Pleiten, Pech, Pannen und Peinlichkeiten pflastern die erst 13 Monate währende Amtsführung der Bundesministerin der Verteidigung Christine Lambrecht (SPD). Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier eine PPPP-Liste: 5000 Helme für die Ukraine, ein Foto vom Mitflug ihres Sohnes in einem Bundeswehrhubschrauber, kein echter Plan für die Umsetzung des 100-Millarden-Sondervermögens, Munition für nur zwei bis drei Tage, eine Kürzung des Verteidigungsetats von 2022 auf 2023 von 50,4 auf 50,1 Milliarden, das – mittlerweile auch truppenintern zu verantwortende – Schützenpanzer-Puma-Desaster, zu dessen Erklärung sie dem Bundestag nur eineinhalb Seiten mit spärlichen Informationen liefern kann. Zuletzt noch eine peinliche Instagramm-Silvester-Message, mit der die Ministerin sich nicht nur blamierte, sondern gegen die gerade erst im eigenen Ministerium aufgestellten Regeln verstieß.
Unter normalen Umständen und nach früher üblichen Maßstäben wären das mehrere Gründe für einen freiwilligen oder einen erzwungenen Rücktritt. Man denke an Scharpings Entlassung durch Kanzler Schröder nach gräflichen Pool-Fotos. Weil Kanzler Scholz aber in der Quotenfalle sitzt und ihm trotz maßlos überschätzter, aber ziemlich folgenloser „Zeitenwende“-Rede vom 27. Februar die Bundeswehr herzlich egal zu sein scheint, hält er an Lambrecht fest. Einen stellvertretenden Regierungssprecher ließ er mitteilen, Lambrecht genieße sein volles Vertrauen, man arbeite gut zusammen. Wobei mit „gut“ nicht die entsprechende Schulnote gemeint sein kann.
Nun fühlt sich auch die mittlerweile ziemlich in den Hintergrund geratene SPD-Chefin Saskia Esken gemüßigt, ihrer Genossin Lambrecht vom linken SPD-Flügel beizustehen, „vollständig“, wie sie sagt. Wir wissen zwar nicht, was der Quasi-Pleonasmus „stehe vollständig“ bedeutet. Kann man auch halb oder mit nur einem Bein und neben jemandem oder vor jemandem voll oder halb stehen? Nun, es wurde aber auch Zeit, dass die SPD-„Spitze“ sich endlich bequemt, der schwerstangeschlagenen, nach wie vor mit ihrer Aufgabe fremdelnden und maßlos überforderten Genossin Lambrecht beizustehen. Das tut Esken dann auch mit reichlich Empathie und Verve: „Die Frau Ministerin Lambrecht hat eine schwere Aufgabe übernommen“, sagte Esken am Donnerstagmorgen in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. Und: „Nach so langen Jahren auch des Sparens bei der Bundeswehr müssen jetzt Beschaffungsmaßnahmen umgesetzt werden, muss die Beschaffung auch umgestellt werden, die Bundeswehr neu strukturiert werden.“ Sie sei „sehr zuversichtlich“, dass Lambrecht dort „weiter gut vorankommen wird“, und stehe eben „vollständig hinter ihr“. Mit Spannung wird jedenfalls erwartet, ob und wie sich die SPD-Bundestagsfraktion auf ihrer Jahresauftaktklausur in der kommenden Woche zu der Ministerin stellt.
Ob Esken sich aus reiner Genossinnensolidarität „vollständig“ hinter Lambrecht stellt, weiß man nicht. Vielleicht hat Scholz sie dazu aufgefordert oder Lambrecht selbst. Aber warum Esken? Eine solche Ehrenerklärung hätte ja auch der andere SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil abgeben können. Er ließ Esken den Vortritt. Vielleicht auch deshalb, weil Klingbeil für den Fall eines Rücktritts oder einer Entlassung Lambrechts als Nachfolger im Bendlerblock gehandelt wird.
Wie auch immer: Dieses Land und gerade auch die 183.000 Soldaten haben es endlich verdient, an der Spitze des Verteidigungsministeriums jemanden zu haben, der mit dieser Aufgabe nicht fremdelt, der zupacken kann und der Ansehen in Öffentlichkeit und Truppe genießt. Es müssen mit Lambrecht an der Spitze der Truppe ja nicht wieder quälende fünfeinhalb Jahre (2013 – 2019) wie bei einer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vergehen. Wobei Kanzlerin Merkel das auch nicht eingesehen hat; ihr ging es nicht um die Bundeswehr, sondern um die Beförderung von der Leyens nach Brüssel.