Imagewechsel sind eine schwere Sache. PR-Berater empfehlen, behutsam damit umzugehen. Wer zum Beispiel als Softie gilt, sollte nicht plötzlich den harten Kerl raushängen lassen. Das glaubt ihm keiner. Stattdessen sollte er bei seinem Markenkern bleiben und den so anpassen, dass ihm das Softie-Image nutzt. Die Ampel liefert derzeit Beispiele, was denen passiert, die gegen diese Regeln verstoßen.
Allen voran Olaf Scholz (SPD). Als Kanzler und davor Vizekanzler stand er für die Einwanderungspolitik Angela Merkels (CDU): unbegrenzt Viele einwandern lassen in der Hoffnung, dass von alleine ausreichend Fachkräfte darunter sind. Als sich im vergangenen Jahr abzeichnete, dass und wie sehr diese Politik schiefgeht, versuchte sich Scholz im radikalen Imagewechsel und forderte im Spiegel, dass „im großen Stil“ abgeschoben wird.
Gebracht hat ihm das nichts. Nahezu niemand hat Scholz diesen Imagewechsel abgekauft. Dafür hat er jetzt ein Problem. Der Kanzler beteiligt sich an einer Kampagne gegen Rechts, die von schrumpfender Wirtschaft, steigenden Preisen und Arbeitslosigkeit sowie dem fehlenden Platz für immer mehr Einwanderer ablenken soll. Der Mann, der „im großen Stil“ abschieben will, kämpft nach dem neuesten Twist gegen Parteien, weil die im großen Stil abschieben wollen. Das glauben ihm vielleicht Redakteure der ARD oder der Süddeutschen; Parteifreunde, die er mit Jobs versorgt hat, oder NGOs, die er mit Geld füttert. Eine breite Mehrheit ist indes nach zwei radikalen, sich widersprechenden Imagewechseln in weniger als einem halben Jahr nur noch irritiert.
Vor diesem Hintergrund ist zu sehen, was Wolfgang Kubicki den Nürnberger Nachrichten gesagt hat. Dass er wieder mal rechts blinkt, um später im entscheidenden Moment links abzubiegen? Nein, das nicht, geschenkt. Der Vizepräsident des Bundestages zweifelt in dem Interview an, dass die Ampel bis zur regulären Wahl im Herbst 2025 hält, und er ermahnt sie: „Wir haben nun ein Vierteljahr, um zu versuchen, den Spirit des Anfangs wiederherzustellen.“ Damit unterstellt Kubicki der Ampel indirekt, sie brauche nur drei Monate, um einen Politikwechsel hinzubekommen, der den Bürgern gefällt und dem sie vertrauen.
Das ist eine gewagte These Kubickis. Zum einen, weil die Vertreter der Ampel nicht die geringste Bereitschaft zum Politikwechsel zeigen. Ja, sie haben nicht einmal die Fehler verstanden. Die Bauern, Spediteure, Gastronomen und Handwerker gehen wegen der zu hohen Steuerlast auf die Straße. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will das Problem mit einer neuen Steuer, einer auf Fleisch, bewältigen. Die Wähler der FDP sind frustriert, weil sie mehr individuelle Freiheit gewählt haben und ihre Partei ihnen mehr Einmischung des Staates liefert. Die Antwort des „liberalen“ Finanzministers Christian Lindner lautet, das „Klimageld“ doch noch einzuführen. Der Staat nimmt also weiterhin hohe Steuern – etwa für Agrardiesel –, verteilt das Geld aber in einer einmaligen Aktion mit der Gießkanne.
Doch es ist nicht nur so, dass Scholz, Özdemir oder Lindner die Situation nicht nur nicht verstehen. Von „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) gar nicht erst zu reden. Selbst wenn sie verstanden hätten und zu einem Kurswechsel bereit wären, ist der nicht so einfach. Es reicht nicht, wie Lindner es damit versucht, bei jeder Gelegenheit einen Abbau der Bürokratie zu fordern. Zumindest dann nicht, wenn die Bürger zeitgleich erleben, dass sich die Schlinge der Verwaltung immer enger um jedes Engagement zieht. Sei es im privaten Heizungskeller, in wirtschaftlicher Aktivität oder selbst in der Freizeit, wenn die Politik Zuchtvereinen in Ausstellungen hineinregiert.
Wenn ein Politiker sein Image wechseln will, muss er drei Voraussetzungen erfüllen. Er darf sich nicht zu weit von seinem Markenkern entfernen, das macht unglaubwürdig. Er darf nicht immer wieder Positionen antesten, um zu sehen, welche funktioniert – stattdessen muss er eine Position lange und auch über Niederlagen hinaus durchstehen. Zum Dritten muss er seinen Imagewechsel mit Taten untermauern.
