Tichys Einblick
In der SPD rumort es

Co-Vorsitzende Esken und Bundestags-SPD unter Beschuss aus den eigenen Reihen

Warum in der SPD bisher keine Köpfe gerollt sind, hängt maßgeblich mit einer Presse zusammen, die die Lage beschönigt. Jetzt meutert die Partei gegen Saskia Esken. Beliebt war die Co-Vorsitzende nie.

IMAGO / IPON

Wenn eine vormalige „Volkspartei“ wie die SPD binnen fünfzig Jahren von 45,8 Prozent (Bundestagswahl 1972) und binnen 35 Monaten von 25,7 Prozent (Bundestagswahl 2021) auf 13,9 Prozent (Wahl zum EU-Parlament vom 9. Juni 2024) bzw. 14 bis 15 Prozent (aktuelle Sonntagsfrage) abstürzt, dann muss es eigentlich rauschen im Gebälk. Dann ist das nicht mehr nur mit gesellschaftlichem Wandel zu erklären. Nein, dann hat das mit falscher Programmatik und wohl noch mehr mit den falschen Personen an der Spitze zu tun. Verkürzt könnte man es so personifizieren: 78 Jahre Nachkriegs-SPD: Das ist von Kurt Schumacher und Willy Brandt zu Olaf Scholz und Saskia Esken.

Warum in der ehemals stolzen und intern immer mal wieder rebellischen Partei nicht längst – symbolisch – Köpfe gerollt sind, ist ein mittleres Wunder. Zugedeckt allerdings wird das SPD-Desaster von einer rot-grünen Alt-Presse, inkl. Öffentlich-Rechtlichen, die die Lage der SPD beschönigen. Kein Wunder, im Printbereich ist die SPD mit erheblichen Anteilen an der Madsack-Gruppe und damit am „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) beteiligt, das redaktionell tagtäglich rund 60 deutsche Tagezeitungen „versorgt“.

Über den amtierenden SPD-Kanzler Scholz muss man nicht viele Worte verlieren. Erinnerungswürdiges hat er bislang nicht geleistet. Er ist und bleibt meilenweit von dem Anspruch entfernt, den er im Februar 2011 auf dem Weg ins Amt des Hamburger Bürgermeisters von sich gegeben, aber auf dem Weg ins Kanzleramt wohl „vergessen“ hat: „Wer von mir Führung bestellt, bekommt sie auch.“

Wenden wir uns der SPD als Partei zu: Gezählt ab 1946, hatte sie mit dem Tandem Saskia Esken (seit 6. Dezember 2019) und Lars Klingbeil (seit 11. Dezember 2021) die Führung Nummer 17. (Kommissarische Vorsitzende nicht mitgerechnet.) Wie sich SPD eine Saskia Esken als Co-Vorsitzende antun konnte, haben wir hier auf TE bereits am 2. Dezember 2019 sehr ernst gefragt. Damals meinten wir: Sympathieträger ist die gelernte Hinterbänklerin nie und nimmer, mit ihr gerät die SPD in den freien Fall, weil sie die SPD führen wird, wie sie das als umstrittene Vorsitzende mit einen BaWü-Elternverein getan hat: „ärgerlich, eisig, aggressiv, pöbelnd“. Dieser Art ist sie treu geblieben. Zum Beispiel sind alle, die nicht in ihre Sehschlitz- und Scheuklappenperspektive passen, „Nazis“. Also Dreiviertel der Deutschen.

SPD-Basis meutert gegen Esken

Nun wurde bekannt, das Esken (62) 2025 entgegen früheren Aussagen ein viertes Mal für den Bundestag kandidieren will. Das gefällt in ihrem Heimat-Wahlkreis Calw nicht allen. Denn sie hatte immer wieder, unter anderem im Herbst 2020, betont, drei Mandate seien genug: „Danach bin ich raus. Ich bin dann ja im Rentenalter.“ Denn aus einer Abgeordneten-Tätigkeit solle möglichst „kein lebenslanger Beruf“ werden, so Esken damals. Am 17. Juni 2024 klang das dann anders. Da sagte ein Esken-Sprecher dem „Schwarzwälder Boten“, dass sie für den Wahlkreis ein viertes Mal antreten wolle. Das gefällt vor Ort nicht allen. SPD-Kreisverbandsmitglied und Ex-Ministerialdirektor Manfred Stehle sagte der FAZ, damit „begeht Saskia Esken einen klaren Wortbruch. Damit beschädigt sie nicht nur ihre persönliche Glaubwürdigkeit, sondern schadet auch der SPD, für die sie als deren Co-Vorsitzende eine besondere Verantwortung trägt.“

