Die SPD, die im Bundesland Brandenburg so etwas wie eine Staatspartei ist, hatte kürzlich die Autorin Julie Zeh zur Verfassungsrichterin gemacht. Dass sie „im Zuge der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten“ 2017 in die SPD eintrat (Wikipedia), dürfte der Kür nicht unbedingt geschadet haben.
Nun hat Frau Zeh in einem Interview mit der Basler Zeitung festgestellt, wie rbb 24 und Morgenpost berichten, dass es in den Dörfern der Mark in Fragen Erziehung „noch ein paar Jahrzehnte Rückstand in der Entwicklung bestimmter Werte“ gibt. Vor allem weiß sie „von Freunden aus anderen Dörfern, dass sich die Offenherzigkeit beim Äußern von Fremdenfeindlichkeit um den Faktor 10.000 multipliziert hat.“
Kann man von einer Verfassungsrichterin, die sich so überheblich und so denunziatorisch über die Bürger ihres Bundeslandes äußert, Neutralität als Verfassungsrichterin erwarten? Ist von einer Richterin, die so dezidiert eigene Erziehungsvorstellungen zum Maßstab erhebt, die über Fremdenfeindlichkeit, die sie übrigens nur vom Hörensagen kennt, wie sie selbst eingesteht, schwadroniert, die Unabhängigkeit erwarten, die man bei Richtern, zumal Verfassungsrichtern voraussetzt? Eine weitere Frage ist, ob Zeh nur offen ausspricht, was Ministerpräsident Dietmar Woidke über die Brandenburger denkt? Da in diesem Jahr Landtagswahlen sind, kann der Ministerpräsidentenkandidat der Sozialdemokraten den Brandenburger Bürgern erklären, wie er es mit der Unabhängigkeit von Gerichten hält und wie er die „um den Faktor 10.000“ multiplizierte Fremdenfeindlichkeit und jahrzehntelange Rückständigkeit seiner Bürger einschätzt.
Wie es um den Zustand der SPD in Brandenburg steht, offenbart eine zweite Lokalposse, die in diesen Tagen die Gemüter erregt. Ausgerechnet der neue Oberbürgermeister von Potsdam, Mike Schubert, sorgte dafür, dass sich neben drei anderen Bürgern der Landeshauptstadt das Aushängeschild der links-alternativen Wählergruppe Die Anderen, Lutz Böde, ins Goldene Buch der Stadt Potsdam eintragen darf. Dass die Grünen-Politikerin Saskia Hüneke in der Nominierung der vier Ausgewählten, zu der sie gehört, „ein Signal der Verständigung in verschiedene Richtungen der Stadtgesellschaft“ sieht, kann nur jemand sagen, für den Verständigung die Ausgrenzung aller, die nicht dem rot-grünen Meinungskonsens entsprechen, bedeutet. Die verschiedenen Richtungen stellen nur eine einzige dar.
Die Entscheidung der Brandenburger SPD für Zeh und für Böde wird das Land weiter spalten. Und sie zeigt, dass die SPD ihre integrative Kraft verloren hat. Schubert hat mit seiner Entscheidung die Türen zur Verständigung zugeschlagen, Woidke stellt das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Brandenburger Verfassungsgerichts in Frage.
Sollte die SPD im Herbst 2019 noch einmal den Ministerpräsidenten stellen können, dann nur weil eine in weiten Teilen Merkelfromme CDU in der Mark unter einem Landeschef Ingo Senftleben den Wahlsieg aus mangelnder Kampagnefähigkeit und fehlender politischer Klarheit verspielen könnte. Da von 86 abgegebenen Stimmen 71 für Zeh votiert haben, dürfte das SPD-Mitglied auch mit Stimmen der CDU gewählt worden sein und mithin teilt sich die CDU die Verantwortung für diese Berufung mit der SPD. Welch schöner Ausblick auf eine Große Koalition, vorerst in dieser Frage.