Das braucht Zeit. Ein konservativer Jungpolitiker hatte vor acht Jahren ein Imageproblem. In den sozialen Netzwerken sammelte er zwar viele Anhänger hinter sich, aber er vergriff sich auch ein, zweimal im Ton. Das gab ihm ein unseriöses Image. Hätte er einfach nur gesagt, er wolle jetzt seriös werden, hätte man ihn ausgelacht. Was hat er stattdessen getan? Er ist in seine Heimat zurückgegangen, kandidierte dort als Bürgermeister, ackerte hart im Wahlkampf und gewann diesen. Seitdem kümmert er sich darum, dass das Schwimmbad funktioniert und die Feuerwehr die nötige Ausrüstung erhält. Dass er geheiratet hat und ein Kind gezeugt hat, hat ebenfalls geholfen. Nun gilt er als seriöser, anerkannter Lokalpolitiker. Aber wer sich den Weg dieses Mannes verinnerlicht, sieht ein, wie weit es bis zu einem neuen Image ist – und wie entschlossen man diesen Weg gehen wollen muss.
So viel Zeit haben die Ampelparteien aber nicht. Das geringste Problem haben die Grünen. Die Ampel hat ihre Politik umgesetzt. Laut Umfragen können sie das Ergebnis von 2021 weitgehend halten. Ihre Wähler sind ideologisch überzeugt und gerade, dass die Ampel für grüne Politik öffentlich verprügelt wird, bindet sie nur noch fester an die Partei. Die Grünen werden 2025 zwar ein paar Modefans verlieren, aber ansonsten stabil bleiben.
Die SPD verliert nach den Umfragen die Hälfte ihres Ergebnisses im Vergleich zu 2021. Nun hat die Partei gezeigt, dass sie mehr unglaubwürdige Imagewechsel als alle anderen Parteien überstanden hat. Der Postillon scherzt treffend, dass die Partei vor jeder Wahl ihr Soziales Halbjahr ausruft. Doch das hat Substanz gekostet. Selbst bei einer für sie extrem erfolgreichen Wahl reicht es nur noch für etwas mehr als 25 Prozent. Ohne Rückenwind droht ein Ergebnis deutlich unter 20 Prozent – für eine Partei, die 2002 noch 38,5 Prozent geholt hat.
Wie die SPD ist auch die FDP im Vergleich zu 2021 in den Umfragen um gut die Hälfte geschrumpft. Nur ist das für die FDP viel gefährlicher. Ihr droht 2025 in ihrer Geschichte der zweite Rauswurf aus dem Bundestag. Zumal mit Freien Wählern, AfD, Bündnis Deutschland oder der Werteunion gleich mehrere Bewerber da sind, die enttäuschte liberal-konservative Wähler auffangen könnten – und es bei den letzten Landtagswahlen auch schon getan haben.
Die SPD wird den Imagewechsel mit dem „Sozialen Halbjahr“ versuchen. Damit erreicht sie vielleicht Empfänger von Bürgergeld. Deren Bezüge hat die Ampel innerhalb von einem Jahr um 25 Prozent erhöht. Aber die SPD hat zwei Wählergruppen verloren, die früher die Partei ausgemacht haben: die Arbeiter (oder Arbeitnehmer), die mit harter Arbeit wenig verdienen, aber in den Mittelstand aufsteigen wollen. Ihnen lässt die SPD-Politik wenig Geld von ihrer Arbeit übrig und verteuert künstlich die Preise für Lebensmittel durch höhere CO2-Steuer, LKW-Maut oder nun durch die Fleischsteuer – das alles nach und während einer Rekord-Inflation. Auf dem Wohnungsmarkt zahlt der Staat in Folge der SPD-Politik so hohe Mieten für Asylbewerber und Empfänger von Bürgergeld, dass sich Menschen mit geringem Einkommen kaum noch eine neue Wohnung leisten können.
Die Aufsteiger hat die SPD ebenfalls verloren. Ihnen hilft die Ampel kaum. Die Organisation für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit beklagt, dass in kaum einer anderen Industrienation der gesellschaftliche Aufstieg so schwer bis nahezu unmöglich ist wie in Deutschland. Dazu passt: Eine Erhöhung des Bafögs hat die Ampel jüngst abgelehnt. 25 Prozent mehr für die, die nicht arbeiten. Aber keinen Cent mehr für die, die Arzt, Architekt oder Manager werden wollen, deren Eltern aber wenig Geld haben. Auch hier gilt: Die SPD versucht vielleicht in Worten einen Imagewandel hinzubekommen. In den Taten ist das aber noch nicht angekommen.
Das Problem mit den Aufsteigern ist auch das Problem der FDP. Sie hat zudem die Wähler vergrault, die weniger Staat wollen. Der schreibt nun sogar vor, welche Heizung der Bürger zuhause nutzen soll und wann er sich einen teuren Berater aus dem grünen Klientel der Energieberater ins Haus holen muss. Der nächste Schritt in die falsche Richtung ist das Ernährungskonzept der Ampel. Der FDP-Wähler wollte einen freien Bürger und bekommt einen Bürger, dem der Staat vorschreibt, wann und wie viel Salz, Zucker oder Fleisch er essen soll.