Am Ende ist die Kandidatur in Calw wahrscheinlich nur von symbolischer Bedeutung: Im Nordschwarzwald holte Esken im September 2021 nur 17,2 Prozent der Erststimmen, scheiterte krachend gegen CDU-Politiker Klaus Mack (33,8 Prozent). Nun, verhindern wird der SPD-Ortsverband Eskens erneuten Einzug in den Bundestag nicht können, denn Esken wird dann sehr wahrscheinlich über die Landesliste wieder nach Berlin geschickt werden.

Mittlerweile ist Esken auf das Grummeln vor Ort eingegangen und hat ihre Entscheidung für eine vierte Kandidatur verteidigt. Wörtlich: „Ich habe verwundert zur Kenntnis genommen, was das für einen Wirbel in der Medienlandschaft verursacht hat“, sagte sie am Montag in Berlin. Ihre Entscheidung begründete sie zudem „mit der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situationen, in der sich Deutschland befindet … In dieser Situation brauchen wir Kontinuität und Stabilität und das ist eben auch in meinem Wahlkreis der Fall und dieser Verantwortung will ich mich stellen.“ Klar, so reden alle Leute, deren Kapazitäten mit dem überdimensionalen Ego nicht Schritt halten können.

Interner Zoff auch wegen SPD-Sparplänen

Derweil gibt es aus der SPD als Partei seit zehn Tagen Widerstand gegen die SPD-Regierungs- und Parlamentsspitze gegen die Absicht, zur Rettung der „Ampel“ einen Sparhaushalt für 2025 auf den Weg zu bringen. Die Widerständler lehnen Kürzungen in Bereichen wie Soziales, Gesundheit, Bildung und Demokratie radikal ab. Stattdessen solle es mehr Investitionen in Bereichen wie bezahlbares Wohnen und Klimaschutz geben. Eine Zustimmung der SPD zum Haushalt sollte laut dem Vorhaben nur unter diesen Bedingungen erfolgen.

Mit einem Mitgliederbegehren soll all das auf den Weg gebracht werden. Letzteres aber hat die SPD-Spitze für unzulässig erklärt. Genannt wurden hier juristische Gründe. Denn für den Haushalt sei das Parlament zuständig, es gelte die Freiheit des Mandats. „Die Nichtzulassung des Mitgliederbegehrens ist enttäuschend“, sagte der »DL21«-Co-Vorsitzende Erik von Malottki dem Spiegel. »Es wäre eine sehr gute Möglichkeit gewesen, die Mitglieder zu beteiligen und den Druck auf die FDP zu erhöhen.« Man werde das Gutachten nun zusammen mit den unterstützenden Arbeitsgemeinschaften rechtlich und politisch bewerten. »Zusätzlich wollen wir mit dem Parteivorstand über das weitere Vorgehen und Möglichkeiten der stärkeren Einbindung der Mitglieder sprechen.«

Das lässt folgendes erwarten: Die drei Spitzen-“Ampler“ Scholz, Habeck und Lindner werden mit dem ohnehin schon verschleppten Haushalt 2025 wohl nicht sehr schnell zu Potte kommen. Wieder einmal eine Phase von Stillstand, den dieses Trio seit Dezember 2021 zu verantworten hat. Bei hochideologischen Protzprojekten, siehe Cannabisfreigabe, Selbstbestimmungsgesetz, Doppelstaatler usw., ist dieses Murks-Trio schnell. Kernaufgaben kriegt es nicht auf die Reihe.

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