. Sie stammen selbst aus der Mitte und halten diese für eine ehrenwerte Zielgruppe statt für einen Verfassungsfeind.
In Saarlouis regierte bisher Peter Demmer als Oberbürgermeister. Er selbst trat nun nicht mehr an. Marc Speicher, Abgeordneter für die CDU im Landtag, löst ihn ab. 2019 hatte Demmer bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Nach einer Massenschlägerei auf dem Stadtfest hatte er offen den migrantischen Hintergrund der Täter benannt. Eine Offenheit, die der SPD Zustimmung brachte, die unter anderem 2022 im Wahlsieg mündete. In diesem Februar gehörte die SPD zu den Organisatoren einer der notorischen Demos „gegen Rechts“, auf denen die Teilnehmer die „rechtsextreme Mitte“ angreifen. Also jene, die immer noch auf einen Zusammenhang zwischen Migration und Gewalttaten hinweisen. So wie es einst Demmer tat. Vor dem Kampf der SPD „gegen Rechts“. Als die Sozialdemokraten noch Wahlen gewannen.
Im bisher roten Homburg trat Pascal Conigliaro für die SPD an – und holte selbst in der Stichwahl nur 36 Prozent. Auch bei den ländlichen Bürgermeister-Wahlen, etwa in Schiffweiler, verlor die SPD und erreichte die CDU Ergebnisse mit einer 6 vorne. Die Christdemokraten feierten sich zwar für die Wahlsiege. Doch es zeigte sich am Wochenende auch ein anderer Trend: Die Wähler haben die Schnauze voll vom bisherigen Parteiensystem und setzen auf parteilose Kandidaten.
In Schwalbach und Weiskirchen gewannen die parteilosen Kandidaten Markus Weber und Stephan Barth. Auch die Stadt Völklingen hat sich für einen Parteilosen entschieden: Stephan Tautz, der die Unterstützung der Liste „Wir Bürger Völklingen“ genoss und mit 57,1 zu 42,9 Prozent gegen die Sozialdemokratin Christiane Blatt gewann.
Tautz zeigte sich als betont bodenständiger Kandidat. Er setzte auf Themen, die für eine breite Masse wichtig und in der SPD im „Kampf gegen Rechts“ längst verloren gegangen sind: bessere Kinderbetreuung, mehr Freizeitangebote für Senioren oder bereits erschlossene Flächen besser nutzen, statt immer mehr Grünflächen am Ortsrand zu erschließen.
Im Saarland ein wichtiges Thema. Da es so klein ist, wird das Saarland gerne mit einer dörflichen Region verwechselt. Aber das stimmt nur für den Norden des Landes. Der Süden war einst so dicht besiedelt und stark industriell genutzt wie das Ruhrgebiet. Kohle und Stahl sorgten dafür, dass Frankreich nach den Kriegen überhaupt ein Interesse daran hatte, das Saargebiet vom „Reich“ zu trennen, wie ältere Saarländer das restliche Deutschland immer noch nennen.
Mit dem Niedergang von Kohle und Stahl erfuhr das kleine Saarland exakt die gleichen Probleme wie Duisburg, Essen oder Gelsenkirchen. Migranten der ersten Generation, die einst als Bergleute und Stahlarbeiter angeworben wurden, wurden nun ebenso wenig gebraucht wie ihre Söhne und Enkel, für die das Saarland aber längst zur Heimat geworden war. Soziale Not, vor allem aber das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, führten nicht wenige in Kriminalität und/oder Drogenprobleme. Die ersten Verhaftungen der islamistischen, terroristischen Sauerland-Gruppe fanden im Saarland statt.
Wer in den 70er Jahren mit dem Zug von Saarbrücken über Völklingen nach Saarlouis gefahren ist, der ist an einem rauchenden Schornstein neben dem anderen vorbeigefahren. Wer die Strecke heute passiert, erlebt eine Industrieruine neben der nächsten. Oft werden die nicht entfernt. Wegen der Kosten und weil die bürokratischen Hürden für den Abbau so hoch sind, dass sie lieber gleich stehengelassen werden. Trotzdem erschließen die Politiker in Städten und Dörfern wie Völklingen an den Ortsrändern ein Wohngebiet nach dem anderen. Weil das ein wenig Geld in die klammen Kassen spült. Auf Kosten der letzten Natur.
Dass die SPD im Saarland verliert, ist nicht ungewöhnlich. Eigentlich ist das katholische Arbeiterland eine Hochburg der CDU. In den 50er Jahren gab es im Saarland zwei christdemokratische Parteien. Eine war für, die andere gegen die saarländische Unabhängigkeit. Beide Parteien waren einzeln jeweils stärker als die Sozialdemokraten. Erst Oskar Lafontaine verstand es in den 80er und 90er Jahren, mit konservativer Politik und Lokalstolz das Saarland für die SPD zu gewinnen. Mit Themen und einer Attitüde, die Nancy Faeser heute der „rechtsextremen Mitte“ zuordnen würde.
Nach Lafontaines Wechsel in die Bundespolitik verlor die SPD das Saarland wieder an die CDU. Bis 2022. Die absolute Mehrheit war auch ein Erfolg für Rehlinger (48). Die Wirtschaftsministerin und ehemalige Kugelstoßerin trat bodenständig auf und versuchte an Wohlstand zu retten, was im Saarland an Wohlstand zu retten ist. Doch in erster Linie war es nicht der Wahlerfolg Rehlingers. Die Saarländer haben 2022 Tobias Hans (46) mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt.
Studienabbrecher. In der CDU von seinem Vater, dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden, nach oben protegiert. Selbst ans Amt des Ministerpräsidenten kam Tobias Hans ohne eigene Anstrengung. Annegret Kramp-Karrenbauer überließ es ihm, als sie nach Berlin wechselte. In der Pandemie freute sich der Menschenfreund im Staatsfernsehen darüber, dass Ungeimpfte jetzt aus der Gesellschaft ausgeschlossen seien. Im Saarland ließ er Menschen verfolgen, die verbotenerweise ihr Dorf verließen – und fuhr selbst in Urlaub. Selbst Saarländer, die seit Jahrzehnten in der CDU sind, sprachen im Wahlkampf 2022 voller Verachtung von diesem Ergebnis der Elitenauswahl der Parteien.
2022 hatte die SPD nicht die Wahl gewonnen. Die CDU hatte sie verloren. So ist es jetzt wieder, nur umgekehrt. Auch wenn die CDU versucht, das anders zu interpretieren. Die Vielzahl an parteilosen Kandidaten, die sich durchsetzen, bedeuten zwar ein Zeichen, aber die Christdemokraten können es nicht lesen. Oder sie wollen es nicht lesen. Rehlinger, mittlerweile ganz Politikerin, reagiert mit den üblichen abgedroschenen Sprüchen: „Es wird jetzt zu analysieren sein, welche übergeordneten Gründe dahinterstecken.“ Die Welt wartet schon auf die Ergebnisse dieser Analyse. In der Zwischenzeit wird Faeser weiter die rechtsextreme Mitte bekämpfen – und die SPD nicht verstehen, dass ihr das nicht die Stimmen der rechtsextremen Mitte bringt.