Tichys Einblick
Ein Lügner-Tandem?

SPD-Ministerin Faeser und ZDF-Mann Böhmermann sind beide nicht zu halten

Schönbohms Anwalt will per Gericht Fragen geklärt haben. Faesers Behauptung, die Böhmermann-Sendung wäre nicht der Grund für die Entlassung seines Mandanten gewesen, sei falsch. Derweil fordert ein Bonner Staatsrechtler, dem „Politclown“ Böhmermann „seine Spielwiese zu nehmen“.

IMAGO/J. Heinrich, M. Popow, Future Image - Collage: TE

Im Oktober 2022 hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Deutschlands Cyber-Abwehrchef Arne Schönbohm aufgrund einer ZDF-Böhmermann-Denunziation (Schönbohm habe angeblich mittelbar Kontakte zum russischen Geheimdienst) spontan von seinen Aufgaben entbunden und strafversetzt. Wir haben hier auf TE von Anbeginn darüber berichtet. Zuletzt hier:

Erstmals am 21. Oktober 2022 hier:

Jetzt, nach fast einem Jahr Dämmerschlaf, wachen die ach so arrivierten Medien und auch die CDU/CSU-Opposition auf und nehmen sich des Skandals an. Denn diese Sache stinkt zum Himmel – und dies wenige Wochen vor der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober 2023, wo sich Faeser zur Ministerpräsidentin wählen lassen möchte.

Derweil reden sich Faeser und ihre Parteigenossen um Kopf und Kragen. Faesers Rechtfertigungsgebäude zeigt größte Risse und steht kurz vor dem Einsturz. Denn mehr und mehr erweist sich, dass Faeser mit ihrem zweimaligen Schwänzen einer Sondersitzung des Innenausschusses nicht nur das Parlament brüskiert, sondern dass sie mutmaßlich auch gelogen hat. Oder Erinnerungslücken hat, wie das ja auch bei ihrem Chef Olaf Scholz vorkommen soll. Focus-online-Recherchen legen den Schluss nahe.

Hat die Bundesinnenministerin gelogen? Hat sie Böhmermanns Denunziationen gegen den früheren Cyber-Abwehrchef Arne Schönbohm geglaubt, ja diese Denunziationen gar über Bande inszeniert? Was war der Inhalt zweier Telefonate zwischen einer Staatssekretärin Faesers und Böhmermann vor dem 7. Oktober 2022?

Nun will der Schönbohm-Anwalt Professor Christian Winterhoff per Gericht einige Fragen geklärt haben. Winterhoff bestätigte einen Focus-online-Bericht, wonach Faeser in einem Bild-Interview nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Nach ihrer Aussage habe die Böhmermann-Sendung zu Schönbohm keine Rolle für die Entfernung Schönbohms aus seinem Amt gespielt. Vielmehr sei es generell um das Vertrauen in das bis dahin von Schönbohm geleitete Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gegangen, behauptete die Ministerin.

Elf Fragen
Wird aus der Causa Faeser eine Staatsaffäre?
Faeser aber reichten die Böhmermann-Vorwürfe damals aus, um Schönbohm elf Tage später (am 18. Oktober) zu feuern. „Dann zu behaupten, die Böhmermann-Geschichte sei nicht der Grund für die Ablösung meines Mandanten gewesen, ist schlicht falsch“, führt Winterhoff aus. In dem Zusammenhang verweist der Jurist auf einem vierseitigen Bescheid zum Verbot der Dienstgeschäfte durch das Innenministerium vom 18. Oktober 2022. Dort wird in Punkt 1 ausführlich der Böhmermann-Beitrag behandelt.

