Tichys Einblick
Gesamtbetriebsrat statt Partei

SPD-Parteitag: Andrea Nahles fügt sich den Realitäten

Andrea Nahles bleute den Delegierten mit großer Emphase ein, sie wolle "was Großes im Kleinen sehen". Sie empfahl ihrer Partei damit unumwunden, sich in ihr Schicksal als Juniorpartner der Christdemokraten zu fügen.

© Sascha Schuermann/AFP/Getty Images

Im Beisein der Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der IG Metall und von Verdi, vollzog sich auf dem Parteitag der SPD ein Kampf zweier Linien, dessen endgültiger Ausgang für die weitere Zukunft der Partei von einiger Bedeutung ist. Während die Parteispitze für die Fortführung einer Koalition mit den Christdemokraten mit dem Argument warb, die SPD könne als Juniorpartner von CDU/CSU weiterhin viele soziale Verbesserungen für die „kleinen Leute“ erreichen, setzten die Kritiker dieses Ansatzes erkennbar auf die Hoffnung, aus der Opposition heraus ließe sich unter der Führung der SPD eventuell schon bei Neuwahlen, spätestens jedoch bei der nächsten regulären Bundestagswahl eine rot-grüne Mehrheit erreichen.

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Vor allem Andrea Nahles erteilte mit ihrer Brandrede für die Fortführung der christ-sozialdemokratischen Koalition dieser Hoffnung eine gehörige Abfuhr, obwohl sie kurz nach der Bundestagswahl noch lautstark verkündete, dem bisherigen Koalitionspartner ab sofort „eins in die Fresse“ zu geben. Die Umsetzung dieses Versprechens in die Tat hat sie nun vorerst zurückgestellt und in ihrer Rede auf die eher hilflose Spitze gegen den „blöden Dobrindt“ eingedampft. Stattdessen haute sie den innerparteilichen Gegnern einer Fortführung der bisherigen Koalition gehörig aufs Maul, indem sie ihnen aufzeigte, dass die Zeiten der SPD als mehrheitsfähige linke Volkspartei wohl für immer vorbei sind. Die Wiederbelebung dieser Zeiten ist die Vorstellung und Hoffnung der Wortführer der 280 Delegierten, die auf dem Parteitag gegen den Antrag der Parteiführung auf Fortführung der Koalition gestimmt haben.

Selten zuvor hat ein Mitglied der Parteispitze so unverblümt und drastisch den Funktionären und Mitgliedern der SPD die tatsächliche Lage der Partei vor Augen geführt wie die neue Fraktionsvorsitzende. Das dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass mit 362 Delegierten eine Mehrheit des Parteitags dem Antrag der Parteiführung zugestimmte. Nahles legte den Delegierten nämlich dar, dass die Wähler der SPD keineswegs von ihr erwarten, eine Regierung anzuführen. Vielmehr reicht es ihnen aus, wenn die SPD unter der Führung von CDU/CSU eine Reihe sozialer Verbesserungen realisiert, die die Christdemokraten von sich aus nicht realisieren würden. Die SPD wird von ihnen als eine Art Gesamtbetriebsrat der Deutschland AG betrachtet, der in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften dafür sorgt, dass die „kleinen Leute“ vom wirtschaftlichen Fortschritt auch etwas abbekommen. Da sich dieses Modell in den meisten Großunternehmen ziemlich bewährt hat, wird es nicht nur von vielen Bürgern, sondern auch von den Gewerkschaftsspitzen als auf die Politik übertragbar betrachtet.

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Wie schon 2013 drängen daher insbesondere die DGB-Gewerkschaften die SPD zu einer Koalition mit den Christdemokraten. Sie betrachten sie damit als eine Art Co-Manager einer christdemokratisch geführten Koalition, der im täglichen Regierungsgeschäft für die Berücksichtigung der Interessen der „kleinen Leute“ zuständig ist. Wie man dies macht, wissen sie von ihren Betriebsräten bei den großen Dax-Konzernen wie Volkswagen, Daimler, Siemens oder BASF, die als Co-Manager in diesen Unternehmen dafür sorgen, dass die Interessen der Beschäftigten beim Erwirtschaften des betriebswirtschaftlichen Reichtums nicht zu kurz kommen. Gleiches soll die SPD daher auf der volkswirtschaftlichen Ebene tun.

Das entspricht zwar nicht dem Konzept einer linken Volkspartei, die alleine oder zusammen mit gleichgesinnten Partnern ihre kapitalismuskritischen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit verwirklicht, wohl aber den Interessenlagen nicht nur der Gewerkschaften, sondern eines Großteils der „kleinen Leute“.

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Sie wünschen sich eine schlagkräftige Vertretung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen in der Regierung, halten es dafür aber nicht für erforderlich, dass die Sozialdemokraten eine solche Regierung führen. Vielen von ihnen reicht es daher, wenn die SPD so stark ist, dass sie als kleinerer Koalitionspartner gewissermaßen „erste Wahl“ bleibt. Dafür genügen aber zwanzig Prozent der Stimmen. Nichts anderes hat Andrea Nahles den Delegierten auf dem Parteitag eingebleut, als sie mit großer Emphase sagte, sie wolle „was Großes im Kleinen sehen“. Sie gab damit nicht nur unumwunden zu erkennen, dass sie ihrer Partei empfiehlt, sich in ihr Schicksal als Juniorpartner der Christdemokraten zu fügen, sondern dass sie sich auch vorstellen kann, andernfalls sogar unter die 20 Prozent-Marke zu sinken. Gesamtbetriebsrat der Deutschland AG geht auch mit 18 %.
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