Von diesem Image wegzukommen, ist schwer. Die FDP hat sich unter Christian Lindner den Ruf erarbeitet, jede grüne Position mitzutragen. Dabei hat der FDP nicht geholfen, dass Lindner lange gegen den Atomausstieg gesprochen, ihn aber zwischenzeitlich umgesetzt hat. Zu Beginn der Ampel hat die FDP es versucht mit der Erzählung, sie verhindere in der Ampel „Schlimmeres“. Das war auf die Grünen gemünzt und auf Coronaminister Karl Lauterbach (SPD). Nur hat die Parteiführung eine Frage nie klären können: Welcher Wähler soll sich sagen, er wähle die FDP, weil er die Ampel ablehne, die FDP diese Ampel zwar ermögliche, aber dann das Schlimmste darin verhindert? Dann kann er gleich eine Partei wählen, die gegen die Ampel ist – gibt ja mittlerweile genug.
Will die FDP 2025 eine Chance haben, reicht es nicht, als der Bremser der Ampel zu gelten. Der Bremser ist Teil eines Ganzen, das keine Mehrheit in der Gesellschaft hat. Die FDP wird ihren Wählern klarmachen müssen, dass es mit ihr nie wieder eine Koalition mit den Grünen gibt – und auch nicht mit einer SPD, wie sie von Olaf Scholz geführt wird. Nur sich irgendwann hinstellen und sagen, dieses Mal wiederholen wir die Koalition mit den Grünen nicht – das wird nicht genügen.
Die FDP wird oder würde einen Bruch mit den Grünen obendrein mit Taten untermauern müssen. Damit muss sie irgendwann anfangen. In drei Monaten? Nach der EU-Wahl? Zu Beginn des neuen Jahres? Im Sommer 2025? Je früher sie es macht, desto besser. Je später sie es macht, desto geringer werden ihre Chancen, an Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Die FDP braucht dabei ein oder besser mehrere Themen, die den Bruch mit den Grünen anschaubar machen. Immerhin: Das sollte leichtfallen. Themen, in denen FDP-Wähler etwas diametral anderes wollen, als die Partei in der Scholz-grünen Regierung liefert, gibt es mehr als genug: zwangsweise Energieberater ins Haus schicken. Politisch Radikale, Straftäter oder Arbeitsverweigerer ohne deutschen Pass im Land behalten. Auf den Protest gegen die hohen Steuern mit noch mehr Steuern antworten. Ansätze, etwas zu ändern, gibt es genug. Das Thema muss indes stark sein und darf nicht nach Schattenfechterei aussehen. Ist die FDP entschlossen, das Richtige zu tun – und erkennt die FDP das Richtige –, dann hat sie 2025 noch eine Chance. Aber dafür muss sie um zigtausend Prozent mehr liefern als bisher.
Mit der SPD sieht es anders aus. Sie wird die Ampel überleben. Fraglos. Doch die SPD ist wie das Osmanische Reich zum Wechsel ins 20. Jahrhundert: Ihre Größe gibt ihr Gewicht und hält sie am Leben. Aber sie ist innerlich so morsch, dass der Verfall nicht auf Dauer aufzuhalten ist. Der Streit der anderen über das Territorium, das sie nicht mehr beherrschen kann, sorgt zudem für Unruhen mit heftigen Konsequenzen.
Die SPD wird die nächste Wahl überleben. Vielleicht tatsächlich mit 13 Prozent. Oder auch mit 15 oder sogar 18 Prozent. Aber weit weg von dem, was noch ein Gerd Schröder mobilisieren konnte. Von einem Willy Brandt mit 45,8 Prozent gar nicht erst zu reden. Vielleicht kann sich die Partei mit 18 Prozent trotzdem in der Regierung halten. Verfällt das Parteiensystem weiter in immer mehr kleine Parteien, könnte es sogar noch einmal zu einer Kanzlerschaft reichen. Aber die SPD verfällt weiter und so ein Verfall hat ein Merkmal: Er beginnt sehr langsam, wird nur allmählich schneller, aber bricht irgendwann heftig über dem Verfallenden zusammen. Ein Kipppunkt wird sein, wenn die SPD tatsächlich mal bei einer Landtagswahl nicht mehr ins Parlament einzieht.
Ein glaubwürdiger Imagewechsel ist bei der SPD eigentlich nicht mehr denkbar. Über ihre Sozialen Halbjahre lachen die Wähler. Den „im großen Stil“ abschiebenden Kanzler hat Scholz kein halbes Jahr durchgehalten. Wenn er sich als Erneuerer geben will, sollte er die Rohrpost im Kanzleramt abschaffen – die gibt es wirklich, kein Witz – oder seinen Finanzminister dabei bremsen, die Mittel für die Digitalisierung zusammenzustreichen. Vielleicht wird es nach 2025 eine völlig neue Orientierung der Sozialdemokraten geben – so wie zum Beispiel in Dänemark. Doch vor der Wahl kann der SPD ein Imagewechsel auf keinen Fall gelingen.