Faeser war es auch egal, dass im Januar 2023 zuständige Ministeriale empfahlen, die disziplinarischen Vorermittlungen einzustellen. Tenor: Da sei nichts dran. Genauso dubios ist jener Vermerk über ein Gespräch vom 2. März 2023, in dem Faeser darauf drängte, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erneut in der Angelegenheit einzuschalten, um an kompromittierendes Material gegen den ehemaligen Cyber-Abwehrchef heranzukommen. Nachweislich scheiterte dieser Versuch. Am 28. April teilte der Personalchef dann Schönbohm mit, dass er gänzlich rehabilitiert sei.

Schönbohms Anwalt will nun per Gericht wissen: „Was passierte im Januar 2023 nach der Empfehlung, die Voruntersuchung gegen meinen Mandanten einzustellen?“ Und: „Was geschah nach dem 2. März 2023, als der Verfassungsschutz erneut eingeschaltet wurde?“ Ministerin Faeser hatte betont, dass Schönbohm nicht nachrichtendienstlich ausgeforscht worden sei. Winterhoff hegt Zweifel.

Das ZDF hat ein Böhmermann-Problem

Derweil hat sich der renommierte Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber zu Jan Böhmermann (ZDF) zu Wort gemeldet. Er fordert in Bild: „Es ist höchste Zeit, diesem Politclown in einem öffentlichen-rechtlichen Sender, den wir mit unserem Rundfunkbeitrag mitfinanzieren, seine Spielwiese zu nehmen.“

Hillgruber sagt, ohne Überprüfung der von Böhmermann vorgebrachten falschen Anschuldigungen könne dessen Sendung kein „dienstlicher Grund“ für die Zwangsversetzung sein. Der Staatsrechtler: „Sonst hätte es jeder Fernsehpolitclown in der Hand, durch nicht bewiesene Anschuldigungen, die dann zu einem Vertrauensverlust führen, über den Fortbestand oder die Veränderung eines Dienstverhältnisses eines Beamten zu entscheiden.“ Der Jurist beklagt: „Stattdessen reagiert die Politik eingeschüchtert und willfährig. So darf es nicht weitergehen.“

Faesers Ministerium + Böhmermann über Bande?
Bei der SPD brennt wegen Faeser und Hessen der Kittel
Zuvor hatte der Innenausschuss-Chef des Bundestages, Lars Castellucci (49, SPD), in einem brisanten „Heute-Journal“-Auftritt bereits zugegeben, dass Cyber-Präsident Schönbohm wegen der Böhmermann-Show abgesetzt wurde. Man solle sich „die Nachrichtenlage der damaligen Zeit noch mal anschauen“, hatte Faesers Parteigenosse in dem ZDF-Interview gesagt.

Derweil hat der erfolgreiche Medienanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel am 8. September 2023 eine Programmbeschwerde an den ZDF-Fernsehrat gerichtet. Steinhöfel moniert, dass die Böhmermann-Sendung vom 7. Oktober 2022 mit all ihren Denunziationen und falschen Tatsachenbehauptungen immer noch in der ZDF-Mediathek aufrufbar sei. Steinhöfel schreibt von „konspirativem Zusammenwirken mit politischen Entscheidungsträgern im Bundesinnenministerium“. Das Innenministerium habe sich korrumpieren und instrumentalisieren lassen, um den Ruf und die berufliche Existenz eines unbescholtenen Amtsleiters zu zerstören. ZDF-Clown Böhmermann sei ein „journalistischer Schreibtischtäter“ – „bekannt für das ganz kleine intellektuelle Kartenspiel.“

Dass die Böhmermann-Sendung vom 7. Oktober 2022 heute noch online sei, verletze Schönbohms Persönlichkeitsrechte. Der zwangsgebührenfinanzierte Sender habe, so Steinhöfel, jetzt zwei Möglichkeiten: Man löscht oder ändert den Beitrag und gibt damit nach. Oder man weist die Beschwerde zurück und lässt die Sendung online. Die Öffentlichkeit würde sicher viel Verständnis für eine derartige Auslegung des Programmauftrages aufbringen. Man nennt das Lose-lose-Szenario. So Steinhöfel.

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